Ich lese viel und schreibe bei vielen Büchern eine Rezension, die hier veröffentlicht ist. Ich schreibe solche Kritiken auch für mehrere Verlage und deren Bücher. |
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2021 |
JELUSICH, Mirko CAESAR Buch 2021. @book{JELUSICH2021, title = {CAESAR}, author = {Mirko JELUSICH}, year = {2021}, date = {2021-03-06}, abstract = {JELUSICH, Mirko: „Caesar“, Wien 1929 Jelusich war ein engagierter österreichischer Nationalsozialist und damals anerkannter Schriftsteller. Die sowjetische Besatzung stellte ihn mehrmals unter Anklage. Es kam aber zu keiner Verurteilung. Seine Bücher hatten eine hohe Auflage und Beliebtheit bei den Lesern. So ist es interessant im Nachhinein in diese Welt eintauchen zu können. Bei historischen Themen, wie dem über den römischen Imperator, hat so eine politische Ausrichtung aber keine Auswirkung. Aus dieser Zeit bleibt aber der romantisierende, ausgeschmückte und langatmige Romanstil. Umgekehrt ist es aber doch ein Thema, das dem nationalsozialistischen System genehm war: ein Diktator, der Krieg führt … Das Leben Cäsars wird in 72 Kapitel beschrieben. Es sind Momentaufnahmen. Mit diesen Blitzlichtern muss der Leser, wie bei einem Puzzle, alles zusammensetzen. Diese einzelnen Geschichten sind aber sehr detailliert und verständlich beschrieben. Es beginnt mit dem Buben Caius, den seine Mutter sucht. Er rauft unerlaubt mit den Straßenbuben. Der Vater hatte Angst, dass er ein Stubenhocker wird. Schon im nächsten Kapitel tritt dem Leser der Jüngling Caius entgegen. Dieser erlebt den Regenten Sulla und beginnt sich politisch zu engagieren. In einem reichen Kaufmann findet er einen Förderer. In der Politik engagiert er sich als Vermittler zwischen verfeindeten Parteien und bringt sich zunehmend selbst ins Gespräch. Er steht auf der konservativen Seite, obwohl er ein Revolutionär war und ist. „Die Konservativen berufen sich auf ihre Tradition. Tradition ist der Rechtstitel, unter dem sie sich ihre Würden anmaßen, Tradition der Vorwand, unter dem sie sich knechten, Tradition ihr zweites Wort. Jawohl, auch ich bin ein Anhänger der Tradition: ich achte sie, ich ehre sie, ich liebe sie. Aber, das ist ja eben das Unglück, dass die Konservativen keine Tradition haben.“ (Seite 100/101) Er versucht die egozentrische Parteienwirtschaft aufzubrechen und stellt sich gegen etablierte und herrschende Politiker. Die Beschreibung des Lebens wird vom Autor in drei Abschnitte geteilt: • Caius Julius • Caesar • Imperator Im ersten ist die Jugend und das Werden des Mannes Cäsar in Schlaglichtern beschrieben. Cäsar wird durch geschickte, diplomatische Vorbereitung Konsul. Viele Menschen setzen viel Hoffnung ihn in. Er soll die Republik mit ihren sinkenden Werten wieder verbessern. Mehrmals beleuchtet der Autor auch den privaten Bereich. So etwa seine Heirat mit einer um vieles jüngeren Frau, die seine Tochter sein könnte. Sie aber hat Angst vor ihm und verweigert ihm die Hochzeitsnacht. Seine Frau stirbt und später heiratet er wieder eine junge Frau. Mit einer Freundin hat er aber einen Sohn, der ihn am Ende ermorden wird. Nach Ablauf seiner Jahre als Konsul zieht er für das römische Reich in den Krieg, aus dem viele Kriege werden. Hochs und Tiefs durchwandert er. Siege und Niederlagen. Freunde und Feinde begleiten sein Leben. Kriege in Gallien und gegen die Germanen halten ihn mehrere Jahre von der Heimat fern. Im weit entfernten Rom sitzen viele Neider, die ihm Schwierigkeiten machen wollen. Er pariert sie genauso, wie er im Kriegsführen seinen Gegnern Parole bietet. Er kämpft gegen Germanen, fällt zwei Mal in England ein und schlägt sich in Spanien und Ägypten. In Ägypten verliebt er sich in Kleopatra und verbringt zwei Jahre mit ihr. Zwei Jahre, die vielleicht seine schönsten waren und an die er sich oft erinnert. Mit einem Krieg und der Besetzung Alexandrias beendet er seinen Ägyptenaufenthalt. Sein Herz aber bleibt bei Kleopatra. Manche seiner Kriege sind brutal. So lautet etwa ein Befehl: „Alles Leben wird vernichtet, kein Weib, kein Kind geschont – nicht einmal das Vieh auf der Weide. Sengt, brennt, mordet nach Herzenslust! Mit Eisen und Feuer will ich diesen Schandfleck aus dem Angesicht der Erde tilgen!“ (Seite 300) Am Höhepunkt seiner Macht ist er sich derer auch bewusst: „Ich bin der Herr der Welt! Ich! Ich! Wenn es mir beliebt, halte ich den Erdball und hebe ihn zu den Sternen empor; wenn es mir beliebt, lasse ich ihn aus meiner Hand fallen, unbesorgt darum, ob er zerschellt oder nicht! Das hat mich allein zu kümmern und niemanden sonst! Denn von heute an gibt es nur noch einen Willen: Caesars Willen!“ (Seite 400) Am Ende wird der alternde Imperator vorgestellt. Wie er müde und zweifelnd ist. Wie er sieht, dass er zwar Dinge verändert hat, aber diese nicht wirklich angenommen wurden. Letztlich findet er, dass er dem Volk „Freiheit“ gegeben hat. Einen Besucher fragt er, was dieser unter Freiheit versteht. Der antwortet „Tun und lassen können, was man will.“ (Seite 454) Cäsar aber verbessert ihn „Tun und lassen können, was man darf.“ (Seite 455) Cäsar ist im Alter einsam und allein. In schlaflosen Nächten fragt er sich „Was will ich eigentlich?“ So detailgenau manche Szenen des Lebens beschrieben werden, so wenig wird über den Tod und die Ermordung Cäsars durch Brutus erzählt. Dass sein Leben dem Ende zu geht wird anhand eines Alptraums erzählt. Noch einmal zieht sein Leben an ihm vorbei. Er sieht, dass es dem Ende zu geht. Auch seine Frau tritt noch auf und will ihren Gatten vor dem Gang zum Senat warnen. Sie hatte einen Traum, in dem sie ihren Mann am Markt blutend sah und wie sich die Leute ihre Hände in diesem Blut wuschen. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } JELUSICH, Mirko: „Caesar“, Wien 1929 Jelusich war ein engagierter österreichischer Nationalsozialist und damals anerkannter Schriftsteller. 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Schon im nächsten Kapitel tritt dem Leser der Jüngling Caius entgegen. Dieser erlebt den Regenten Sulla und beginnt sich politisch zu engagieren. In einem reichen Kaufmann findet er einen Förderer. In der Politik engagiert er sich als Vermittler zwischen verfeindeten Parteien und bringt sich zunehmend selbst ins Gespräch. Er steht auf der konservativen Seite, obwohl er ein Revolutionär war und ist. „Die Konservativen berufen sich auf ihre Tradition. Tradition ist der Rechtstitel, unter dem sie sich ihre Würden anmaßen, Tradition der Vorwand, unter dem sie sich knechten, Tradition ihr zweites Wort. Jawohl, auch ich bin ein Anhänger der Tradition: ich achte sie, ich ehre sie, ich liebe sie. Aber, das ist ja eben das Unglück, dass die Konservativen keine Tradition haben.“ (Seite 100/101) Er versucht die egozentrische Parteienwirtschaft aufzubrechen und stellt sich gegen etablierte und herrschende Politiker. Die Beschreibung des Lebens wird vom Autor in drei Abschnitte geteilt: • Caius Julius • Caesar • Imperator Im ersten ist die Jugend und das Werden des Mannes Cäsar in Schlaglichtern beschrieben. Cäsar wird durch geschickte, diplomatische Vorbereitung Konsul. Viele Menschen setzen viel Hoffnung ihn in. Er soll die Republik mit ihren sinkenden Werten wieder verbessern. Mehrmals beleuchtet der Autor auch den privaten Bereich. So etwa seine Heirat mit einer um vieles jüngeren Frau, die seine Tochter sein könnte. Sie aber hat Angst vor ihm und verweigert ihm die Hochzeitsnacht. Seine Frau stirbt und später heiratet er wieder eine junge Frau. Mit einer Freundin hat er aber einen Sohn, der ihn am Ende ermorden wird. Nach Ablauf seiner Jahre als Konsul zieht er für das römische Reich in den Krieg, aus dem viele Kriege werden. Hochs und Tiefs durchwandert er. Siege und Niederlagen. Freunde und Feinde begleiten sein Leben. Kriege in Gallien und gegen die Germanen halten ihn mehrere Jahre von der Heimat fern. Im weit entfernten Rom sitzen viele Neider, die ihm Schwierigkeiten machen wollen. Er pariert sie genauso, wie er im Kriegsführen seinen Gegnern Parole bietet. Er kämpft gegen Germanen, fällt zwei Mal in England ein und schlägt sich in Spanien und Ägypten. In Ägypten verliebt er sich in Kleopatra und verbringt zwei Jahre mit ihr. Zwei Jahre, die vielleicht seine schönsten waren und an die er sich oft erinnert. Mit einem Krieg und der Besetzung Alexandrias beendet er seinen Ägyptenaufenthalt. Sein Herz aber bleibt bei Kleopatra. Manche seiner Kriege sind brutal. So lautet etwa ein Befehl: „Alles Leben wird vernichtet, kein Weib, kein Kind geschont – nicht einmal das Vieh auf der Weide. Sengt, brennt, mordet nach Herzenslust! Mit Eisen und Feuer will ich diesen Schandfleck aus dem Angesicht der Erde tilgen!“ (Seite 300) Am Höhepunkt seiner Macht ist er sich derer auch bewusst: „Ich bin der Herr der Welt! Ich! Ich! Wenn es mir beliebt, halte ich den Erdball und hebe ihn zu den Sternen empor; wenn es mir beliebt, lasse ich ihn aus meiner Hand fallen, unbesorgt darum, ob er zerschellt oder nicht! Das hat mich allein zu kümmern und niemanden sonst! Denn von heute an gibt es nur noch einen Willen: Caesars Willen!“ (Seite 400) Am Ende wird der alternde Imperator vorgestellt. Wie er müde und zweifelnd ist. Wie er sieht, dass er zwar Dinge verändert hat, aber diese nicht wirklich angenommen wurden. Letztlich findet er, dass er dem Volk „Freiheit“ gegeben hat. Einen Besucher fragt er, was dieser unter Freiheit versteht. Der antwortet „Tun und lassen können, was man will.“ (Seite 454) Cäsar aber verbessert ihn „Tun und lassen können, was man darf.“ (Seite 455) Cäsar ist im Alter einsam und allein. In schlaflosen Nächten fragt er sich „Was will ich eigentlich?“ So detailgenau manche Szenen des Lebens beschrieben werden, so wenig wird über den Tod und die Ermordung Cäsars durch Brutus erzählt. Dass sein Leben dem Ende zu geht wird anhand eines Alptraums erzählt. Noch einmal zieht sein Leben an ihm vorbei. Er sieht, dass es dem Ende zu geht. Auch seine Frau tritt noch auf und will ihren Gatten vor dem Gang zum Senat warnen. Sie hatte einen Traum, in dem sie ihren Mann am Markt blutend sah und wie sich die Leute ihre Hände in diesem Blut wuschen. |
ROTH, Gerhard Das doppelköpfige Österreich, Essays, Polemiken, Interviews Buch 2021. @book{ROTH2021, title = {Das doppelköpfige Österreich, Essays, Polemiken, Interviews}, author = {Gerhard ROTH}, year = {2021}, date = {2021-02-26}, abstract = {ROTH, Gerhard: „Das doppelköpfige Österreich, Essays, Polemiken, Interviews“, Frankfurt 1995 Das Buch ist Mitte der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts erschienen und enthält Essays, Interviews, Briefe und Polemiken des Dichters Gerhard Roth. Primär geht es um anscheinende Schwachstellen Österreichs. Um diese aufzuzeigen ist dem Dichter kein Argument zu schade. So wurde er auch immer wieder als Nestbeschmutzer des Landes bezeichnet. Aber er überzeichnet die Dinge. Jetzt – im Jahr 2021 – mit Abstand zu den Geschehnissen wirkt so manches lächerlich, überzogen und ausschließlich polemisch. So lässt er etwa keine Möglichkeit aus den ehemaligen Bundespräsident Waldheim lächerlich zu machen. Als bekennender Sozialist (obwohl er an anderer Stelle schreibt, er sei ein „Nullgruppler“, also keiner Partei zugehörig) nimmt er primär die rechten Parteien aufs Korn, wenngleich er auch Mängel in der SPÖ sieht. Die Beiträge sind im Buch in sechs Abschnitten zusammengefasst. Unter dem Titel „Antworten auf das österreichische Selbstverständnis“ greift er auf Figuren wie den Herrn Karl oder beschreibt die Situation in Form von Karikaturen. Im Abschnitt „Gespenster, Konflikte und Repliken“ geht Roth direkt in Konfrontation zum Vizekanzler Erhard Busek von der ÖVP. Ein Briefwechsel der beiden wird abgedruckt, bei denen natürlich der Dichter als Initiator, das letzte Wort hat. Aber auch die „eigenen“ sozialistischen Minister werden bloßgestellt. Im Kapitel „Der Schein siegt“ wird Innenminister Löschnak wegen der Abschiebung von kosovarischen Migranten an den Pranger gestellt. Er bezeichnet den Minister als einen „bürokratischen Apparatschik in eigener Angelegenheit (vergleichbar mit einem Lipizzaner, der sich selbst abrichtet)“ (Seite 114) Auch die Kultur Österreichs kommt an den Pranger. Es ist teilweise ein Rundumschlag. Bruno Kreisky und Thomas Bernhard wird ein eigener Abschnitt mit dem Titel „Sonnenkönig und Menschenfeind“ gewidmet. Als Sozialist definiert Roth Kreisky so: „Kreisky war ein kluger, gebildeter – und auch schlauer Mann. Eine Begegnung mit ihm war immer anregend – auch wenn er monologisierte – man blickte nicht zu ihm auf, sondern man mochte ihn.“ (Seite 140) Der Autor hatte sich viel mit Irrenhäusern und Guggings Bewohnern beschäftigt. Dementsprechend auch ein Niederschlag in diesem Anekdoten-Buch. Dem ehemaligen Jugoslawienkrieg wird das Kapitel „Rat Smrt“ gewidmet, wobei man lernt, dass (sowohl auf Serbisch, als auch auf Kroatisch) Rat Krieg heißt und Smrt Tod. Auch für diesen Krieg gibt der Autor Österreich die Schuld. Die Wurzeln für diese Auseinandersetzung seien von der österreichischen Monarchie gelegt worden. Den Abschluss des Buches bilden dann verschiedenste Interviews mit Gerhard Roth. Es ist also eine Selbstdarstellung und ein Wiederholen von bereits in anderen Medien Publiziertem. Ein Ausdruck der Unzufriedenheit mit dem eigenen Heimatland. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } ROTH, Gerhard: „Das doppelköpfige Österreich, Essays, Polemiken, Interviews“, Frankfurt 1995 Das Buch ist Mitte der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts erschienen und enthält Essays, Interviews, Briefe und Polemiken des Dichters Gerhard Roth. Primär geht es um anscheinende Schwachstellen Österreichs. Um diese aufzuzeigen ist dem Dichter kein Argument zu schade. So wurde er auch immer wieder als Nestbeschmutzer des Landes bezeichnet. Aber er überzeichnet die Dinge. Jetzt – im Jahr 2021 – mit Abstand zu den Geschehnissen wirkt so manches lächerlich, überzogen und ausschließlich polemisch. So lässt er etwa keine Möglichkeit aus den ehemaligen Bundespräsident Waldheim lächerlich zu machen. Als bekennender Sozialist (obwohl er an anderer Stelle schreibt, er sei ein „Nullgruppler“, also keiner Partei zugehörig) nimmt er primär die rechten Parteien aufs Korn, wenngleich er auch Mängel in der SPÖ sieht. Die Beiträge sind im Buch in sechs Abschnitten zusammengefasst. Unter dem Titel „Antworten auf das österreichische Selbstverständnis“ greift er auf Figuren wie den Herrn Karl oder beschreibt die Situation in Form von Karikaturen. Im Abschnitt „Gespenster, Konflikte und Repliken“ geht Roth direkt in Konfrontation zum Vizekanzler Erhard Busek von der ÖVP. Ein Briefwechsel der beiden wird abgedruckt, bei denen natürlich der Dichter als Initiator, das letzte Wort hat. Aber auch die „eigenen“ sozialistischen Minister werden bloßgestellt. Im Kapitel „Der Schein siegt“ wird Innenminister Löschnak wegen der Abschiebung von kosovarischen Migranten an den Pranger gestellt. Er bezeichnet den Minister als einen „bürokratischen Apparatschik in eigener Angelegenheit (vergleichbar mit einem Lipizzaner, der sich selbst abrichtet)“ (Seite 114) Auch die Kultur Österreichs kommt an den Pranger. Es ist teilweise ein Rundumschlag. Bruno Kreisky und Thomas Bernhard wird ein eigener Abschnitt mit dem Titel „Sonnenkönig und Menschenfeind“ gewidmet. Als Sozialist definiert Roth Kreisky so: „Kreisky war ein kluger, gebildeter – und auch schlauer Mann. Eine Begegnung mit ihm war immer anregend – auch wenn er monologisierte – man blickte nicht zu ihm auf, sondern man mochte ihn.“ (Seite 140) Der Autor hatte sich viel mit Irrenhäusern und Guggings Bewohnern beschäftigt. Dementsprechend auch ein Niederschlag in diesem Anekdoten-Buch. Dem ehemaligen Jugoslawienkrieg wird das Kapitel „Rat Smrt“ gewidmet, wobei man lernt, dass (sowohl auf Serbisch, als auch auf Kroatisch) Rat Krieg heißt und Smrt Tod. Auch für diesen Krieg gibt der Autor Österreich die Schuld. Die Wurzeln für diese Auseinandersetzung seien von der österreichischen Monarchie gelegt worden. Den Abschluss des Buches bilden dann verschiedenste Interviews mit Gerhard Roth. Es ist also eine Selbstdarstellung und ein Wiederholen von bereits in anderen Medien Publiziertem. Ein Ausdruck der Unzufriedenheit mit dem eigenen Heimatland. |
GANGHOFER, Ludwig Tarantella Buch 2021. @book{GANGHOFER2021, title = {Tarantella}, author = {Ludwig GANGHOFER }, year = {2021}, date = {2021-02-23}, abstract = {GANGHOFER, Ludwig: „Tarantella“, Novelle, Stuttgart 1899 Meine Eltern haben die Bücher Ganghofers mit Leidenschaft gelesen. Daher war es für uns Kinder eine „No Go Literatur“. Erst jetzt im Alter habe ich positive Kritik über Ganghofer gelesen und meine Schwester schenkte mir dieses Buch aus dem Jahr 1899. Eine Novelle, die sich in der Nähe von Neapel abspielt. Die erzählende Person – der Dichter – beschreibt die Region und die Schönheit der Landschaft. Auch sein Kontakt mit den Einheimischen des Dorfes. So lernte er ein bettelndes Mädchen kennen. Er sah sie tanzen. Ihre Mutter war eine berühmte Tänzerin und wurde nach einem Unfall gelähmt. Sie trainierte die Tochter zum typischen Tanz, dem Tarantella. Als in der besten Tanzgruppe ein Streit des Hauptpaares zu einer Trennung führte und die Truppe plötzlich ohne Tänzerin dastand vermittelte der Fremde das Mädchen. Ihr erster Auftritt war ein voller Erfolg. Sie ist dem „Vermittler“ sehr dankbar und prostet ihm zu „Auf eure Gesundheit, Herr! Hundert gesunde Jahre wünsch ich euch … ohne die bösen Tage, die ihr nicht haben wollt!“ (Seite 162) Einer der Künstler der Truppe – Mommino – verliebte sich in sie. Auch sie fühlte sich zu ihm hingezogen und die Tarantella, die sie leidenschaftlich tanzte, widmete sie ihm. Einer der Zuschauer des Abends, ein reicher Ausländer, war begeistert von Nannina, der jungen Tänzerin. Schon während der Vorführung hatte er kräftig applaudiert. Letztlich ging sie mit ihm. Sie fuhren nach Capri. Dort musste sie immer für ihn tanzen. Er beschenkte sie mit Kleidern und gab ihr Geld für die Mutter. Als sie zurück ins Dorf kam, zeigte sie all ihre Erwerbungen Mommino am Hauptplatz, dessen Herz vor Liebe gebrochen war. Nannina trennte sich vom ausländischen Liebhaber. Viel Geld hatte sie von ihm bekommen und alles der Mutter gegeben, die sich neu eingerichtet hatte und sich Dinge leistete, von denen sie lange geträumt hatte. Auch eine Magd stand ihr zur Seite und gegen Bezahlung vertrieb ein Bub die Vögel im Garten, damit sie nicht die Früchte des Hausbesitzers fraßen. Nannina wollte wieder zurück zur Tanzgruppe, aber deren Chef verwehrte es. Nannina suchte Unterstützung beim Erzähler dieser Geschichte. Gemeinsam versuchten sie den Chef der Tanztruppe zu überreden. Ergebnislos. Da tanzte Nannia unaufgefordert. Das Publikum war begeistert. Letztlich sang sie auch noch. Ein Lied vom Tod. Sie hatte es sehr inbrünstig vorgetragen und im Anschluss an die Vorstellung gab es noch einen Streit mit Mommino, der sie aber ablehnte. Dann beging sie Selbstmord. Mommino kündigte seinen Job und ermöglichte durch eine großzügige Spende an die Kirche, dass Nannina als Selbstmörderin ein kirchliches Begräbnis bekam. Letztlich rechnete er noch mit der Mutter ab. Er gab ihr all seine Ersparnisse, damit sie ein schönes Leben führen könne. Im Gegenzug musste sie ihm das Geld des ausländischen Verführers geben. Dieses Geld verbrannte er. Das war – wie er sagte – die halbe Rechnung, denn anschließend ging er ins Hotel, wo sie am Vortag eine Vorführung hatten und ermordete einen Kellner. Als ihn die Polizei abführte sang er ein Liebeslied. Eine sehr romantische Geschichte, die im Ziel der Zeit und in der Ausdrucksform Ganghofers noch emotioneller wirkt. Ich brauchte einige Zeit, um mich in die Art des Buches einzulesen. In die doch verschiedenen Buchstaben, bei denen ein s so ähnlich aussieht wie ein f. Auch die Rechtschreibung ist anders. Ware heißt hier Waare. Die Tat wird noch mit h geschrieben: That. Auch der Stil ist ein anderer als in unserem Jahrhundert. Romantisch und ausgeschmückt werden die Dinge erzählt. Dazu viele Redewendungen und Vergleiche. Als der Maurer Mommino bei Regenwetter, als am Bau nicht gearbeitet wurde, von Zeche zu Zeche eilte sagte er „Da schont man den Sessel zu Hause, aber nicht das Geld im Sack.“ (Seite 278) Nannina bereute, das was sie getan hatte und Ganghofer lässt sie sagen „Denn hätt ichs gewußt … bei meiner ewigen Seele, Seniorr, lieber hätte ich mir das Fleisch aus meinen Armen gebissen und hätt es der Mutter gekocht, wenn ich gewußt hätt, was ich euch anthu … euch und mir!“ (Seite 253) Als das dünne Mädchen in den Kleidern ihrer Vorgängerin stand meinte einer der Tänzer „Sie ist freilich ein Fisch, der nur Gräten hat, aber sie wird schwimmen.“ (Seite 122) Damit meinte er, dass ihr Busen viel kleiner war als jener der Vorgängerin. Als man ihr das Kleid anpasste sagte der Chef der Gruppe „Und jetzt stecken sie das magere Ding hinein! Die wird drin aussehen wie ein Kinderfuß im Schlappschuh der Großmutter!“ (Seite 120/121) Aber, es ist interessant ein 100 Jahre altes Buch zu lesen und zu erfahren, wie man damals formulierte und wie damals der Geschmack der Leser war. Mit über 100 Jahren ist das Buch schon eine Rarität. Ein schöner Einband und geschmackvolle Abbildungen ergänzen den Text. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } GANGHOFER, Ludwig: „Tarantella“, Novelle, Stuttgart 1899 Meine Eltern haben die Bücher Ganghofers mit Leidenschaft gelesen. Daher war es für uns Kinder eine „No Go Literatur“. Erst jetzt im Alter habe ich positive Kritik über Ganghofer gelesen und meine Schwester schenkte mir dieses Buch aus dem Jahr 1899. Eine Novelle, die sich in der Nähe von Neapel abspielt. Die erzählende Person – der Dichter – beschreibt die Region und die Schönheit der Landschaft. Auch sein Kontakt mit den Einheimischen des Dorfes. So lernte er ein bettelndes Mädchen kennen. Er sah sie tanzen. Ihre Mutter war eine berühmte Tänzerin und wurde nach einem Unfall gelähmt. Sie trainierte die Tochter zum typischen Tanz, dem Tarantella. Als in der besten Tanzgruppe ein Streit des Hauptpaares zu einer Trennung führte und die Truppe plötzlich ohne Tänzerin dastand vermittelte der Fremde das Mädchen. Ihr erster Auftritt war ein voller Erfolg. Sie ist dem „Vermittler“ sehr dankbar und prostet ihm zu „Auf eure Gesundheit, Herr! Hundert gesunde Jahre wünsch ich euch … ohne die bösen Tage, die ihr nicht haben wollt!“ (Seite 162) Einer der Künstler der Truppe – Mommino – verliebte sich in sie. Auch sie fühlte sich zu ihm hingezogen und die Tarantella, die sie leidenschaftlich tanzte, widmete sie ihm. Einer der Zuschauer des Abends, ein reicher Ausländer, war begeistert von Nannina, der jungen Tänzerin. Schon während der Vorführung hatte er kräftig applaudiert. Letztlich ging sie mit ihm. Sie fuhren nach Capri. Dort musste sie immer für ihn tanzen. Er beschenkte sie mit Kleidern und gab ihr Geld für die Mutter. Als sie zurück ins Dorf kam, zeigte sie all ihre Erwerbungen Mommino am Hauptplatz, dessen Herz vor Liebe gebrochen war. Nannina trennte sich vom ausländischen Liebhaber. Viel Geld hatte sie von ihm bekommen und alles der Mutter gegeben, die sich neu eingerichtet hatte und sich Dinge leistete, von denen sie lange geträumt hatte. Auch eine Magd stand ihr zur Seite und gegen Bezahlung vertrieb ein Bub die Vögel im Garten, damit sie nicht die Früchte des Hausbesitzers fraßen. Nannina wollte wieder zurück zur Tanzgruppe, aber deren Chef verwehrte es. Nannina suchte Unterstützung beim Erzähler dieser Geschichte. Gemeinsam versuchten sie den Chef der Tanztruppe zu überreden. Ergebnislos. Da tanzte Nannia unaufgefordert. Das Publikum war begeistert. Letztlich sang sie auch noch. Ein Lied vom Tod. Sie hatte es sehr inbrünstig vorgetragen und im Anschluss an die Vorstellung gab es noch einen Streit mit Mommino, der sie aber ablehnte. Dann beging sie Selbstmord. Mommino kündigte seinen Job und ermöglichte durch eine großzügige Spende an die Kirche, dass Nannina als Selbstmörderin ein kirchliches Begräbnis bekam. Letztlich rechnete er noch mit der Mutter ab. Er gab ihr all seine Ersparnisse, damit sie ein schönes Leben führen könne. Im Gegenzug musste sie ihm das Geld des ausländischen Verführers geben. Dieses Geld verbrannte er. Das war – wie er sagte – die halbe Rechnung, denn anschließend ging er ins Hotel, wo sie am Vortag eine Vorführung hatten und ermordete einen Kellner. Als ihn die Polizei abführte sang er ein Liebeslied. Eine sehr romantische Geschichte, die im Ziel der Zeit und in der Ausdrucksform Ganghofers noch emotioneller wirkt. Ich brauchte einige Zeit, um mich in die Art des Buches einzulesen. In die doch verschiedenen Buchstaben, bei denen ein s so ähnlich aussieht wie ein f. Auch die Rechtschreibung ist anders. Ware heißt hier Waare. Die Tat wird noch mit h geschrieben: That. Auch der Stil ist ein anderer als in unserem Jahrhundert. Romantisch und ausgeschmückt werden die Dinge erzählt. Dazu viele Redewendungen und Vergleiche. Als der Maurer Mommino bei Regenwetter, als am Bau nicht gearbeitet wurde, von Zeche zu Zeche eilte sagte er „Da schont man den Sessel zu Hause, aber nicht das Geld im Sack.“ (Seite 278) Nannina bereute, das was sie getan hatte und Ganghofer lässt sie sagen „Denn hätt ichs gewußt … bei meiner ewigen Seele, Seniorr, lieber hätte ich mir das Fleisch aus meinen Armen gebissen und hätt es der Mutter gekocht, wenn ich gewußt hätt, was ich euch anthu … euch und mir!“ (Seite 253) Als das dünne Mädchen in den Kleidern ihrer Vorgängerin stand meinte einer der Tänzer „Sie ist freilich ein Fisch, der nur Gräten hat, aber sie wird schwimmen.“ (Seite 122) Damit meinte er, dass ihr Busen viel kleiner war als jener der Vorgängerin. Als man ihr das Kleid anpasste sagte der Chef der Gruppe „Und jetzt stecken sie das magere Ding hinein! Die wird drin aussehen wie ein Kinderfuß im Schlappschuh der Großmutter!“ (Seite 120/121) Aber, es ist interessant ein 100 Jahre altes Buch zu lesen und zu erfahren, wie man damals formulierte und wie damals der Geschmack der Leser war. Mit über 100 Jahren ist das Buch schon eine Rarität. Ein schöner Einband und geschmackvolle Abbildungen ergänzen den Text. |
EDELBAUER, Raphaela DAVE Buch 2021. @book{EDELBAUER2021, title = {DAVE}, author = {EDELBAUER, Raphaela}, year = {2021}, date = {2021-02-17}, abstract = {EDELBAUER, Raphaela: „DAVE“, Stuttgart 2021 Frau Edelbauer ist eine neue Generation der Schriftstellerzunft. Schon der letzte Roman war anders als alles bisher oder derzeit Geschriebene. Viel Fantasie. Wunderschöne Formulierungen. Bringt so eine junge Dichterin ein gutes Buch heraus zweifeln die Experten oft, ob ein Folgeroman auf diesem Niveau gelingen kann. Mit DAVE hat Edelbauer noch eine Steigerung geliefert. Ja, sie hat ihre Fantasie und ihre Formulierkunst noch weiter gesteigert. Ich habe das Buch andächtig gelesen. Nicht schnell und zwischendurch. Wenn ich nur ein kleines Zeitfenster zum Lesen hatte, ließ ich das Buch liegen. Ich versuchte es ausgeglichen und entspannt zu lesen, ja zu genießen. DAVE ist ein Roman mit einer neuen Dimension. Er ist mit naturwissenschaftlichem Wissen gespickt. Hier hätte ich eine Anregung für den Verlag: Nicht Jeder hat so viel Naturwissenschaftswissen abrufbar. Ein Anhang mit Erklärungen würde einen Beitrag zum besseren Verstehen bieten. Wobei man aber nicht alles verstehen muss. Man kann sich einfach durch die Geschehnisse treiben lassen. Die Hauptakteure des Romans sind ein Mann namens Syz und ein Computer namens DAVE. Der Planet Erde ist unbewohnbar geworden. In einem riesigen Gebäude haben sich elitäre Menschen – wie in eine Arche Noah – zurückgezogen. Sie entwickeln hier einen Supercomputer, eben DAVE. Tausende Menschen programmieren an ihm. Es soll die erste Künstliche Intelligenz werden, die mit einem eigenen Bewusstsein ausgestattet werden soll. Daneben will man auch die umgebende und zerstörte Welt wieder bewohnbar machen. „Unendliche Intelligenz und die Kapazität“ (Seite 15) soll alle Probleme lösen und so eine friedliche Welt erzeugen. Dieser Computer soll Gott ähnlich werden. „Wir haben vergessen, dass wir aus dem einen großen Bewusstsein kommen, können uns nicht an unsere göttliche Natur erinnern. In Jesus wurde Gott Mensch, in DAVE wird der Mensch wieder allmächtig, und zwar durch unendlich gesteigerte Denkleistung …“ (Seite 44) Edelbauer lässt einem der Proponenten des Romans auch sagen, dass wir Menschen kein Schöpfungsakt eines Gottes sind. „Wenn Gott uns zusammengesetzt hätte, Stück für Stück inklusive jenes unverbrüchlichen Kerns, in dem das Selbstbewusstsein schon angelegt ist und er uns jede unserer Geistesfunktionen planvoll verliehen hätte, dann wäre unser Selbstbewusstsein ja gar nicht unseres, sondern seins. Wir wären nur Extensionen seines Geistes.“ (Seite 362) Mit DAVE soll der IQ gegenüber dem eines Menschen mit 100 um das 1000-fache gesteigert werden. Daneben soll das lineare Zeitdenken ersetzt werden. „Orthogonale Zeit ist ein Gegenkonzept zu unserer linearen – Dick meinte, wie die Rillen einer LP gehe Chronologie im Kreis herum und alles, was schon geschehen sei und noch geschehen werde, sei auf der Platte gleichzeitig vorhanden, selbst wenn sie die Nadel gerade an einer anderen Stelle befände.“ (Seite 166) Eine Theorie, die sich an die Jordankurve anlehnt. Vieles soll gelöst werden „Es geht entweder um Unsterblichkeit oder um eine Uranusexpedition, um Robotik, die Heilung von Krebs, das Ende des Alterns, die Transzendent, die Weltschau, die kognitive Allmacht, das Ende der Menschheit, das Ende der Geschichte oder aber alles davon.“ (Seite 181) Als Kind war Syz am Funktionieren von Lebewesen interessiert. In der Schule sezierte er einen Frosch. Er interessierte sich weniger an der „Mechanik“ der Lebewesen als an deren Gehirn, in dem er Ähnlichkeiten zu einem Computer sah. Syz ist nur ein kleiner Programmierer, der aber Karriere machen will. Letztlich wird er – von einem Algorithmus auserwählt – zum Abbild DAVEs. In vielen Sitzungen versucht man das Empfinden, das Bewusstsein von Syz in den Riesencomputer zu programmieren. DAVE wird Syz. Dieser bekommt aber Zweifel. Philosophische und ethische Überlegungen bringen ihn dazu dieses Projekt zu torpedieren. Er trifft auf Freunde und Menschen, die schon vor ihm sich Gedanken gemacht hatten. Er versucht auszubrechen und verlässt auch die „Arche“, um mit neuen Aufträgen, dieses Projekt zum Scheitern zu bringen, zurückzukehren. Ausgestattet mit dem Programm eines Vorgängers, dem man DAVE nachbauen wollte und der ebenfalls Zweifel bekam, will er in letzter Sekunde dieses unmögliche Projekt stürzen. In diesem Aspekt wird das Buch zu einer Abenteuergeschichte. Mit viel Spannung und Dramatik erzählt Edelbauer ein Finale, wie man es als Leser nicht erwarten würde und wie auch ich, der Rezensent, es nicht verraten will. Jeder soll es sich selbst erlesen. Es wäre sonst so, als würde man in einem Kriminalroman den Täter im Vorhinein bekanntgeben. Auf alle Fälle ist es ein interessantes Buch. Eines, das ich wirklich empfehlen kann. Eines, wie ich es schon lange nicht gelesen habe. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } EDELBAUER, Raphaela: „DAVE“, Stuttgart 2021 Frau Edelbauer ist eine neue Generation der Schriftstellerzunft. Schon der letzte Roman war anders als alles bisher oder derzeit Geschriebene. Viel Fantasie. Wunderschöne Formulierungen. Bringt so eine junge Dichterin ein gutes Buch heraus zweifeln die Experten oft, ob ein Folgeroman auf diesem Niveau gelingen kann. Mit DAVE hat Edelbauer noch eine Steigerung geliefert. Ja, sie hat ihre Fantasie und ihre Formulierkunst noch weiter gesteigert. Ich habe das Buch andächtig gelesen. Nicht schnell und zwischendurch. Wenn ich nur ein kleines Zeitfenster zum Lesen hatte, ließ ich das Buch liegen. Ich versuchte es ausgeglichen und entspannt zu lesen, ja zu genießen. DAVE ist ein Roman mit einer neuen Dimension. Er ist mit naturwissenschaftlichem Wissen gespickt. Hier hätte ich eine Anregung für den Verlag: Nicht Jeder hat so viel Naturwissenschaftswissen abrufbar. Ein Anhang mit Erklärungen würde einen Beitrag zum besseren Verstehen bieten. Wobei man aber nicht alles verstehen muss. Man kann sich einfach durch die Geschehnisse treiben lassen. Die Hauptakteure des Romans sind ein Mann namens Syz und ein Computer namens DAVE. Der Planet Erde ist unbewohnbar geworden. In einem riesigen Gebäude haben sich elitäre Menschen – wie in eine Arche Noah – zurückgezogen. Sie entwickeln hier einen Supercomputer, eben DAVE. Tausende Menschen programmieren an ihm. Es soll die erste Künstliche Intelligenz werden, die mit einem eigenen Bewusstsein ausgestattet werden soll. Daneben will man auch die umgebende und zerstörte Welt wieder bewohnbar machen. „Unendliche Intelligenz und die Kapazität“ (Seite 15) soll alle Probleme lösen und so eine friedliche Welt erzeugen. Dieser Computer soll Gott ähnlich werden. „Wir haben vergessen, dass wir aus dem einen großen Bewusstsein kommen, können uns nicht an unsere göttliche Natur erinnern. In Jesus wurde Gott Mensch, in DAVE wird der Mensch wieder allmächtig, und zwar durch unendlich gesteigerte Denkleistung …“ (Seite 44) Edelbauer lässt einem der Proponenten des Romans auch sagen, dass wir Menschen kein Schöpfungsakt eines Gottes sind. „Wenn Gott uns zusammengesetzt hätte, Stück für Stück inklusive jenes unverbrüchlichen Kerns, in dem das Selbstbewusstsein schon angelegt ist und er uns jede unserer Geistesfunktionen planvoll verliehen hätte, dann wäre unser Selbstbewusstsein ja gar nicht unseres, sondern seins. Wir wären nur Extensionen seines Geistes.“ (Seite 362) Mit DAVE soll der IQ gegenüber dem eines Menschen mit 100 um das 1000-fache gesteigert werden. Daneben soll das lineare Zeitdenken ersetzt werden. „Orthogonale Zeit ist ein Gegenkonzept zu unserer linearen – Dick meinte, wie die Rillen einer LP gehe Chronologie im Kreis herum und alles, was schon geschehen sei und noch geschehen werde, sei auf der Platte gleichzeitig vorhanden, selbst wenn sie die Nadel gerade an einer anderen Stelle befände.“ (Seite 166) Eine Theorie, die sich an die Jordankurve anlehnt. Vieles soll gelöst werden „Es geht entweder um Unsterblichkeit oder um eine Uranusexpedition, um Robotik, die Heilung von Krebs, das Ende des Alterns, die Transzendent, die Weltschau, die kognitive Allmacht, das Ende der Menschheit, das Ende der Geschichte oder aber alles davon.“ (Seite 181) Als Kind war Syz am Funktionieren von Lebewesen interessiert. In der Schule sezierte er einen Frosch. Er interessierte sich weniger an der „Mechanik“ der Lebewesen als an deren Gehirn, in dem er Ähnlichkeiten zu einem Computer sah. Syz ist nur ein kleiner Programmierer, der aber Karriere machen will. Letztlich wird er – von einem Algorithmus auserwählt – zum Abbild DAVEs. In vielen Sitzungen versucht man das Empfinden, das Bewusstsein von Syz in den Riesencomputer zu programmieren. DAVE wird Syz. Dieser bekommt aber Zweifel. Philosophische und ethische Überlegungen bringen ihn dazu dieses Projekt zu torpedieren. Er trifft auf Freunde und Menschen, die schon vor ihm sich Gedanken gemacht hatten. Er versucht auszubrechen und verlässt auch die „Arche“, um mit neuen Aufträgen, dieses Projekt zum Scheitern zu bringen, zurückzukehren. Ausgestattet mit dem Programm eines Vorgängers, dem man DAVE nachbauen wollte und der ebenfalls Zweifel bekam, will er in letzter Sekunde dieses unmögliche Projekt stürzen. In diesem Aspekt wird das Buch zu einer Abenteuergeschichte. Mit viel Spannung und Dramatik erzählt Edelbauer ein Finale, wie man es als Leser nicht erwarten würde und wie auch ich, der Rezensent, es nicht verraten will. Jeder soll es sich selbst erlesen. Es wäre sonst so, als würde man in einem Kriminalroman den Täter im Vorhinein bekanntgeben. Auf alle Fälle ist es ein interessantes Buch. Eines, das ich wirklich empfehlen kann. Eines, wie ich es schon lange nicht gelesen habe. |
OBAMA, Michelle BECOMING. Meine Geschichte Buch 2021. @book{OBAMA2021b, title = {BECOMING. Meine Geschichte}, author = {Michelle OBAMA}, year = {2021}, date = {2021-02-05}, abstract = {OBAMA, Michelle: „Becoming. Meine Geschichte“, München 2018 Eine Frau, die aus bescheidenen Verhältnissen kommt und ganz nach oben gelangt. Die Tochter einfacher Leute. Mitglied einer schwarzen Familie und aufgewachsen in einem nicht sehr angesehenen Bezirk von Chicago. Ihr älterer Bruder ist ihr Mentor und Beschützer. Die Familie gibt ihr Nestwärme. Die Eltern engagieren sich für die Kinder und beide studieren an einer angesehenen Universität. Michelle kommt ganz nach oben. Wird Rechtsanwältin und lernt dabei einen Jus-Studenten kennen, der in ihrer Kanzlei ein Praktikum macht. Sie wird seine Betreuerin und letztlich seine Geliebte und spätere Ehefrau. Sie sind zwei gänzlich verschiedene Typen. Michelle ist ein Familienmensch. Sie ist in der heilen Familie aufgewachsen und sieht darin ihr Ideal. Alles muss genau und geordnet sein. Barack, ihr Mann stammt aus einer geschiedenen Ehe. Den Vater aus Kenia, der Student in Hawaii war, lernt er nicht kennen. Er hatte seine Frau, die Mutter Obamas, verlassen und kehrte nach Afrika zurück. Die Mutter heiratete wieder. Diesmal einen Indonesier. Mehrere Jahre lebte sie mit Barack in Indonesien, schickt den Buben aber dann heim zur Großmutter, wo er zur Schule ging. Auch er schlägt sich im Studium durch, verfolgt aber nicht die Rechtsanwaltslaufbahn, sondern engagiert sich in sozialen Organisationen. Als die beiden zusammenziehen verstärkt sich die Verschiedenheit noch. In der gemeinsamen Wohnung bekommt er dann ein eigenes Zimmer für seine vielen Bücher und dort kann es unaufgeräumt sein. Es wird seine Höhle. Eine Höhle, wie er sie in allen Häusern, die sie bewohnten, bekam. Beide wollten aber eine Familie. Zwei Kinder – Mädchen - kamen zur Welt. Barack und Michelle waren liebevolle Eltern. Obwohl Brack weiter seinen eigenen Interessen nachging. Die Familie war ihm wichtig, aber auch sein soziales und später politisches Engagement brauchte Zeit und Energie. Wie Barack Politiker, Senator und dann Präsident Amerikas wurde schildert Michelle Obama in diesem Buch aus dem Blickwinkel einer Frau. Einer Frau, die sich um die Kinder kümmern muss, die ihre Karriere zu Gunsten des Mannes zurückstecken muss, die viele Tage und Wochen allein mit den Kindern ist. Der Mann ist auf Jagd nach Wählerstimmen, bei Versammlungen oder Sitzungen. Daneben schreibt er noch ein Buch, zu dem er sich für einige Wochen nach Indonesien zurückzieht. Die Ehe kriselt. Sie gehen in eine Eheberatung. Michelle erwartet davon, dass ihr Mann wieder mehr zu Hause sein würde. Aber das Gegenteil war der Fall. Sie musste ihren Mann akzeptieren, wie er war und selbst einen neuen Lebenssinn finden. Das Buch beginnt mit einem Prolog. Geschrieben im März 2017; also nach der Zeit im Weißen Haus. Die Familie wohnt in einem eigenen Haus in Washington. Sie sind nicht nach Illinois zurückgekehrt. Sie ist wieder allein. Der Mann ist unterwegs. Umtriebig wie vorher. Den Buchtitel „Becoming“ verwendet die Autorin auch für die einzelnen Kapitel des Buches. In „Becoming Me – Ich werden“ erzählt sie von ihrer Kindheit und Jugend. Mit „Becoming Us – Wir werden“ - über ihre Partnerschaft und Entstehung der Ehe mit Barack. „Becoming More – Mehr werden“ -, dann über die Präsidentschaft und deren Probleme. Das Leben im Weißen Haus wird durch diesen Bericht einer breiten Öffentlichkeit anschaulich gemacht. Es ähnelt mehr einem Gefängnis als einem freien, demokratischen Wohnhaus. Überall sind Sicherheitsbeamte. Kein Weg darf allein gemacht werden. Fenster können nicht geöffnet werde. Selten ist man allein. Der Mann ist kein Familienvater mehr, sondern ein 24-Stunden-Beamter. Michelle will nicht nur die lächelnde Gattin des Präsidenten sein. Sie will selbst Aktivitäten voranbringen und engagiert sich für Jugendliche und Kriegsveteranen. Immer wieder versucht sie aus dem Korsett der Rolle der First Lady auszubrechen, aber sie ist es und muss ihre Rolle erfüllen. Beim Lesen spürt man die Veränderungen dieser Frau. Im letzten Kapitel lernt man eine andere Frau kennen als jene in den ersten Abschnitten. Vor allem im Abschnitt, in dem sie ihren Aufenthalt im Weißen Haus schildert, gibt es viele Rechtfertigungen ihres Lebens. Dinge, die in der Öffentlichkeit anders gesehen wurden, als sie sie geplant hatte. Oder eine nachherige Korrektur. Sie verschweigt aber auch keine Fehler, wie sie etwa der englischen Königin die Hand auf die Schulter gelegt hatte. Eine Rückkehr in ein normales Leben ist nach dem Amt eines amerikanischen Präsidenten nicht möglich. Security Beamte sorgen weiter für die Sicherheit der Familie. Das Buch ist sehr flüssig geschrieben und angenehm zu lesen. Es zeigt den Werdegang einer schwarzen Amerikanerin. Mit welchen Hindernissen diese Menschen noch immer kämpfen müssen. Sie, die es geschafft hat, setzt sich aber für mehr Gerechtigkeit ein; auch wenn dies beim nachfolgenden Präsidenten Trump einen Rückschlag erlitten hat. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } OBAMA, Michelle: „Becoming. Meine Geschichte“, München 2018 Eine Frau, die aus bescheidenen Verhältnissen kommt und ganz nach oben gelangt. Die Tochter einfacher Leute. Mitglied einer schwarzen Familie und aufgewachsen in einem nicht sehr angesehenen Bezirk von Chicago. Ihr älterer Bruder ist ihr Mentor und Beschützer. Die Familie gibt ihr Nestwärme. Die Eltern engagieren sich für die Kinder und beide studieren an einer angesehenen Universität. Michelle kommt ganz nach oben. Wird Rechtsanwältin und lernt dabei einen Jus-Studenten kennen, der in ihrer Kanzlei ein Praktikum macht. Sie wird seine Betreuerin und letztlich seine Geliebte und spätere Ehefrau. Sie sind zwei gänzlich verschiedene Typen. Michelle ist ein Familienmensch. Sie ist in der heilen Familie aufgewachsen und sieht darin ihr Ideal. Alles muss genau und geordnet sein. Barack, ihr Mann stammt aus einer geschiedenen Ehe. Den Vater aus Kenia, der Student in Hawaii war, lernt er nicht kennen. Er hatte seine Frau, die Mutter Obamas, verlassen und kehrte nach Afrika zurück. Die Mutter heiratete wieder. Diesmal einen Indonesier. Mehrere Jahre lebte sie mit Barack in Indonesien, schickt den Buben aber dann heim zur Großmutter, wo er zur Schule ging. Auch er schlägt sich im Studium durch, verfolgt aber nicht die Rechtsanwaltslaufbahn, sondern engagiert sich in sozialen Organisationen. Als die beiden zusammenziehen verstärkt sich die Verschiedenheit noch. In der gemeinsamen Wohnung bekommt er dann ein eigenes Zimmer für seine vielen Bücher und dort kann es unaufgeräumt sein. Es wird seine Höhle. Eine Höhle, wie er sie in allen Häusern, die sie bewohnten, bekam. Beide wollten aber eine Familie. Zwei Kinder – Mädchen - kamen zur Welt. Barack und Michelle waren liebevolle Eltern. Obwohl Brack weiter seinen eigenen Interessen nachging. Die Familie war ihm wichtig, aber auch sein soziales und später politisches Engagement brauchte Zeit und Energie. Wie Barack Politiker, Senator und dann Präsident Amerikas wurde schildert Michelle Obama in diesem Buch aus dem Blickwinkel einer Frau. Einer Frau, die sich um die Kinder kümmern muss, die ihre Karriere zu Gunsten des Mannes zurückstecken muss, die viele Tage und Wochen allein mit den Kindern ist. Der Mann ist auf Jagd nach Wählerstimmen, bei Versammlungen oder Sitzungen. Daneben schreibt er noch ein Buch, zu dem er sich für einige Wochen nach Indonesien zurückzieht. Die Ehe kriselt. Sie gehen in eine Eheberatung. Michelle erwartet davon, dass ihr Mann wieder mehr zu Hause sein würde. Aber das Gegenteil war der Fall. Sie musste ihren Mann akzeptieren, wie er war und selbst einen neuen Lebenssinn finden. Das Buch beginnt mit einem Prolog. Geschrieben im März 2017; also nach der Zeit im Weißen Haus. Die Familie wohnt in einem eigenen Haus in Washington. Sie sind nicht nach Illinois zurückgekehrt. Sie ist wieder allein. Der Mann ist unterwegs. Umtriebig wie vorher. Den Buchtitel „Becoming“ verwendet die Autorin auch für die einzelnen Kapitel des Buches. In „Becoming Me – Ich werden“ erzählt sie von ihrer Kindheit und Jugend. Mit „Becoming Us – Wir werden“ - über ihre Partnerschaft und Entstehung der Ehe mit Barack. „Becoming More – Mehr werden“ -, dann über die Präsidentschaft und deren Probleme. Das Leben im Weißen Haus wird durch diesen Bericht einer breiten Öffentlichkeit anschaulich gemacht. Es ähnelt mehr einem Gefängnis als einem freien, demokratischen Wohnhaus. Überall sind Sicherheitsbeamte. Kein Weg darf allein gemacht werden. Fenster können nicht geöffnet werde. Selten ist man allein. Der Mann ist kein Familienvater mehr, sondern ein 24-Stunden-Beamter. Michelle will nicht nur die lächelnde Gattin des Präsidenten sein. Sie will selbst Aktivitäten voranbringen und engagiert sich für Jugendliche und Kriegsveteranen. Immer wieder versucht sie aus dem Korsett der Rolle der First Lady auszubrechen, aber sie ist es und muss ihre Rolle erfüllen. Beim Lesen spürt man die Veränderungen dieser Frau. Im letzten Kapitel lernt man eine andere Frau kennen als jene in den ersten Abschnitten. Vor allem im Abschnitt, in dem sie ihren Aufenthalt im Weißen Haus schildert, gibt es viele Rechtfertigungen ihres Lebens. Dinge, die in der Öffentlichkeit anders gesehen wurden, als sie sie geplant hatte. Oder eine nachherige Korrektur. Sie verschweigt aber auch keine Fehler, wie sie etwa der englischen Königin die Hand auf die Schulter gelegt hatte. Eine Rückkehr in ein normales Leben ist nach dem Amt eines amerikanischen Präsidenten nicht möglich. Security Beamte sorgen weiter für die Sicherheit der Familie. Das Buch ist sehr flüssig geschrieben und angenehm zu lesen. Es zeigt den Werdegang einer schwarzen Amerikanerin. Mit welchen Hindernissen diese Menschen noch immer kämpfen müssen. Sie, die es geschafft hat, setzt sich aber für mehr Gerechtigkeit ein; auch wenn dies beim nachfolgenden Präsidenten Trump einen Rückschlag erlitten hat. |
HASSLER Silke TURRINI, Peter Jedem das Seine Buch 2021. @book{HASSLER2021, title = {Jedem das Seine}, author = {HASSLER, Silke TURRINI, Peter}, year = {2021}, date = {2021-01-24}, abstract = {HASSLER, Silke, TURRINI, Peter: „Jedem das Seine. Ein Volksstück“, Innsbruck Wien 2016 In den letzten Kriegstagen des Jahres 1945 wurden Gefangene aus verschiedenen Lagern in Richtung Westen getrieben; weg von den anrückenden sowjetischen Militärs. Sie gingen mit der Bezeichnung „Todesmärsche“ in die Geschichte ein. Die beiden Autoren beschäftigte dieses Thema schon länger. Vor allem, weil „diese Greueltaten an Juden geschahen direkt vor den Augen der Menschen und nicht in Konzentrationslagern, von denen angeblich niemand etwas gewusst hat.“ (Seite 102) Sie wählten für die Umsetzung dieses Themas eine Tragikomödie, in der sie die Zuschauer und Leser zuerst zum Lachen bringen, um sie dann am Ende mit den tatsächlichen Schrecknissen zu konfrontieren. Das Stück besteht – so Peter Turrini – aus einer Mischung von Erfundenem und Vorgefundenem. Manche Personen gab es wirklich; andere wurden dazu gedichtet. Das Stück spielt in der Scheune eines Bauern, in der eine Gruppe jüdischer Häftlinge gefangen gehalten wird. Einer von ihnen ist Schauspieler. Er will die triste Stimmung, der zum Tode verurteilten heben und schlägt vor die Operette „Wiener Blut“ aufzuführen. Für die erschöpften und ausgehungerten Menschen ein schier unvorstellbares Unterfangen. Dann tritt eine Magd des Bauernhofs und die Bäuerin auf. Sie bringen den Häftlingen zu essen und beteiligen sich am Einstudieren der Operette. Ein altes Klavier wird hervorgeholt, auf dem ein alter Häftling spielt. Ein Geiger ist unter den Gefangenen und die Magd bringt ihre Gitarre, an der einige Saiten fehlen. Auch die Bäuerin beteiligt sich. Neben einem Suppentopf bringt sie ihre Zither. Der Bauer ist als überzeugter Nationalsozialist beim Volkssturm engagiert. Für ihn ist - als er in den Stadl kommt – die Situation eine Katastrophe. Er ist politisch für die Sache verantwortlich und sieht auch das Risiko, das er und seine Frau eingehen. Heftig opponiert er gegen diese Operettenaufführung. Letztlich überzeugt ihn die Ehefrau und er holt seine Ziehharmonika und spielt mit. Als der Dorfgendarm in den Stadl kommt verteidigt der Bauer die Situation. Es sei sein privater Stadl und da könne er machen, was er wolle. Ein Bub kommt und schreit, dass Hitler gestorben sei. Das bedeute doch, dass der Krieg aus sei. Die Operette wird auszugsweise aufgeführt. Das Stück endet aber anders: „Auf der Rückseite der Bühne erscheint folgender Text: In der Nacht auf den 2. Mai 1945 wurde der Stadel von betrunkenen Nazioffizieren und einigen Dorfbewohnern angezündet. Alle jüdischen Häftlinge sind verbrannt, keiner von ihnen hat überlebt.“ (Seite 67) Silke Hasler argumentiert diesen Schluss so: „Für uns ist der Schluss ganz wichtig, weil er die Realität zeigt, nicht, was wir gerne hätten, sondern was tatsächlich vorgefallen ist.“ (Seite 104) Mit der Magd und der Bäuerin bleibt aber auch ein positiver Aspekt im Raum stehen: „Es gibt Menschen, die helfen, und es gibt Menschen, die sich für das Schicksal anderer nicht interessieren.“ (Turrini, Seite 110) Das Stück wurde von zwei Personen – Hassler und Turrini – geschrieben. Sicher kein einfaches Unterfangen. Turrini sagte dazu „Wir streiten auf Augenhöhe. Anders geht es gar nicht, sonst nimmt man die Argumente des anderen nicht ernst.“ (Seite 105) Die Beiden haben zwar schon lange zusammengearbeitet, aber jeder für sich geschrieben und vom Partner die Anregungen angenommen (oder auch nicht). In diesem Fall musste es aber so sein, dass beide mit einer Formulierung zufrieden waren. Das brachte sicherlich noch eine weitere Qualitätssteigerung; obwohl beide schon auf hohem Niveau schreiben. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } HASSLER, Silke, TURRINI, Peter: „Jedem das Seine. Ein Volksstück“, Innsbruck Wien 2016 In den letzten Kriegstagen des Jahres 1945 wurden Gefangene aus verschiedenen Lagern in Richtung Westen getrieben; weg von den anrückenden sowjetischen Militärs. Sie gingen mit der Bezeichnung „Todesmärsche“ in die Geschichte ein. Die beiden Autoren beschäftigte dieses Thema schon länger. Vor allem, weil „diese Greueltaten an Juden geschahen direkt vor den Augen der Menschen und nicht in Konzentrationslagern, von denen angeblich niemand etwas gewusst hat.“ (Seite 102) Sie wählten für die Umsetzung dieses Themas eine Tragikomödie, in der sie die Zuschauer und Leser zuerst zum Lachen bringen, um sie dann am Ende mit den tatsächlichen Schrecknissen zu konfrontieren. Das Stück besteht – so Peter Turrini – aus einer Mischung von Erfundenem und Vorgefundenem. Manche Personen gab es wirklich; andere wurden dazu gedichtet. Das Stück spielt in der Scheune eines Bauern, in der eine Gruppe jüdischer Häftlinge gefangen gehalten wird. Einer von ihnen ist Schauspieler. Er will die triste Stimmung, der zum Tode verurteilten heben und schlägt vor die Operette „Wiener Blut“ aufzuführen. Für die erschöpften und ausgehungerten Menschen ein schier unvorstellbares Unterfangen. Dann tritt eine Magd des Bauernhofs und die Bäuerin auf. Sie bringen den Häftlingen zu essen und beteiligen sich am Einstudieren der Operette. Ein altes Klavier wird hervorgeholt, auf dem ein alter Häftling spielt. Ein Geiger ist unter den Gefangenen und die Magd bringt ihre Gitarre, an der einige Saiten fehlen. Auch die Bäuerin beteiligt sich. Neben einem Suppentopf bringt sie ihre Zither. Der Bauer ist als überzeugter Nationalsozialist beim Volkssturm engagiert. Für ihn ist - als er in den Stadl kommt – die Situation eine Katastrophe. Er ist politisch für die Sache verantwortlich und sieht auch das Risiko, das er und seine Frau eingehen. Heftig opponiert er gegen diese Operettenaufführung. Letztlich überzeugt ihn die Ehefrau und er holt seine Ziehharmonika und spielt mit. Als der Dorfgendarm in den Stadl kommt verteidigt der Bauer die Situation. Es sei sein privater Stadl und da könne er machen, was er wolle. Ein Bub kommt und schreit, dass Hitler gestorben sei. Das bedeute doch, dass der Krieg aus sei. Die Operette wird auszugsweise aufgeführt. Das Stück endet aber anders: „Auf der Rückseite der Bühne erscheint folgender Text: In der Nacht auf den 2. Mai 1945 wurde der Stadel von betrunkenen Nazioffizieren und einigen Dorfbewohnern angezündet. Alle jüdischen Häftlinge sind verbrannt, keiner von ihnen hat überlebt.“ (Seite 67) Silke Hasler argumentiert diesen Schluss so: „Für uns ist der Schluss ganz wichtig, weil er die Realität zeigt, nicht, was wir gerne hätten, sondern was tatsächlich vorgefallen ist.“ (Seite 104) Mit der Magd und der Bäuerin bleibt aber auch ein positiver Aspekt im Raum stehen: „Es gibt Menschen, die helfen, und es gibt Menschen, die sich für das Schicksal anderer nicht interessieren.“ (Turrini, Seite 110) Das Stück wurde von zwei Personen – Hassler und Turrini – geschrieben. Sicher kein einfaches Unterfangen. Turrini sagte dazu „Wir streiten auf Augenhöhe. Anders geht es gar nicht, sonst nimmt man die Argumente des anderen nicht ernst.“ (Seite 105) Die Beiden haben zwar schon lange zusammengearbeitet, aber jeder für sich geschrieben und vom Partner die Anregungen angenommen (oder auch nicht). In diesem Fall musste es aber so sein, dass beide mit einer Formulierung zufrieden waren. Das brachte sicherlich noch eine weitere Qualitätssteigerung; obwohl beide schon auf hohem Niveau schreiben. |
Peter, TURRINI Tod und Teufel Buch 2021. @book{Peter2021, title = {Tod und Teufel}, author = {TURRINI Peter}, year = {2021}, date = {2021-01-23}, abstract = {TURRINI, Peter: „Tod und Teufel“, Wien 1990 Das Stück ist in einem Theaterheft des Burgtheaters aus dem Jahre 1990 abgedruckt. Am Antiquitätenmarkt bekam ich es zum mehrfachen Neupreis. Turrini setzt sich in diesem Theaterstück mit dem Tod und dem Teufel auseinander. Konkret geht er die Sünde suchen. Dabei landet er bei einer arbeitslosen Kassiererin, die ihn in die sexuelle Sünde einführt. Der Pfarrer ist verrückt danach, die Sünde zu finden. Da er auch seine Predigten im Dorf darauf aufbaut schickt der Bischof einen Pater zu ihm. Eigentlich wollte sich der Pfarrer aufhängen, aber nach dem Gespräch steigt er aus der Schlinge. Rudi, ein arbeitsloser junger Mann verlässt das Dorf. Auch der Pfarrer fährt in die Hauptstadt, wo sich ihre Wege mehrmals kreuzen. In der Stadt kommt er zu einem Nachtklub. Der Türsteher bietet ihm verschiedenste Sexutensilien an. Am frühen Morgen trifft er wieder auf Rudi. Diesmal mit der arbeitslosen Kassiererin, die mehrfach wegen Ladendiebstahls vorbestraft ist. Ein junger Journalist will mit ihnen ein Interview machen. Der Pfarrer zieht bei der Kassiererin ein. Die Wohnung hat keine Möbel. Nur einen Kasten. Zum Schlafen Matratzen am Boden und einen Haufen gestohlener Waren. Es gibt keinen elektrischen Strom. Das E-Werk hat die Lieferung eingestellt, weil keine Rechnungen bezahlt wurden. Sie will ihn verführen, um ihm die Sünde zu zeigen. Nach heftigem Alkoholkonsum gelingt es. Währenddessen trifft Rudi eine Schauspiellehrerin. Er möchte zum Film. Er stellt sich als ungeeignet heraus. In einer Werbeagentur findet eine Party mit namhaften Persönlichkeiten statt. Rudi verschaffte sich als Aushilfskellner einen Zugang und so Kontakt zu einem Filmemacher. Mit seiner Pistole nimmt er die Tochter des Medienmannes als Geisel um engagiert zu werden. Ein Waffenhändler findet Gefallen an ihm. Die Tochter kommt zu Rudi zurück und hantiert mit der Pistole. Versehentlich löst sich ein Schuss und sie stirbt. Rudi flüchtet in die Wohnung der Kassiererin. Der Pfarrer will Rudi helfen und dessen Unschuld beweisen und geht zum Waffenhändler. Dort wird dem Kriegsminister gerade ein neues Gewehr vorgeführt. Ein Gewehr, das sich selbst das Ziel sucht, egal wie genau der Schütze zielt. Es wird auf die Pupille eingestellt. In einem Menü kann man wählen welcher Menschentyp erschossen werden soll. Man stellt ein „Araber“ und ein Araber wird getroffen. Alle versuchen sich am Gewehr. Auch der Pfarrer wird gebeten. Letztlich haben sie sieben Menschen ermordet, die von Dienern ins Zimmer gebracht werden, wo dann ein Essen abgehalten wird. Der Pfarrer wird immer verrückter und er verschanzt sich nackt in einem offenen Schließfach am Bahnhof. Die Polizei will ihn festnehmen. Rudi eilt zu Hilfe und zückt seine Pistole. Dabei erschießt er einen der zwei Polizisten. Mit dem Pfarrer flüchtet er in die Wohnung der Kassiererin. Das Haus wird von Polizisten und Scharfschützen umstellt. In einem Gefecht stirbt Rudi. Der Pfarrer nagelt sich an einen Kasten wie ein gekreuzigter Christus. Die Kassiererin flüchtet. Obwohl das Stück streckenweise sehr skurril wirkt, enthält es viel Wahres. Der verrückte Pfarrer sagt etwa „Der Himmel ist auf die Erde gefallen. Es gibt keine Sünde, es gibt keine Vergebung mehr. Die Menschen haben Gott die Sünde abgekauft, er kann ihnen nichts mehr vergeben. Gott ist zu seinen Ebenbildern herabgekommen. Die Säulen des Himmels sind zerbrochen. Der Himmel ist auf die Erde gefallen. Das Himmelreich ist unter uns.“ (Seite 75) }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } TURRINI, Peter: „Tod und Teufel“, Wien 1990 Das Stück ist in einem Theaterheft des Burgtheaters aus dem Jahre 1990 abgedruckt. Am Antiquitätenmarkt bekam ich es zum mehrfachen Neupreis. Turrini setzt sich in diesem Theaterstück mit dem Tod und dem Teufel auseinander. Konkret geht er die Sünde suchen. Dabei landet er bei einer arbeitslosen Kassiererin, die ihn in die sexuelle Sünde einführt. Der Pfarrer ist verrückt danach, die Sünde zu finden. Da er auch seine Predigten im Dorf darauf aufbaut schickt der Bischof einen Pater zu ihm. Eigentlich wollte sich der Pfarrer aufhängen, aber nach dem Gespräch steigt er aus der Schlinge. Rudi, ein arbeitsloser junger Mann verlässt das Dorf. Auch der Pfarrer fährt in die Hauptstadt, wo sich ihre Wege mehrmals kreuzen. In der Stadt kommt er zu einem Nachtklub. Der Türsteher bietet ihm verschiedenste Sexutensilien an. Am frühen Morgen trifft er wieder auf Rudi. Diesmal mit der arbeitslosen Kassiererin, die mehrfach wegen Ladendiebstahls vorbestraft ist. Ein junger Journalist will mit ihnen ein Interview machen. Der Pfarrer zieht bei der Kassiererin ein. Die Wohnung hat keine Möbel. Nur einen Kasten. Zum Schlafen Matratzen am Boden und einen Haufen gestohlener Waren. Es gibt keinen elektrischen Strom. Das E-Werk hat die Lieferung eingestellt, weil keine Rechnungen bezahlt wurden. Sie will ihn verführen, um ihm die Sünde zu zeigen. Nach heftigem Alkoholkonsum gelingt es. Währenddessen trifft Rudi eine Schauspiellehrerin. Er möchte zum Film. Er stellt sich als ungeeignet heraus. In einer Werbeagentur findet eine Party mit namhaften Persönlichkeiten statt. Rudi verschaffte sich als Aushilfskellner einen Zugang und so Kontakt zu einem Filmemacher. Mit seiner Pistole nimmt er die Tochter des Medienmannes als Geisel um engagiert zu werden. Ein Waffenhändler findet Gefallen an ihm. Die Tochter kommt zu Rudi zurück und hantiert mit der Pistole. Versehentlich löst sich ein Schuss und sie stirbt. Rudi flüchtet in die Wohnung der Kassiererin. Der Pfarrer will Rudi helfen und dessen Unschuld beweisen und geht zum Waffenhändler. Dort wird dem Kriegsminister gerade ein neues Gewehr vorgeführt. Ein Gewehr, das sich selbst das Ziel sucht, egal wie genau der Schütze zielt. Es wird auf die Pupille eingestellt. In einem Menü kann man wählen welcher Menschentyp erschossen werden soll. Man stellt ein „Araber“ und ein Araber wird getroffen. Alle versuchen sich am Gewehr. Auch der Pfarrer wird gebeten. Letztlich haben sie sieben Menschen ermordet, die von Dienern ins Zimmer gebracht werden, wo dann ein Essen abgehalten wird. Der Pfarrer wird immer verrückter und er verschanzt sich nackt in einem offenen Schließfach am Bahnhof. Die Polizei will ihn festnehmen. Rudi eilt zu Hilfe und zückt seine Pistole. Dabei erschießt er einen der zwei Polizisten. Mit dem Pfarrer flüchtet er in die Wohnung der Kassiererin. Das Haus wird von Polizisten und Scharfschützen umstellt. In einem Gefecht stirbt Rudi. Der Pfarrer nagelt sich an einen Kasten wie ein gekreuzigter Christus. Die Kassiererin flüchtet. Obwohl das Stück streckenweise sehr skurril wirkt, enthält es viel Wahres. Der verrückte Pfarrer sagt etwa „Der Himmel ist auf die Erde gefallen. Es gibt keine Sünde, es gibt keine Vergebung mehr. Die Menschen haben Gott die Sünde abgekauft, er kann ihnen nichts mehr vergeben. Gott ist zu seinen Ebenbildern herabgekommen. Die Säulen des Himmels sind zerbrochen. Der Himmel ist auf die Erde gefallen. Das Himmelreich ist unter uns.“ (Seite 75) |
CANETTI, Elias Das Augenspiel. Lebensgeschichte 1931 - 1937 Buch 2021. @book{CANETTI2021, title = {Das Augenspiel. Lebensgeschichte 1931 - 1937}, author = {CANETTI, Elias}, year = {2021}, date = {2021-01-21}, abstract = {CANETTI, Elias: „Das Augenspiel, Lebensgeschichte 1931-1937“, Frankfurt 2015 Drei autobiografische Bücher hat Canetti geschrieben. „Das Augenspiel“ ist das letzte und zeigt den Schriftsteller, wie er ein etwas selbstbewusster Autor geworden ist. In den Jahren 1931 bis 1937 – auf die sich dieses Buch bezieht – wohnte und wirkte Canetti in Wien. In den vorliegenden Berichten wird Wien als eine kulturell pulsierende Stadt beschrieben. Namhaften Künstler und Persönlichkeiten ist Canetti begegnet und in diesen Erzählungen charakterisiert er sie. „Es gab etliche Menschen in Wien, mit denen ich damals umging, die ich öfters sah, denen ich mich nicht verweigerte, und sie zerfielen in zwei einander entgegengesetzte Gruppen. Die einen, es waren vielleicht sechs oder sieben, bewunderte ich für ihre Arbeit und den Ernst, mit dem sie zu ihr standen.“ (Seite 119) Die anderen waren „die eben das Entgegengesetzte vertraten, die für Geld, Ruhm und Macht zu allem bereit waren. Auch von ihnen war ich fasziniert, allerdings auf ganz andere Weise.“ (Seite 120) Viel Respekt hatte er vor Hermann Broch und wurde letztlich zu seinem Freund. Anna Mahler, die Tochter des Musikers Mahler, war seine Geliebte. Sie, eine Bildhauerin, verließ ihn aber. Die Freundschaft aber blieb bestehen. So machte sie ihn mit dem Bildhauer Wotruba bekannt, der letztlich ein guter Freunde Canettis wurde. Die Mutter Anna Mahlers wird als arrogant und überheblich dargestellt. Sie war es auch, die ihn Canetti keinen würdigen Schwiegersohn und Mann für ihre Tochter sah. Auch nach der Trennung verehrte Canetti Anna: „Die Leuchtkraft des Ruhms, der um Anna lag, war so groß, dass ich nichts Übles von ihr geglaubt hätte.“ (Seite 74) Annas Atelier lag in der Operngasse, gegenüber der Wiener Oper. Viele Künstler kamen bei ihr vorbei und viele von ihnen hat sie in Portrait-Köpfen verewigt. Fritz Wotruba wer ein „harter“ Mensch. So wie er feste Steine bearbeitete war auch sein Umgang mit der Sprache. Er verwendete tiefen Wiener Dialekt. Canetti besuchte ihn oft in seinem Atelier unter den Stadtbahnbögen. Auch bei ihm zu Hause – er wohnte bei der Mutter und kleinen Schwester – war er geladen. Wotrubas Lebensgefährtin war sprachlich das Gegenteil. Sie sprach nur Hochdeutsch und auch nach Jahrzehnten in Wien nahm sie keinen Wiener Akzent an. Verehrung und Respekt brachte Canetti Herrn Dr. Sonne entgegen, dem das zweite Kapitel des Buches gewidmet ist. Seine Freundin Veza war von Dr. Sonne nicht so begeistert und nannte ihn „Siebenmonatskind“, weil „er nicht voll ausgebildet war, dass ihm zu einem kompletten, normalen Menschen etwas fehle.“ (Seite 134) Trotzdem blieb er Canettis Vorbild. 1933 führten ihn dann Reisen nach Straßburg – wo er sich länger aufhielt -, Zürich und Paris. Hitler war inzwischen in Deutschland an die Macht gekommen und Bücher wurden öffentlich verbrannt. Dies brachte Canetti zu einem Werk, in dem er Spiegel verbietet. In Zürich lernte er bei einer Lesung James Joyes kennen und verachten. Die in diesem Buch behandelte Zeitspanne betrifft jene, in der Canetti in Wien wohnte. Mit dem Teil 4 führt er in seinen Wohnbezirk Grinzing ein. Unabhängig von den biografischen Informationen bekommt man einen Einblick in das Leben der Intellektuellen dieser Zeit. So traf er Alban Berg noch wenige Wochen vor dessen Tod im Café. In unmittelbarer Nachbarschaft zu seinem Haus wohnte die Familie des Zeitungsherausgebers Benedikt. Die Familie war ihm anfangs suspekt und unsympathisch. Durch den Kontakt mit der Tochter wird er von der Familie aufgenommen. Man „köderte“ ihn mit einer Einladung, an der auch „das Dreigestirn der Wiener Décadence um die Jahrhundertwende: Schnitzler, Hofmannsthal und Beer-Hofmann“ (Seite 238) teilnahmen. Thomas Mann gab er ein Manuskript für ein Buch zur Begutachtung. Nach vier Jahren bekam er eine Antwort. Grinzing, in dem Stadtteil er wohnte, war und ist das Heurigendorf Wiens. Das hatte auch auf Canetti Einfluss: „In die Heurigen ging ich – von Zeit zu Zeit, nicht häufig – mit Freunden und besonders mit Besuchern, die aus dem Ausland kamen.“ (Seite 258) Die Fahrt mit der Straßenbahn der Nummer 38 in das Stadtzentrum liebte er. „Es war keine lange Strecke, ich befuhr sie von Endstation zu Endstation, keine halbe Stunde lang. Aber die Fahrt hätte auch länger dauern können, es war eine interessante Strecke…“ (Seite 259) Im letzten Abschnitt des Buches wird seine Bekanntschaft mit dem Maler Kokoschka in Prag und der Tod seiner Mutter in Paris beschrieben. Die biografische Beschreibung endet 1937. Wien wurde dann mit dem Anschluss ans Deutsche Reich um all diese Persönlichkeiten, die man im Buch kennenlernt, beraubt. So auch Canetti, der sich nach London absetzte. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } CANETTI, Elias: „Das Augenspiel, Lebensgeschichte 1931-1937“, Frankfurt 2015 Drei autobiografische Bücher hat Canetti geschrieben. „Das Augenspiel“ ist das letzte und zeigt den Schriftsteller, wie er ein etwas selbstbewusster Autor geworden ist. In den Jahren 1931 bis 1937 – auf die sich dieses Buch bezieht – wohnte und wirkte Canetti in Wien. In den vorliegenden Berichten wird Wien als eine kulturell pulsierende Stadt beschrieben. Namhaften Künstler und Persönlichkeiten ist Canetti begegnet und in diesen Erzählungen charakterisiert er sie. „Es gab etliche Menschen in Wien, mit denen ich damals umging, die ich öfters sah, denen ich mich nicht verweigerte, und sie zerfielen in zwei einander entgegengesetzte Gruppen. Die einen, es waren vielleicht sechs oder sieben, bewunderte ich für ihre Arbeit und den Ernst, mit dem sie zu ihr standen.“ (Seite 119) Die anderen waren „die eben das Entgegengesetzte vertraten, die für Geld, Ruhm und Macht zu allem bereit waren. Auch von ihnen war ich fasziniert, allerdings auf ganz andere Weise.“ (Seite 120) Viel Respekt hatte er vor Hermann Broch und wurde letztlich zu seinem Freund. Anna Mahler, die Tochter des Musikers Mahler, war seine Geliebte. Sie, eine Bildhauerin, verließ ihn aber. Die Freundschaft aber blieb bestehen. So machte sie ihn mit dem Bildhauer Wotruba bekannt, der letztlich ein guter Freunde Canettis wurde. Die Mutter Anna Mahlers wird als arrogant und überheblich dargestellt. Sie war es auch, die ihn Canetti keinen würdigen Schwiegersohn und Mann für ihre Tochter sah. Auch nach der Trennung verehrte Canetti Anna: „Die Leuchtkraft des Ruhms, der um Anna lag, war so groß, dass ich nichts Übles von ihr geglaubt hätte.“ (Seite 74) Annas Atelier lag in der Operngasse, gegenüber der Wiener Oper. Viele Künstler kamen bei ihr vorbei und viele von ihnen hat sie in Portrait-Köpfen verewigt. Fritz Wotruba wer ein „harter“ Mensch. So wie er feste Steine bearbeitete war auch sein Umgang mit der Sprache. Er verwendete tiefen Wiener Dialekt. Canetti besuchte ihn oft in seinem Atelier unter den Stadtbahnbögen. Auch bei ihm zu Hause – er wohnte bei der Mutter und kleinen Schwester – war er geladen. Wotrubas Lebensgefährtin war sprachlich das Gegenteil. Sie sprach nur Hochdeutsch und auch nach Jahrzehnten in Wien nahm sie keinen Wiener Akzent an. Verehrung und Respekt brachte Canetti Herrn Dr. Sonne entgegen, dem das zweite Kapitel des Buches gewidmet ist. Seine Freundin Veza war von Dr. Sonne nicht so begeistert und nannte ihn „Siebenmonatskind“, weil „er nicht voll ausgebildet war, dass ihm zu einem kompletten, normalen Menschen etwas fehle.“ (Seite 134) Trotzdem blieb er Canettis Vorbild. 1933 führten ihn dann Reisen nach Straßburg – wo er sich länger aufhielt -, Zürich und Paris. Hitler war inzwischen in Deutschland an die Macht gekommen und Bücher wurden öffentlich verbrannt. Dies brachte Canetti zu einem Werk, in dem er Spiegel verbietet. In Zürich lernte er bei einer Lesung James Joyes kennen und verachten. Die in diesem Buch behandelte Zeitspanne betrifft jene, in der Canetti in Wien wohnte. Mit dem Teil 4 führt er in seinen Wohnbezirk Grinzing ein. Unabhängig von den biografischen Informationen bekommt man einen Einblick in das Leben der Intellektuellen dieser Zeit. So traf er Alban Berg noch wenige Wochen vor dessen Tod im Café. In unmittelbarer Nachbarschaft zu seinem Haus wohnte die Familie des Zeitungsherausgebers Benedikt. Die Familie war ihm anfangs suspekt und unsympathisch. Durch den Kontakt mit der Tochter wird er von der Familie aufgenommen. Man „köderte“ ihn mit einer Einladung, an der auch „das Dreigestirn der Wiener Décadence um die Jahrhundertwende: Schnitzler, Hofmannsthal und Beer-Hofmann“ (Seite 238) teilnahmen. Thomas Mann gab er ein Manuskript für ein Buch zur Begutachtung. Nach vier Jahren bekam er eine Antwort. Grinzing, in dem Stadtteil er wohnte, war und ist das Heurigendorf Wiens. Das hatte auch auf Canetti Einfluss: „In die Heurigen ging ich – von Zeit zu Zeit, nicht häufig – mit Freunden und besonders mit Besuchern, die aus dem Ausland kamen.“ (Seite 258) Die Fahrt mit der Straßenbahn der Nummer 38 in das Stadtzentrum liebte er. „Es war keine lange Strecke, ich befuhr sie von Endstation zu Endstation, keine halbe Stunde lang. Aber die Fahrt hätte auch länger dauern können, es war eine interessante Strecke…“ (Seite 259) Im letzten Abschnitt des Buches wird seine Bekanntschaft mit dem Maler Kokoschka in Prag und der Tod seiner Mutter in Paris beschrieben. Die biografische Beschreibung endet 1937. Wien wurde dann mit dem Anschluss ans Deutsche Reich um all diese Persönlichkeiten, die man im Buch kennenlernt, beraubt. So auch Canetti, der sich nach London absetzte. |
STREERUWITZ, Marlene Der Abe3nd nach dem Begräbnis der besten Freundin Buch 2021. @book{STREERUWITZ2021, title = {Der Abe3nd nach dem Begräbnis der besten Freundin}, author = {STREERUWITZ, Marlene}, year = {2021}, date = {2021-01-15}, abstract = {STREERUWITZ, Marlene: „Der Abend nach dem Begräbnis der besten Freundin“, Frankfurt 2008 Als ihre beste Freundin starb war sie in Amerika. Sie wollte nicht heimfahren, weil die Freundin sonst das nahende Ende registrieren würde. Das Buch beginnt mit der Heimfahrt vom Begräbnis. Im Auto kommen ihr Gedanken zum Begräbnis. Warum etwa der Mann das Lied „I did it my way“ spielen ließ. Wollte er ihr damit sagen, dass der Krebs durch ihr vieles Rauchen kam; also ihre Schuld? Sie ging nicht zum Leichenschmaus. Dem Schweinsbratenessen und lustig sein wollte sie entgehen und fuhr heim, obwohl sie dort hungrig ankam. Viele Gedanken zum Tod der Freundin. Lilli – so hieß die Freundin – hatte „das Sterben gelernt wie eine Fremdsprache. Sie hat das gemacht wie alles andere auch. Begabt und mit Einsatz.“ (Seite 12) Die Freundin hatte viele Liebhaber. Sie weiß nicht wie viele es waren, hat aber alle im Tagebuch vermerkt. Sie, die Autorin, war ihr Schmiere gestanden. Hat Ausstellungen besucht und einen Bericht geschrieben, während die Andere mit einem Liebhaber in einem Bett lag. Um zu Hause vor dem Ehemann zu rechtfertigen wo sie war, las sie die Zusammenfassung der Freundin über die Ausstellung. Die chauvinistischen Unternehmen der Freundin unterstützte sie, weil sie sich selbst nicht traute auch so etwas zu machen. Die Freundin hatte viele Liebhaber gehabt. Einen hätte „sie den Kindern vorstellen wollen. Mit diesem Mann hatte sie das Gefühl gehabt, sie müsse das alles in Eines zusammenführen. In einen Lebensstrom. In dem hätte der Ehemann dann keinen Platz gehabt.“ (Seite 20) Jetzt war sie „gegangen“. „Voran. Sie hat es hinter sich. Hinter sich gebracht. Und warum man so viel Angst vor etwas hat, was niemand anderer je erfahren wird. Zu ihren vielen Geheimnissen noch dieses eine. Wie war das. Der letzte Gedanke. Das letzte Gefühl. Eine letzte Empfindung. Und wusste sie. Weiß man. Dass es das ist. Und schlief sie wirklich. Oder war sie in das Sterben gelähmt nur ruhig in ihrem Bett.“ (Seite 46) Zwei Jahre und sieben Monate hatte sie gegen den Krebs angekämpft. Großartig der Satz „Sie war so damit beschäftigt, das Sterben ernst zu nehmen, dass sie den Tod übersehen hat.“ (Seite 26) Zwölf Stunden wollte die Autorin an die verstorbene Freundin denken und am Ende der zwölften Stunde steht ein Gedicht, das so endet: mein lieber bruder besuche mich verlorenes kind und nimm mich mit und heim in meiner mutter silbermatte scheibe und zeige mir wo ich ein bleiben find }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } STREERUWITZ, Marlene: „Der Abend nach dem Begräbnis der besten Freundin“, Frankfurt 2008 Als ihre beste Freundin starb war sie in Amerika. Sie wollte nicht heimfahren, weil die Freundin sonst das nahende Ende registrieren würde. Das Buch beginnt mit der Heimfahrt vom Begräbnis. Im Auto kommen ihr Gedanken zum Begräbnis. Warum etwa der Mann das Lied „I did it my way“ spielen ließ. Wollte er ihr damit sagen, dass der Krebs durch ihr vieles Rauchen kam; also ihre Schuld? Sie ging nicht zum Leichenschmaus. Dem Schweinsbratenessen und lustig sein wollte sie entgehen und fuhr heim, obwohl sie dort hungrig ankam. Viele Gedanken zum Tod der Freundin. Lilli – so hieß die Freundin – hatte „das Sterben gelernt wie eine Fremdsprache. Sie hat das gemacht wie alles andere auch. Begabt und mit Einsatz.“ (Seite 12) Die Freundin hatte viele Liebhaber. Sie weiß nicht wie viele es waren, hat aber alle im Tagebuch vermerkt. Sie, die Autorin, war ihr Schmiere gestanden. Hat Ausstellungen besucht und einen Bericht geschrieben, während die Andere mit einem Liebhaber in einem Bett lag. Um zu Hause vor dem Ehemann zu rechtfertigen wo sie war, las sie die Zusammenfassung der Freundin über die Ausstellung. Die chauvinistischen Unternehmen der Freundin unterstützte sie, weil sie sich selbst nicht traute auch so etwas zu machen. Die Freundin hatte viele Liebhaber gehabt. Einen hätte „sie den Kindern vorstellen wollen. Mit diesem Mann hatte sie das Gefühl gehabt, sie müsse das alles in Eines zusammenführen. In einen Lebensstrom. In dem hätte der Ehemann dann keinen Platz gehabt.“ (Seite 20) Jetzt war sie „gegangen“. „Voran. Sie hat es hinter sich. Hinter sich gebracht. Und warum man so viel Angst vor etwas hat, was niemand anderer je erfahren wird. Zu ihren vielen Geheimnissen noch dieses eine. Wie war das. Der letzte Gedanke. Das letzte Gefühl. Eine letzte Empfindung. Und wusste sie. Weiß man. Dass es das ist. Und schlief sie wirklich. Oder war sie in das Sterben gelähmt nur ruhig in ihrem Bett.“ (Seite 46) Zwei Jahre und sieben Monate hatte sie gegen den Krebs angekämpft. Großartig der Satz „Sie war so damit beschäftigt, das Sterben ernst zu nehmen, dass sie den Tod übersehen hat.“ (Seite 26) Zwölf Stunden wollte die Autorin an die verstorbene Freundin denken und am Ende der zwölften Stunde steht ein Gedicht, das so endet: mein lieber bruder besuche mich verlorenes kind und nimm mich mit und heim in meiner mutter silbermatte scheibe und zeige mir wo ich ein bleiben find |
(Hg), Kulturregion Niederösterreich (Hrsg.) Wunderwelt Ötscher. Kostbares aus Kultur und Natur Buch 2021. @book{(Hg)2021, title = {Wunderwelt Ötscher. Kostbares aus Kultur und Natur}, editor = {Kulturregion Niederösterreich (Hg)}, year = {2021}, date = {2021-01-14}, abstract = {Kulturregion Niederösterreich (Hg): „Wunderwelt Ötscher. Kostbares aus Kultur und Natur“, Sankt Pölten 2015 Der Ötscher hat mich immer schon fasziniert. Ich weiß nicht warum. Er steht so mächtig über seinen ihn umgebenden kleineren Bergen und ist weithin sichtbar. Wenn ich von Krems nach Sankt Pölten fahre sehe ich ihn schon. Fährt man die Westautobahn nach begleitet er die Autofahrer. Im Alpenhotel in Gösing, wo ich schon mehrere Urlaube gemacht hatte, steht er schon beim Aufstehen vor dem Hotelfenster. Ein mystischer Berg. Pfarrer Franz Jantsch zählte ihn zu einem Punkt eines magischen Dreiecks. Im vorliegenden Bildband wird er aus verschiedensten Blickwinkeln beschrieben. Da geht es um die Holzfäller der Gegend, die erste Besteigung mit einer sehr interessanten schriftlichen Dokumentation, die Mariazellerbahn und deren Bau und Bräuche der Region. Viele Abbildungen – alte und neue – vermitteln dann noch mehr, als es Worte können. Ein sehr schönes Buch. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } Kulturregion Niederösterreich (Hg): „Wunderwelt Ötscher. Kostbares aus Kultur und Natur“, Sankt Pölten 2015 Der Ötscher hat mich immer schon fasziniert. Ich weiß nicht warum. Er steht so mächtig über seinen ihn umgebenden kleineren Bergen und ist weithin sichtbar. Wenn ich von Krems nach Sankt Pölten fahre sehe ich ihn schon. Fährt man die Westautobahn nach begleitet er die Autofahrer. Im Alpenhotel in Gösing, wo ich schon mehrere Urlaube gemacht hatte, steht er schon beim Aufstehen vor dem Hotelfenster. Ein mystischer Berg. Pfarrer Franz Jantsch zählte ihn zu einem Punkt eines magischen Dreiecks. Im vorliegenden Bildband wird er aus verschiedensten Blickwinkeln beschrieben. Da geht es um die Holzfäller der Gegend, die erste Besteigung mit einer sehr interessanten schriftlichen Dokumentation, die Mariazellerbahn und deren Bau und Bräuche der Region. Viele Abbildungen – alte und neue – vermitteln dann noch mehr, als es Worte können. Ein sehr schönes Buch. |
OBAMA, Barack Ein verheißenes Land Buch 2021. @book{OBAMA2021, title = {Ein verheißenes Land}, author = {OBAMA, Barack}, year = {2021}, date = {2021-01-12}, abstract = {OBAMA, Barack: „Ein verheißenes Land“, München 2020 Obama ist kein Anfänger beim Schreiben eines Buches. Er tat es schon in Zeiten, in denen er noch nicht so populär war. Er tat es, um Geld zu verdienen. Bei diesem Buch verdient er noch mehr. Das typische Einkommen eines Ex-Politikers. Noch dazu erschien dieses Buch gemeinsam mit einem seiner Frau. Die deutschsprachige Ausgabe stimmte sie aufeinander im Designe ab; ja, der deutsche Verlag verkaufte die beiden Bücher auch im Paket. Um es spannend zu machen beginnt der Autor bei dieser, seiner Selbstbiografie, mit ersten Eindrücken aus dem Präsidentenbüro, aus dem White House. Erst langsam nähert er sich seiner eigenen Geschichte und erzählt aus seinem Elternhaus, woher er kommt (Hawaii), dass sein Vater ein Afrikaner war, den er aber nicht kannte, weil er seine Mutter früh verließ und nach Kenia zurückkehrte. Er wurde von seiner berufstätigen Mutter und hauptsächlich von seiner Großmutter aufgezogen. Dazwischen war er – seine Mutter wurde dorthin versetzt – in Indonesien, wo seine Mutter wieder einen Einheimischen heiratete. Auch diese Ehe ging zu Bruche und die Mutter kehrte mit ihm und seiner Halbschwester wieder nach Hause zur Großmutter zurück. Obama erzählt dann von all seinen Jobs und seiner Familie. Wie er seine Frau kennengelernt hat, wie sie eine Familie gründeten und wie er dann zur Politik kam. Beide – Herr und Frau Obama – haben sich aus einfachen Verhältnissen hochgearbeitet und gute Positionen erreicht. Barack aber wollte mehr. In einer „Zeit, in der der bloße Gedanke an einen Schwarzen US-Präsidenten genauso abwegig erschienen wäre wie die Vorstellung von einem Schwein, das fliegt.“ (Seite 291) Aber sein Ehrgeiz führte ihn über die Position eines Senators letztlich zum Sieger als Präsidentschaftsanwärter der Demokraten und als solcher auch ins Weiße Haus. Er rechtfertigte dieses sein Ziel damit, dass „wir alle tief in unserem Inneren die Ersten sein und für große Leistungen gefeiert werden wollen.“ (Seite 111) Die Übersiedlung der Familie mit zwei Mädchen war ein tiefer Einschnitt im Leben. Viele Dinge konnten nicht mehr gemacht werden. Im Weißen Haus stand ihnen zwar eine Infrastruktur zur Verfügung, die an ein Märchenschloss erinnerte: mehrere Tausend Quadratmeter Wohnraum, ein Fitnesscenter, ein Pool, ein Tennisplatz, ein Kino, eine Kegelbahn, eine Arztpraxis … ABER sie konnten sich nicht mehr frei bewegen und waren immer überwacht. Ein Lebensabschnitt auf 1000 Seiten geschildert ist schon ein Stück harter Arbeit für den Leser. Viele Details und Namen sind für Europäer nichtssagend und unverständlich. Aber man bekommt ein Gefühl für den Hergang und die Entwicklung des Menschen Barack Obama. Wie es keine leichte Entscheidung für ihn und seine Frau war, dass er in die Politik ging. Zuerst als Senator von Illinois und erst später – als Unbekannter – als Präsidentschaftskandidat. Neu für uns Europäer ist auch der Hergang der Vorwahlen, die innerhalb der eigenen Partei ausgefochten wird. Mit welcher Härte Gleichgesinnte gegeneinander antreten. Wieviel Geld schon für diese interne Auswahl aufgewendet wird. Obama begann mit etwa 200 Mitarbeitern. Am Ende der mehrjährigen Wahlkampagne hatte er mehr als 1000 Mitarbeiter. Bei Themen, wie der Gesundheitsreform gibt Obama in diesem Buch auch eine historische Einführung, wie sich dieses Gebiet in Amerika und international entwickelt hat. Gleich nach Antritt seines Amtes muss er landesinterne Probleme, wie eine Wirtschaftskrise lösen. Die amerikanische Autoindustrie braucht riesige Beträge um vor dem Aus gerettet zu werden. Die Banken müssen unterstützt werden. Hilfeleistungen kamen den Reichen zugute. Alles Aktionen, die er als „sozialistischer“ Kandidat nur schwer mit seiner Überzeugung vereinbaren konnte. Ein soziales Gesundheitssystem – „Obamacare“ – war nur schwer und mit vielen Abstrichen durchzusetzen. Die Benachteiligung der „Nichtweißen Bevölkerung“ war ein anderes Anliegen, das er aus eigener Erfahrung kannte. Bei seinen internationalen Berichten gibt er zu jedem Land einleitend einen Überblick. Hier zeigt sich – trotz der Sympathien dieses Präsidenten – die Überheblichkeit der USA gegenüber dem Rest der Welt. Über europäische Politiker wie Angela Merkel und Sarkozy spricht er etwas abschätzig. Auch stellt er viele Dinge als Erfolg seines Einsatzes dar. So etwa die Bewältigung der europäischen Finanz- und Immobilienkrise mit der Verschuldung Griechenlands. Irgendwie ist es eine „Coca-Cola Politik“, bei der alle Länder so sein müssten, wie es sich Amerika vorstellt. Vieles hatte er sich als Präsident vorgenommen, aber in der Realität musste er Kompromisse eingehen und Abstriche machen. Obama lernte erst im Amt, dass Fakten weniger erfolgreich in der öffentlichen Meinung sind als Emotionen, was ihm als zielgerichteter Realist schwerfiel. Er, der keine Kriege wollte, war dann mehrfach verwickelt: im Irakkrieg, der zehn Milliarden Dollar pro Monat kostete, in Afghanistan, im Libyen, Jemen. Die USA standen im Konflikt zwischen Israel und Palästina auf der Seite Israels. Viele der Sponsoren für den Wahlkampf Obamas kamen aus diesen Wirtschaftskreisen. Er wusste aber, dass da ein Unrecht gegenüber den Palästinensern passierte. Ein innerer Konflikt, den er, jetzt wo er nicht mehr verantwortlicher Präsident ist, öffentlich definiert. Trotz der 1000 Seiten hält der Autor den Leser bei der Sache und baute immer wieder Spannung auf, die zum Weiterlesen animiert. Irgendwie liest sich das Buch wie eine Rechtfertigung des Ex-Präsidenten. Was er weswegen gemacht hat und wie es angenommen wurde. Auch Misslungenes wird angesprochen. Es ging ihm auch um die nachträgliche Auslobung von Erfolgen, die öffentlich nicht gefeiert wurden. In den ersten Jahren der Präsidentschaft Obamas trat der Bauunternehmer Trump durchaus positiv für ihn auf, wenn er sagte „Alles in allem glaube ich, dass er einen sehr guten Job gemacht hat.“ (Seite 935) Als aber dann klar wurde, dass er selbst Präsident werden will, änderte sich sein Ton und er kam – so wie wir es auch dann später während seiner eigenen Präsidentschaft kennengelernt haben – mit Lügen und unwahren Behauptungen. So sagte er zu den Medien, dass nur ein in Amerika geborener Staatsbürger amerikanischer Präsident werden könne. Obama sei kein amerikanischer Staatsbürger. Auf niedrigem Niveau wurden hier Behauptungen aufgestellt, die die Boulevardmedien aufgriffen. Er berichtete, dass die Geburtsurkunde verschwunden sei. „Unser gegenwärtiger Präsident kam aus dem Nichts … Die Personen, die angeblich mit ihm zur Schule gingen, haben ihn dort nie gesehen, sie wissen nicht, wer er ist.“ (Seite 934) Auch seine Aufnahme in die Universität wurde angezweifelt, weil er nur miese Noten in der Schule gehabt habe. Trotz großer Verantwortung musste sich Präsident Obama gegenüber diesen Lügen rechtfertigen. Das Buch gliedert sich in 7 Kapitel, die mit dem Wahlkampf als Senator beginnen und mit einem Kapitel über internationale Konflikte endet. Ganz am Schluss kommt es zur militärischen Operation, in der Osama bin Laden ermordet wird. Viele Menschen sind dem Autor beim Erstellen des Buches beigestanden. In der Danksagung werden über 5 Seiten Namen aufgezählt, die geholfen haben. Das Buch endet – trotz 1000 Seiten Länge – nach zwei Jahren Amtszeit als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Das zeigt schon, dass weitere dicke Bücher von Barack Obama erscheinen werden. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } OBAMA, Barack: „Ein verheißenes Land“, München 2020 Obama ist kein Anfänger beim Schreiben eines Buches. Er tat es schon in Zeiten, in denen er noch nicht so populär war. Er tat es, um Geld zu verdienen. Bei diesem Buch verdient er noch mehr. Das typische Einkommen eines Ex-Politikers. Noch dazu erschien dieses Buch gemeinsam mit einem seiner Frau. Die deutschsprachige Ausgabe stimmte sie aufeinander im Designe ab; ja, der deutsche Verlag verkaufte die beiden Bücher auch im Paket. Um es spannend zu machen beginnt der Autor bei dieser, seiner Selbstbiografie, mit ersten Eindrücken aus dem Präsidentenbüro, aus dem White House. Erst langsam nähert er sich seiner eigenen Geschichte und erzählt aus seinem Elternhaus, woher er kommt (Hawaii), dass sein Vater ein Afrikaner war, den er aber nicht kannte, weil er seine Mutter früh verließ und nach Kenia zurückkehrte. Er wurde von seiner berufstätigen Mutter und hauptsächlich von seiner Großmutter aufgezogen. Dazwischen war er – seine Mutter wurde dorthin versetzt – in Indonesien, wo seine Mutter wieder einen Einheimischen heiratete. Auch diese Ehe ging zu Bruche und die Mutter kehrte mit ihm und seiner Halbschwester wieder nach Hause zur Großmutter zurück. Obama erzählt dann von all seinen Jobs und seiner Familie. Wie er seine Frau kennengelernt hat, wie sie eine Familie gründeten und wie er dann zur Politik kam. Beide – Herr und Frau Obama – haben sich aus einfachen Verhältnissen hochgearbeitet und gute Positionen erreicht. Barack aber wollte mehr. In einer „Zeit, in der der bloße Gedanke an einen Schwarzen US-Präsidenten genauso abwegig erschienen wäre wie die Vorstellung von einem Schwein, das fliegt.“ (Seite 291) Aber sein Ehrgeiz führte ihn über die Position eines Senators letztlich zum Sieger als Präsidentschaftsanwärter der Demokraten und als solcher auch ins Weiße Haus. Er rechtfertigte dieses sein Ziel damit, dass „wir alle tief in unserem Inneren die Ersten sein und für große Leistungen gefeiert werden wollen.“ (Seite 111) Die Übersiedlung der Familie mit zwei Mädchen war ein tiefer Einschnitt im Leben. Viele Dinge konnten nicht mehr gemacht werden. Im Weißen Haus stand ihnen zwar eine Infrastruktur zur Verfügung, die an ein Märchenschloss erinnerte: mehrere Tausend Quadratmeter Wohnraum, ein Fitnesscenter, ein Pool, ein Tennisplatz, ein Kino, eine Kegelbahn, eine Arztpraxis … ABER sie konnten sich nicht mehr frei bewegen und waren immer überwacht. Ein Lebensabschnitt auf 1000 Seiten geschildert ist schon ein Stück harter Arbeit für den Leser. Viele Details und Namen sind für Europäer nichtssagend und unverständlich. Aber man bekommt ein Gefühl für den Hergang und die Entwicklung des Menschen Barack Obama. Wie es keine leichte Entscheidung für ihn und seine Frau war, dass er in die Politik ging. Zuerst als Senator von Illinois und erst später – als Unbekannter – als Präsidentschaftskandidat. Neu für uns Europäer ist auch der Hergang der Vorwahlen, die innerhalb der eigenen Partei ausgefochten wird. Mit welcher Härte Gleichgesinnte gegeneinander antreten. Wieviel Geld schon für diese interne Auswahl aufgewendet wird. Obama begann mit etwa 200 Mitarbeitern. Am Ende der mehrjährigen Wahlkampagne hatte er mehr als 1000 Mitarbeiter. Bei Themen, wie der Gesundheitsreform gibt Obama in diesem Buch auch eine historische Einführung, wie sich dieses Gebiet in Amerika und international entwickelt hat. Gleich nach Antritt seines Amtes muss er landesinterne Probleme, wie eine Wirtschaftskrise lösen. Die amerikanische Autoindustrie braucht riesige Beträge um vor dem Aus gerettet zu werden. Die Banken müssen unterstützt werden. Hilfeleistungen kamen den Reichen zugute. Alles Aktionen, die er als „sozialistischer“ Kandidat nur schwer mit seiner Überzeugung vereinbaren konnte. Ein soziales Gesundheitssystem – „Obamacare“ – war nur schwer und mit vielen Abstrichen durchzusetzen. Die Benachteiligung der „Nichtweißen Bevölkerung“ war ein anderes Anliegen, das er aus eigener Erfahrung kannte. Bei seinen internationalen Berichten gibt er zu jedem Land einleitend einen Überblick. Hier zeigt sich – trotz der Sympathien dieses Präsidenten – die Überheblichkeit der USA gegenüber dem Rest der Welt. Über europäische Politiker wie Angela Merkel und Sarkozy spricht er etwas abschätzig. Auch stellt er viele Dinge als Erfolg seines Einsatzes dar. So etwa die Bewältigung der europäischen Finanz- und Immobilienkrise mit der Verschuldung Griechenlands. Irgendwie ist es eine „Coca-Cola Politik“, bei der alle Länder so sein müssten, wie es sich Amerika vorstellt. Vieles hatte er sich als Präsident vorgenommen, aber in der Realität musste er Kompromisse eingehen und Abstriche machen. Obama lernte erst im Amt, dass Fakten weniger erfolgreich in der öffentlichen Meinung sind als Emotionen, was ihm als zielgerichteter Realist schwerfiel. Er, der keine Kriege wollte, war dann mehrfach verwickelt: im Irakkrieg, der zehn Milliarden Dollar pro Monat kostete, in Afghanistan, im Libyen, Jemen. Die USA standen im Konflikt zwischen Israel und Palästina auf der Seite Israels. Viele der Sponsoren für den Wahlkampf Obamas kamen aus diesen Wirtschaftskreisen. Er wusste aber, dass da ein Unrecht gegenüber den Palästinensern passierte. Ein innerer Konflikt, den er, jetzt wo er nicht mehr verantwortlicher Präsident ist, öffentlich definiert. Trotz der 1000 Seiten hält der Autor den Leser bei der Sache und baute immer wieder Spannung auf, die zum Weiterlesen animiert. Irgendwie liest sich das Buch wie eine Rechtfertigung des Ex-Präsidenten. Was er weswegen gemacht hat und wie es angenommen wurde. Auch Misslungenes wird angesprochen. Es ging ihm auch um die nachträgliche Auslobung von Erfolgen, die öffentlich nicht gefeiert wurden. In den ersten Jahren der Präsidentschaft Obamas trat der Bauunternehmer Trump durchaus positiv für ihn auf, wenn er sagte „Alles in allem glaube ich, dass er einen sehr guten Job gemacht hat.“ (Seite 935) Als aber dann klar wurde, dass er selbst Präsident werden will, änderte sich sein Ton und er kam – so wie wir es auch dann später während seiner eigenen Präsidentschaft kennengelernt haben – mit Lügen und unwahren Behauptungen. So sagte er zu den Medien, dass nur ein in Amerika geborener Staatsbürger amerikanischer Präsident werden könne. Obama sei kein amerikanischer Staatsbürger. Auf niedrigem Niveau wurden hier Behauptungen aufgestellt, die die Boulevardmedien aufgriffen. Er berichtete, dass die Geburtsurkunde verschwunden sei. „Unser gegenwärtiger Präsident kam aus dem Nichts … Die Personen, die angeblich mit ihm zur Schule gingen, haben ihn dort nie gesehen, sie wissen nicht, wer er ist.“ (Seite 934) Auch seine Aufnahme in die Universität wurde angezweifelt, weil er nur miese Noten in der Schule gehabt habe. Trotz großer Verantwortung musste sich Präsident Obama gegenüber diesen Lügen rechtfertigen. Das Buch gliedert sich in 7 Kapitel, die mit dem Wahlkampf als Senator beginnen und mit einem Kapitel über internationale Konflikte endet. Ganz am Schluss kommt es zur militärischen Operation, in der Osama bin Laden ermordet wird. Viele Menschen sind dem Autor beim Erstellen des Buches beigestanden. In der Danksagung werden über 5 Seiten Namen aufgezählt, die geholfen haben. Das Buch endet – trotz 1000 Seiten Länge – nach zwei Jahren Amtszeit als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Das zeigt schon, dass weitere dicke Bücher von Barack Obama erscheinen werden. |
2020 |
Albert Gerhards, Stephan Winter In Church, Leo Zogmayer – Kunst für liturgische Räume Buch 2020. @book{Gerhards2020, title = {In Church, Leo Zogmayer – Kunst für liturgische Räume}, author = {Albert Gerhards, Stephan Winter}, editor = {Albert Gerhards, Stephan Winter}, year = {2020}, date = {2020-12-31}, abstract = {GERHARDS, Albert; WINTER, Stephan (Hg): „In Church, Leo Zogmayer – Kunst für liturgische Räume“, Regensburg 2020 Ich habe eine Biografie des Künstlerfreunds Leo Zogmayer schon im Vorjahr zu seinem 70. Geburtstag erwartet. Aber wie sich mit dem vorliegenden Buch zeigt ist Leo auch in dieser Beziehung anders. Es ist keine Beschreibung seiner Person, sondern seiner Kunst. Schon im Vorwort stellen die beiden Herausgeber klar, dass Leo Zogmayer anders ist. Auf die Frage, wie er an ein neues Werk herangeht sagte er: „Der Dirigent Sergiu Celibidache wurde gefragt, wie er sich vorbereitet, bevor er auf die Bühne geht, um ein Konzert zu dirigieren; und er hat gesagt: `Ich mache mich leer.´ Für wirklich kreatives Agieren ist es nötig, dass ich offen bin und frei bin für etwas, das sich zeigt. Für Intuition, Inspiration, für die Hilfe, die ich da brauche. Das ist aus meiner Sicht `Kreativ´. Nicht was ich schon gut kann. Es geht ums Schauen, Hören – so frei wie möglich.“ (Seite 5) Im ersten Kapitel kommt es zu einem Dialog zwischen Leo Zogmayer und dem Bischof von Innsbruck Hermann Glettler, in dem man viel von Zogmayer s Einstellung zur Kunst und zum Leben generell. Etwa, dass man nur im Jetzt und nicht in der Vergangenheit oder Zukunft leben kann. Das drückte er auch mit seiner Uhr „Jetzt“ aus. Was immer die Zeiger anzeigen: es ist das Jetzt. Er sieht seine Kunst als Realität. Schon zu Beginn des Studiums hat er sich für eine Akademie entschieden, die nicht im Surrealismus lehrte. Er bevorzugte schon immer die wirkliche Welt und hier sind ihm auch die Pausen wichtig, die Leere. Etwas „schön“ zu bezeichnen findet er nicht als Anerkennung. Für ihn kommt „schön“ von schauen und meint sichtbar machen. Also etwas Reales darstellen. Der Theologe Albert Gerhards geht dann auf die einzelnen sakralen Projekte von Leo Zogmayer ein. Bei all den Projekten „geht es keineswegs um Accessoires, sondern um etwas Umfassendes oder um das Ganze.“ (Seite 26) Für ihn, den Autor dieses Kapitels, ist das 20. Jahrhundert das spannendste in der Geschichte des sakralen Bauens. Es ist schwierig hier in all die einzelnen Projekte einzugehen. Es geht vom Umbau der gotischen Kirche Maria Geburt in Aschaffenburg über die Kirche Sankt Franziskus in Bonn über zwei Projekte in Brüssel Nicht immer sind seine Projekte so geblieben, wie er sie installiert hatte. Die Gemeinschaft des Klosters Karmel Sankt Josef in Innsbruck hat später den Sakralraum wieder umgestaltet. „Der Konvent war offensichtlich anderer Meinung. Ein Jahr nach Fertigstellung wurde schon wieder umgebaut. Anstelle der Stühle baute man ein massives Chorgestühl ein, eine Art Lettner mit Kreuz und Tabernakel in der Mitte teilt nun den Raum, der völlig zugestellt wirkt.“ (Seite 74) Aus vielen Langhauskirchen und Basilikas machte er durch seine Einrichtung Zentralbauten, bei denen das Geschene, der Altar, in der Mitte unter den Gläubigen ist. Seine Räume werden schlicht gestaltet und geben den Kirchenbesuchern Platz um Mystischen und zum Nachdenken ohne abgelenkt zu werden. Das größte Projekt Zogmayers geht auf das Jahr 2013 zurück und ist immer noch nicht umgesetzt. Es ist der Umbau der Sankt Hedwigs Kathedrale in Berlin. Bei einem öffentlichen Wettbewerb hat Zogmayer mit den Architekten Sichau & Walterunter mehrreren hundert eingereichten Vorschlägen den ersten Platz errungen. Und das sehr klar, weil dser zweite Platz nicht vergeben wurde. Dafür der dritte Platz an zwei Bewerber. Leo Zogmayer bringt die Kuppelkirche wieder in eine zentrale Form zurück. Viele Diskussionen mit der Kirchengemeinde und in der Öffentlichkeit verzögern die Umsetzung. Im Kapitel „Wie nach einer langen Reise“ setzt sich der 2018 verstorbene Kardinal Karl Lehmann mit dem Verhältnis von Religion und Kunst auseinander. Zogmayer hat sich viel mit Worten als Kunstinstrument auseinandergesetzt. Dem trägt der Autor Stephan Winter im Kapitel „If you celebrate it, it´s art“ auseinander. „Eine Kunst wie die Leo Zogmayers wirkt in einem Zeitalter wachsender, zunehmend perfider organisierter Abgrenzungs- und Exklusionsmechanismen zwischen Individuen, sozialen Gruppen, Gesellschaften und Kulturen eminent humanisierend.“ (Seite 133) Abschließend muss ich sagen, dass all diese meine Worte nicht ausreichen, um das vorliegende Buch zu beschreiben. Eine Rezension ist ungeeignet Kunst darzustellen. Kunst braucht Bilder. Ein Buch – wie dieses – kann dem gerecht werde. Es bringt Abbildungen, die mehr sagen als viele Worte. Eine textliche Zusammenfassung, wie es eine Rezension sein sollte, kann dies schon gar nicht. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } GERHARDS, Albert; WINTER, Stephan (Hg): „In Church, Leo Zogmayer – Kunst für liturgische Räume“, Regensburg 2020 Ich habe eine Biografie des Künstlerfreunds Leo Zogmayer schon im Vorjahr zu seinem 70. Geburtstag erwartet. Aber wie sich mit dem vorliegenden Buch zeigt ist Leo auch in dieser Beziehung anders. Es ist keine Beschreibung seiner Person, sondern seiner Kunst. Schon im Vorwort stellen die beiden Herausgeber klar, dass Leo Zogmayer anders ist. Auf die Frage, wie er an ein neues Werk herangeht sagte er: „Der Dirigent Sergiu Celibidache wurde gefragt, wie er sich vorbereitet, bevor er auf die Bühne geht, um ein Konzert zu dirigieren; und er hat gesagt: `Ich mache mich leer.´ Für wirklich kreatives Agieren ist es nötig, dass ich offen bin und frei bin für etwas, das sich zeigt. Für Intuition, Inspiration, für die Hilfe, die ich da brauche. Das ist aus meiner Sicht `Kreativ´. Nicht was ich schon gut kann. Es geht ums Schauen, Hören – so frei wie möglich.“ (Seite 5) Im ersten Kapitel kommt es zu einem Dialog zwischen Leo Zogmayer und dem Bischof von Innsbruck Hermann Glettler, in dem man viel von Zogmayer s Einstellung zur Kunst und zum Leben generell. Etwa, dass man nur im Jetzt und nicht in der Vergangenheit oder Zukunft leben kann. Das drückte er auch mit seiner Uhr „Jetzt“ aus. Was immer die Zeiger anzeigen: es ist das Jetzt. Er sieht seine Kunst als Realität. Schon zu Beginn des Studiums hat er sich für eine Akademie entschieden, die nicht im Surrealismus lehrte. Er bevorzugte schon immer die wirkliche Welt und hier sind ihm auch die Pausen wichtig, die Leere. Etwas „schön“ zu bezeichnen findet er nicht als Anerkennung. Für ihn kommt „schön“ von schauen und meint sichtbar machen. Also etwas Reales darstellen. Der Theologe Albert Gerhards geht dann auf die einzelnen sakralen Projekte von Leo Zogmayer ein. Bei all den Projekten „geht es keineswegs um Accessoires, sondern um etwas Umfassendes oder um das Ganze.“ (Seite 26) Für ihn, den Autor dieses Kapitels, ist das 20. Jahrhundert das spannendste in der Geschichte des sakralen Bauens. Es ist schwierig hier in all die einzelnen Projekte einzugehen. Es geht vom Umbau der gotischen Kirche Maria Geburt in Aschaffenburg über die Kirche Sankt Franziskus in Bonn über zwei Projekte in Brüssel Nicht immer sind seine Projekte so geblieben, wie er sie installiert hatte. Die Gemeinschaft des Klosters Karmel Sankt Josef in Innsbruck hat später den Sakralraum wieder umgestaltet. „Der Konvent war offensichtlich anderer Meinung. Ein Jahr nach Fertigstellung wurde schon wieder umgebaut. Anstelle der Stühle baute man ein massives Chorgestühl ein, eine Art Lettner mit Kreuz und Tabernakel in der Mitte teilt nun den Raum, der völlig zugestellt wirkt.“ (Seite 74) Aus vielen Langhauskirchen und Basilikas machte er durch seine Einrichtung Zentralbauten, bei denen das Geschene, der Altar, in der Mitte unter den Gläubigen ist. Seine Räume werden schlicht gestaltet und geben den Kirchenbesuchern Platz um Mystischen und zum Nachdenken ohne abgelenkt zu werden. Das größte Projekt Zogmayers geht auf das Jahr 2013 zurück und ist immer noch nicht umgesetzt. Es ist der Umbau der Sankt Hedwigs Kathedrale in Berlin. Bei einem öffentlichen Wettbewerb hat Zogmayer mit den Architekten Sichau & Walterunter mehrreren hundert eingereichten Vorschlägen den ersten Platz errungen. Und das sehr klar, weil dser zweite Platz nicht vergeben wurde. Dafür der dritte Platz an zwei Bewerber. Leo Zogmayer bringt die Kuppelkirche wieder in eine zentrale Form zurück. Viele Diskussionen mit der Kirchengemeinde und in der Öffentlichkeit verzögern die Umsetzung. Im Kapitel „Wie nach einer langen Reise“ setzt sich der 2018 verstorbene Kardinal Karl Lehmann mit dem Verhältnis von Religion und Kunst auseinander. Zogmayer hat sich viel mit Worten als Kunstinstrument auseinandergesetzt. Dem trägt der Autor Stephan Winter im Kapitel „If you celebrate it, it´s art“ auseinander. „Eine Kunst wie die Leo Zogmayers wirkt in einem Zeitalter wachsender, zunehmend perfider organisierter Abgrenzungs- und Exklusionsmechanismen zwischen Individuen, sozialen Gruppen, Gesellschaften und Kulturen eminent humanisierend.“ (Seite 133) Abschließend muss ich sagen, dass all diese meine Worte nicht ausreichen, um das vorliegende Buch zu beschreiben. Eine Rezension ist ungeeignet Kunst darzustellen. Kunst braucht Bilder. Ein Buch – wie dieses – kann dem gerecht werde. Es bringt Abbildungen, die mehr sagen als viele Worte. Eine textliche Zusammenfassung, wie es eine Rezension sein sollte, kann dies schon gar nicht. |
RIGLER, Christine Diese Komödie ist eine Tragödie. Werk und Leben des Schriftstellers Peter Turrini Buch 2020. @book{RIGLER2020, title = {Diese Komödie ist eine Tragödie. Werk und Leben des Schriftstellers Peter Turrini}, author = {Christine RIGLER}, year = {2020}, date = {2020-12-27}, abstract = {RIGLER, Christine: „Diese Komödie ist eine Tragödie. Werk und Leben des Schriftstellers Peter Turrini“, Innsbruck Wien 2019 Ich glaubte vieles über Peter Turrini zu kennen. Unsere Wege kreuzten sich mehrmals im Leben und ich versuchte kein Theaterstück ungesehen und kein Buch von ihm ungelesen zu lassen. Aber hier habe ich wieder viel Neues gelernt und gelesen. Nun ja, die Autorin – Christine Rigler – ist als Literaturwissenschafterin und Leiterin des Archivs der Zeitgenossen an der Donau-Universität Krems sehr nahe an Peter Turrinis Werken dran, denn sie verwaltet in diesem Archiv auch den Vorlass von Peter Turrini. Noch in meiner Zeit als Vizerektor der Donau-Universität hatte ich Peter Turrini zu einer Lesung nach Krems geholt. Jetzt sind all seine Manuskripte und Werke dort gelandet. So schließt sich der Kreis – die Jordankurve. Die hier vorliegende Biografie ist sehr gut gelungen. Das sage ich, auch wenn ich als Fan von Turrini voreingenommen bin. Die Autorin gliedert sie in acht Kapitel, beginnt aber nicht auf der Zeitachse mit der Geburt und Kindheit des zu Beschreibenden, sondern mit der Geburt seiner Dichterschaft und dem Entstehen seiner ersten Werke. Ende der 60er Jahre begab er sich zu einem typischen Hippieleben auf die griechische Insel Rhodos. Dort erprobte er aber nicht nur die damalige Drogenszene, sondern schrieb auch sein erstes Stück „Rozznjogd“. Schlagartig (deswegen der Vergleich mit einer Geburt) wurde er bekannt und zum Dichter. Das Stück provozierte. Im Programmheft stellte er sich vor: „ich komme aus maria saal in kärnten. Wer bei uns kalbsbraten ißt stößt zweimal, wer schweinsbraten ißt, dreimal auf. Dies brachte mich auf die idee, vom katholizismus zum free jazz zu konvertieren. um dem würgegriff der ländlichen liebenswürdigkeit zu entgehen, ging ich nach wien.“ (Seite 15) Das Stück war ein Schock für die Wiener Theaterwelt, obwohl es Turrini nicht so gewollt hatte: „Nein, ich will das Publikum nicht schockieren, sondern durch den Schock zu einem Denkvorgang anregen.“ (Seite 23) In die Jugend und Kindheit geht die Autorin erst im zweiten Kapitel ein und beschränkt sich nicht nur in der Erzählung von Fakten des zu Biografierenden und dessen Vorfahren, sondern auch welche Eindrücke und Erfahrungen seinen Werdegang als Dichter beeinflussten. So die Familie Lampersberg, die ihm eine andere Welt erschloss. Sein Vater, ein aus Italien stammender Kunsttischler, hatte nie Anschluss an die Dorfgemeinschaft bekommen. Er blieb ein Fremder. Peter definierte es so, dass sein Vater ein italienischer Einwanderer war, „welcher es nie bis an den Stammtisch der Einheimischen schaffte.“ (Seite 215) Darin ist auch begründet, dass es in vielen Stücken den Bezug zu Flüchtlingen und Fremden gibt. Aber auch die Klassengesellschaft findet sich in späteren Werken wieder. Sein Vater gehörte nicht der konservativen Bauernschaft an. Er war dem linken Lager zuzuschreiben. Nach der Hauptschule besucht Peter Turrini die Handelsakademie, deren Fachgebiet ihn absolut nicht interessiert, aber die Eltern in diesem Beruf – vor allem im Bankensektor – eine sichere Einkunftsquelle sahen. Mehr interessierte sich der Schüler Turrini für Projekte wie seine Schülerzeitung, in der er etwa die nationalsozialistischen Lehrer anprangerte und fast aus der Schule geworfen wurde. Er aber gibt nicht auf und schrieb in einer Folgeausgabe „Niemals sind wir jedoch gewillt, in die Fußstapfen demokratischer Leisetreter zu steigen.“ (Seite 58) Peter Turrini hatte immer einige Jahre mit einem bestimmten Wiener Theater intensiver zusammengearbeitet. Dem trägt auch die Autorin dieser Biografie Rechnung, indem sie jeweils ein Kapitel dem Volkstheater (1963-1973), eines dem Burgtheater unter Claus Peymann und letztlich eines dem Theater in der Josefstadt widmet. Zu Beginn muss der junge Schriftsteller auch noch jobben und nimmt die verschiedensten Berufe an. Bei einem, dem italienischen Schreibmaschinenhersteller Olivetti, kreuzten sich unsere Wege. Turrini – er war Schreibmaschinenvertreter - sagte später zu mir „Beim Schreiben der Verkaufsberichte habe ich das Dichten gelernt.“ Turrini war inzwischen mit einer jungen Schauspielerin (Susanne Liebermann) verheiratet und sie trat in seinem Einpersonenstück „Kindsmord“ auf. Mit seinen ersten Stücken – darunter auch „Sauschlachten“ erlangte er Bekanntheit, zweifelte aber an der gesellschaftspolitischen Wirksamkeit des Theaters. Er wandte sich dem Schreiben für Film und Fernsehen zu. Christine Rigler widmet dieser Epoche (1973 – 1980) das vierte Kapitel des Buches. In dieser Phase entstanden die beiden Fernsehserien „Alpensaga“ und „Arbeitersaga“. Als Sympathisant der KPÖ kritisiert er einerseits in der Alpensaga den Bauernstand mit deren politischer Heimat und in der Arbeitersaga auch die sozialistische Partei. Die „Alpensaga“ entstand durch kollektives Schreiben und Zusammenleben mit Wilhelm Pevny und dem Filmregisseur Dieter Berner. Sie gründeten eine Wohngemeinschaft, um dem Konzept der traditionellen Kleinfamilie zu entkommen. Die Zusammenarbeit der Künstler hielt länger als die Wohngemeinschaft. Die Produktion der „Alpensaga“ war mit vielen Stolpersteinen und Schwierigkeiten bestückt. „Es war ein Kulturkampf, den wir uns heute nicht mehr vorstellen können.“ (Seite 115) Enttäuscht kam er 1980 wieder zum Theaterschreiben zurück: „Reumütig stehe ich vor der verlassenen Geliebten Theater und bitte um Gnade.“ (Seite 125) Freunde stellten ihm ein Landhaus im Weinviertel zur Verfügung, wo neue Stücke wie „Josef und Maria“ entstanden. In der Abgeschiedenheit wurde er wieder kreativ. Dazwischen kam es zu einer Amerika- und Russlandreise mit Dichterkollegen wie H.C. Artmann und Helmut Qualtinger. Nach Israel reist er zur Aufführung seines Stücks „Der tollste Tag“. An einen Freund in Amerika schrieb er in der Nachschau, dass ihn die Sowjetunion mehr beeindruckte als Amerika und er die Menschen dort ehrlicher empfand. 1983 schuf sich Turrini einen eigenen Rückzugsort am Rand der Stadt Retz, wo er gemeinsam mit dem Ehepaar Berner, Hilde Berger und Rudi Palla ein Renaissancehaus erwarb. Um der Gemeinschaft beim Schreiben zu entkommen, stellte ihm ein Pater – der spätere Erzbischof von Wien Kardinal Christoph Schönborn eine Zelle im Dominikanerkloster Retz zur Verfügung. Politische Engagements brachten ihn nach Wien: die Protestbewegung gegen den Bau eines Kraftwerks in den Hainburger Donauauen und die Wahl von Kurt Waldheim zum Bundespräsidenten. Mit Claus Peymann kam die Schaffensperiode am Burgtheater. Obwohl Peymann ein schwieriger „eckiger“ Mensch ist, engagierte sich Turrini für seine Vertragsverlängerung. Peymann kam nach Wien, als sich Turrini dem Film und Fernsehen abwandte. Die Interessen der Beiden trafen sich und brachten viele Stücke hervor. Auch hier blieb die Kritik der konservativen Gesellschaft nicht aus. In diese Phase fiel auch ein Libretto zu einer Oper, die Friedrich Cerha komponierte und die in der Wiener Staatsoper aufgeführt wurde. Nachdem Peymann Wien verlassen hatte suchte auch Turrini eine neue Schaffensstätte und fand sie mit dem neuen Direktor des Theaters an der Josefstadt Herbert Föttinger. Das konservative Vorstadttheater wandelte sich und engagierte sich für zeitgenössische Gegenwartsdramatik. In dieser Zeit trat auch seine langjährige Gefährtin Silke Hassler in sein Leben. Sie ist auch seine Dichterkollegin, mit der gemeinsam viele Stücke und Texte entstanden. „Wir streiten nie über Alltagsfragen. Aber der Silke und mir ist jede Formulierung, die wir noch nicht gut finden, jede Leidenschaftlichkeit wert. Lieber schneide ich mir einen Finger ab, als dass ich einen Satz stehen lasse, von dem ich nicht überzeugt bin.“ (Seite 201) Letztlich kommt in den letzten Seiten des Buches auch das Archiv der Zeitgenossen an der Donau-Universität und deren Leiterin, die die Autorin dieser Biografie ist, zu Wort. Sie beherbergt den Vorlass von Peter Turrini und das war die Basis für das vorliegende Buch. Turrini – jetzt auch Großvater – zog sich vollständig ins Weinviertel und ein eigenes, umgebautes Presshaus zurück. Selbst bei gesundheitlichen Problemen, wie nach einem Herzinfarkt und einer Operation diktierte er noch im Krankenhaus Texte für das Stück „Fremdenzimmer“. Das Buch ist sehr zeitnah und erwähnt auch die Aufführung der Oper „Schuberts Reise nach Atzenbrugg“ im April 2020 in München, zu der Turrini das Libretto schrieb. Aufgehört hat er auch nicht sich politisch zu engagieren und zeigt nicht zu goutierende politische Bewegungen kritisch auf. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } RIGLER, Christine: „Diese Komödie ist eine Tragödie. Werk und Leben des Schriftstellers Peter Turrini“, Innsbruck Wien 2019 Ich glaubte vieles über Peter Turrini zu kennen. Unsere Wege kreuzten sich mehrmals im Leben und ich versuchte kein Theaterstück ungesehen und kein Buch von ihm ungelesen zu lassen. Aber hier habe ich wieder viel Neues gelernt und gelesen. Nun ja, die Autorin – Christine Rigler – ist als Literaturwissenschafterin und Leiterin des Archivs der Zeitgenossen an der Donau-Universität Krems sehr nahe an Peter Turrinis Werken dran, denn sie verwaltet in diesem Archiv auch den Vorlass von Peter Turrini. Noch in meiner Zeit als Vizerektor der Donau-Universität hatte ich Peter Turrini zu einer Lesung nach Krems geholt. Jetzt sind all seine Manuskripte und Werke dort gelandet. So schließt sich der Kreis – die Jordankurve. Die hier vorliegende Biografie ist sehr gut gelungen. Das sage ich, auch wenn ich als Fan von Turrini voreingenommen bin. Die Autorin gliedert sie in acht Kapitel, beginnt aber nicht auf der Zeitachse mit der Geburt und Kindheit des zu Beschreibenden, sondern mit der Geburt seiner Dichterschaft und dem Entstehen seiner ersten Werke. Ende der 60er Jahre begab er sich zu einem typischen Hippieleben auf die griechische Insel Rhodos. Dort erprobte er aber nicht nur die damalige Drogenszene, sondern schrieb auch sein erstes Stück „Rozznjogd“. Schlagartig (deswegen der Vergleich mit einer Geburt) wurde er bekannt und zum Dichter. Das Stück provozierte. Im Programmheft stellte er sich vor: „ich komme aus maria saal in kärnten. Wer bei uns kalbsbraten ißt stößt zweimal, wer schweinsbraten ißt, dreimal auf. Dies brachte mich auf die idee, vom katholizismus zum free jazz zu konvertieren. um dem würgegriff der ländlichen liebenswürdigkeit zu entgehen, ging ich nach wien.“ (Seite 15) Das Stück war ein Schock für die Wiener Theaterwelt, obwohl es Turrini nicht so gewollt hatte: „Nein, ich will das Publikum nicht schockieren, sondern durch den Schock zu einem Denkvorgang anregen.“ (Seite 23) In die Jugend und Kindheit geht die Autorin erst im zweiten Kapitel ein und beschränkt sich nicht nur in der Erzählung von Fakten des zu Biografierenden und dessen Vorfahren, sondern auch welche Eindrücke und Erfahrungen seinen Werdegang als Dichter beeinflussten. So die Familie Lampersberg, die ihm eine andere Welt erschloss. Sein Vater, ein aus Italien stammender Kunsttischler, hatte nie Anschluss an die Dorfgemeinschaft bekommen. Er blieb ein Fremder. Peter definierte es so, dass sein Vater ein italienischer Einwanderer war, „welcher es nie bis an den Stammtisch der Einheimischen schaffte.“ (Seite 215) Darin ist auch begründet, dass es in vielen Stücken den Bezug zu Flüchtlingen und Fremden gibt. Aber auch die Klassengesellschaft findet sich in späteren Werken wieder. Sein Vater gehörte nicht der konservativen Bauernschaft an. Er war dem linken Lager zuzuschreiben. Nach der Hauptschule besucht Peter Turrini die Handelsakademie, deren Fachgebiet ihn absolut nicht interessiert, aber die Eltern in diesem Beruf – vor allem im Bankensektor – eine sichere Einkunftsquelle sahen. Mehr interessierte sich der Schüler Turrini für Projekte wie seine Schülerzeitung, in der er etwa die nationalsozialistischen Lehrer anprangerte und fast aus der Schule geworfen wurde. Er aber gibt nicht auf und schrieb in einer Folgeausgabe „Niemals sind wir jedoch gewillt, in die Fußstapfen demokratischer Leisetreter zu steigen.“ (Seite 58) Peter Turrini hatte immer einige Jahre mit einem bestimmten Wiener Theater intensiver zusammengearbeitet. Dem trägt auch die Autorin dieser Biografie Rechnung, indem sie jeweils ein Kapitel dem Volkstheater (1963-1973), eines dem Burgtheater unter Claus Peymann und letztlich eines dem Theater in der Josefstadt widmet. Zu Beginn muss der junge Schriftsteller auch noch jobben und nimmt die verschiedensten Berufe an. Bei einem, dem italienischen Schreibmaschinenhersteller Olivetti, kreuzten sich unsere Wege. Turrini – er war Schreibmaschinenvertreter - sagte später zu mir „Beim Schreiben der Verkaufsberichte habe ich das Dichten gelernt.“ Turrini war inzwischen mit einer jungen Schauspielerin (Susanne Liebermann) verheiratet und sie trat in seinem Einpersonenstück „Kindsmord“ auf. Mit seinen ersten Stücken – darunter auch „Sauschlachten“ erlangte er Bekanntheit, zweifelte aber an der gesellschaftspolitischen Wirksamkeit des Theaters. Er wandte sich dem Schreiben für Film und Fernsehen zu. Christine Rigler widmet dieser Epoche (1973 – 1980) das vierte Kapitel des Buches. In dieser Phase entstanden die beiden Fernsehserien „Alpensaga“ und „Arbeitersaga“. Als Sympathisant der KPÖ kritisiert er einerseits in der Alpensaga den Bauernstand mit deren politischer Heimat und in der Arbeitersaga auch die sozialistische Partei. Die „Alpensaga“ entstand durch kollektives Schreiben und Zusammenleben mit Wilhelm Pevny und dem Filmregisseur Dieter Berner. Sie gründeten eine Wohngemeinschaft, um dem Konzept der traditionellen Kleinfamilie zu entkommen. Die Zusammenarbeit der Künstler hielt länger als die Wohngemeinschaft. Die Produktion der „Alpensaga“ war mit vielen Stolpersteinen und Schwierigkeiten bestückt. „Es war ein Kulturkampf, den wir uns heute nicht mehr vorstellen können.“ (Seite 115) Enttäuscht kam er 1980 wieder zum Theaterschreiben zurück: „Reumütig stehe ich vor der verlassenen Geliebten Theater und bitte um Gnade.“ (Seite 125) Freunde stellten ihm ein Landhaus im Weinviertel zur Verfügung, wo neue Stücke wie „Josef und Maria“ entstanden. In der Abgeschiedenheit wurde er wieder kreativ. Dazwischen kam es zu einer Amerika- und Russlandreise mit Dichterkollegen wie H.C. Artmann und Helmut Qualtinger. Nach Israel reist er zur Aufführung seines Stücks „Der tollste Tag“. An einen Freund in Amerika schrieb er in der Nachschau, dass ihn die Sowjetunion mehr beeindruckte als Amerika und er die Menschen dort ehrlicher empfand. 1983 schuf sich Turrini einen eigenen Rückzugsort am Rand der Stadt Retz, wo er gemeinsam mit dem Ehepaar Berner, Hilde Berger und Rudi Palla ein Renaissancehaus erwarb. Um der Gemeinschaft beim Schreiben zu entkommen, stellte ihm ein Pater – der spätere Erzbischof von Wien Kardinal Christoph Schönborn eine Zelle im Dominikanerkloster Retz zur Verfügung. Politische Engagements brachten ihn nach Wien: die Protestbewegung gegen den Bau eines Kraftwerks in den Hainburger Donauauen und die Wahl von Kurt Waldheim zum Bundespräsidenten. Mit Claus Peymann kam die Schaffensperiode am Burgtheater. Obwohl Peymann ein schwieriger „eckiger“ Mensch ist, engagierte sich Turrini für seine Vertragsverlängerung. Peymann kam nach Wien, als sich Turrini dem Film und Fernsehen abwandte. Die Interessen der Beiden trafen sich und brachten viele Stücke hervor. Auch hier blieb die Kritik der konservativen Gesellschaft nicht aus. In diese Phase fiel auch ein Libretto zu einer Oper, die Friedrich Cerha komponierte und die in der Wiener Staatsoper aufgeführt wurde. Nachdem Peymann Wien verlassen hatte suchte auch Turrini eine neue Schaffensstätte und fand sie mit dem neuen Direktor des Theaters an der Josefstadt Herbert Föttinger. Das konservative Vorstadttheater wandelte sich und engagierte sich für zeitgenössische Gegenwartsdramatik. In dieser Zeit trat auch seine langjährige Gefährtin Silke Hassler in sein Leben. Sie ist auch seine Dichterkollegin, mit der gemeinsam viele Stücke und Texte entstanden. „Wir streiten nie über Alltagsfragen. Aber der Silke und mir ist jede Formulierung, die wir noch nicht gut finden, jede Leidenschaftlichkeit wert. Lieber schneide ich mir einen Finger ab, als dass ich einen Satz stehen lasse, von dem ich nicht überzeugt bin.“ (Seite 201) Letztlich kommt in den letzten Seiten des Buches auch das Archiv der Zeitgenossen an der Donau-Universität und deren Leiterin, die die Autorin dieser Biografie ist, zu Wort. Sie beherbergt den Vorlass von Peter Turrini und das war die Basis für das vorliegende Buch. Turrini – jetzt auch Großvater – zog sich vollständig ins Weinviertel und ein eigenes, umgebautes Presshaus zurück. Selbst bei gesundheitlichen Problemen, wie nach einem Herzinfarkt und einer Operation diktierte er noch im Krankenhaus Texte für das Stück „Fremdenzimmer“. Das Buch ist sehr zeitnah und erwähnt auch die Aufführung der Oper „Schuberts Reise nach Atzenbrugg“ im April 2020 in München, zu der Turrini das Libretto schrieb. Aufgehört hat er auch nicht sich politisch zu engagieren und zeigt nicht zu goutierende politische Bewegungen kritisch auf. |
HEILMANN, Sebastian 2020. @book{HEILMANN2020, title = {Die Seidenstrassen-Illusion. Mythen und Realitäten eines eurasischen Superkontinents unter chinesischer Vorherrschaft}, author = {HEILMANN, Sebastian}, year = {2020}, date = {2020-12-22}, abstract = {HEILMANN, Sebastian: „Die Seidenstrassen-Illusion. Mythen und Realitäten eines eurasischen Superkontinents unter chinesischer Vorherrschaft“, Zürich 2020 Der Titel klingt kritisch und typisch europäisches mit dem Hinweis „das böse China“. Der Autor der in der Vontobel Stiftung erschienen Publikation ist aber ein ausgewiesener Chinaexperte. An der Universität Trier hat er einen Lehrstuhl für „Politik und Wirtschaft Chinas“ inne. Von 2013 bis 2018 war er Gründungsrektor eines der angesehensten Chinaforschungsinstitute, dem MERCIS (Mercator Institute for China Studies) in Berlin. Das zog mich an die Studie zu lesen und ich wurde überrascht. Sie ist einerseits kritisch, wägt aber alle Alternativen ab und gibt so einen informativen Überblick über Chinas Expansionspolitik. Es beginnt mit einem historischen Rückblick. China verwendet den Begriff „Seidenstraße“. Dieser wurde 1838 von einem deutschen Geographen geprägt. Chinas Präsident Xi Jinping griff den alten Begriff wieder auf. Erstmals erwähnte er ihn bei einer Rede in Kasachstan. Die alte Handelsstraße – die nie eine durchgehende war – soll mit modernen Mitteln wiederbelebt werden. Der Name verbindet viele Projekte unter einem Umbrella. Von der Definition gibt es mehrere „Seidenstraßen“: • die landbasierte Seidenstraße, • eine maritime Seidenstraße, • eine digitale Seidenstraße und • eine Weltraum-Seidenstraße mit einem chinesischen Satellitennetz. Dabei geht es nicht nur um den Handel und Transport von Gütern, sondern auch um Kooperationen, Förderungen der Wohlfahrt der Staaten entlang der Seidenstraße. Dazu bedient sich China verschiedener Instrumente: ungehinderter Handel, Finanzkooperationen, Vernetzung, Infrastrukturausbau. Dieses Projekt erhielt 2017 durch die Aufnahme in die Parteiverfassung höchste Priorität. Der Studienautor kommt zu dem Schluss, dass es sich primär um eine wirtschaftliche Aktivität handelt. Die außenpolitischen Organisationen Chinas sind nicht beteiligt und das Militär würde nur im Fall von Spannungsfällen zugezogen. Typisch auch die Vorgehensweise für China: das Projekt ist nicht detailliert im Voraus definiert. Dadurch hat es die Möglichkeit laufenden Änderungen angepasst zu werden. Eine Vorgangsweise, wie sie auch innerhalb Chinas oft angewendet wird. Man behält sich Flexibilität in der Hinterhand. Klar ist aber, dass China damit seine Vormachtstellung auf der Welt dokumentieren will. Man will auf Augenhöhe der USA agieren und dies mit einer intensiven Industrie- und Handelspolitik. Daher gibt es viel Gegenpropaganda speziell aus den USA, die von einer Schuldenfalle Chinas spricht. Heilmann kann dem aber nicht folgen, da das Risiko mehr auf chinesischer Seite liegt, weil die Hauptinvestitionen in ärmeren Staaten passiert. Da chinesische Betriebe diese Aktivitäten auch für ihre Geschäfte nützt und ihre interne Situation aufbessert wird der Umweltgedanke vorerst noch unterbelichtet behandelt. China hat landesintern strenge Umweltauflagen verordnet unter denen viele Technologien nicht mehr verwendet werden dürfen. Firmen exportieren diese jetzt in arme Länder. So wie in China selbst Kohlekraftwerke stillgelegt werden, baute man neue in Ländern wie Pakistan. Klar ist aber auch, dass durch eine Hebung des Lebensstandards in Entwicklungsländern die Abgaswerte unserer Erde steigen. Der wirtschaftliche Aufstieg Chinas, der in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts begann ist einzigartig. Dieses Modell versucht man auch auf andere Entwicklungsländer umzulegen. Dabei ist die Umwelt – so wie landesintern –zweite Priorität. China rollt seinen Einflussbereich über Eurasien auf. Dabei geht sie um wirtschaftliche Komplementarität unter Wahrung des gegenseitigen Respekts. Bedingt durch den Konflikt mit den USA kam es zunehmend zu mehr Kooperationen mit Russland. Bei der Uneinigkeit der EU werden individuelle Verträge mit einzelnen Staaten wie Portugal, Griechenland und Italien abgeschlossen. Alles in allem eine sehr ausgewogene und faktenbezogene Darstellung der Situation. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } HEILMANN, Sebastian: „Die Seidenstrassen-Illusion. Mythen und Realitäten eines eurasischen Superkontinents unter chinesischer Vorherrschaft“, Zürich 2020 Der Titel klingt kritisch und typisch europäisches mit dem Hinweis „das böse China“. Der Autor der in der Vontobel Stiftung erschienen Publikation ist aber ein ausgewiesener Chinaexperte. An der Universität Trier hat er einen Lehrstuhl für „Politik und Wirtschaft Chinas“ inne. Von 2013 bis 2018 war er Gründungsrektor eines der angesehensten Chinaforschungsinstitute, dem MERCIS (Mercator Institute for China Studies) in Berlin. Das zog mich an die Studie zu lesen und ich wurde überrascht. Sie ist einerseits kritisch, wägt aber alle Alternativen ab und gibt so einen informativen Überblick über Chinas Expansionspolitik. Es beginnt mit einem historischen Rückblick. China verwendet den Begriff „Seidenstraße“. Dieser wurde 1838 von einem deutschen Geographen geprägt. Chinas Präsident Xi Jinping griff den alten Begriff wieder auf. Erstmals erwähnte er ihn bei einer Rede in Kasachstan. Die alte Handelsstraße – die nie eine durchgehende war – soll mit modernen Mitteln wiederbelebt werden. Der Name verbindet viele Projekte unter einem Umbrella. Von der Definition gibt es mehrere „Seidenstraßen“: • die landbasierte Seidenstraße, • eine maritime Seidenstraße, • eine digitale Seidenstraße und • eine Weltraum-Seidenstraße mit einem chinesischen Satellitennetz. Dabei geht es nicht nur um den Handel und Transport von Gütern, sondern auch um Kooperationen, Förderungen der Wohlfahrt der Staaten entlang der Seidenstraße. Dazu bedient sich China verschiedener Instrumente: ungehinderter Handel, Finanzkooperationen, Vernetzung, Infrastrukturausbau. Dieses Projekt erhielt 2017 durch die Aufnahme in die Parteiverfassung höchste Priorität. Der Studienautor kommt zu dem Schluss, dass es sich primär um eine wirtschaftliche Aktivität handelt. Die außenpolitischen Organisationen Chinas sind nicht beteiligt und das Militär würde nur im Fall von Spannungsfällen zugezogen. Typisch auch die Vorgehensweise für China: das Projekt ist nicht detailliert im Voraus definiert. Dadurch hat es die Möglichkeit laufenden Änderungen angepasst zu werden. Eine Vorgangsweise, wie sie auch innerhalb Chinas oft angewendet wird. Man behält sich Flexibilität in der Hinterhand. Klar ist aber, dass China damit seine Vormachtstellung auf der Welt dokumentieren will. Man will auf Augenhöhe der USA agieren und dies mit einer intensiven Industrie- und Handelspolitik. Daher gibt es viel Gegenpropaganda speziell aus den USA, die von einer Schuldenfalle Chinas spricht. Heilmann kann dem aber nicht folgen, da das Risiko mehr auf chinesischer Seite liegt, weil die Hauptinvestitionen in ärmeren Staaten passiert. Da chinesische Betriebe diese Aktivitäten auch für ihre Geschäfte nützt und ihre interne Situation aufbessert wird der Umweltgedanke vorerst noch unterbelichtet behandelt. China hat landesintern strenge Umweltauflagen verordnet unter denen viele Technologien nicht mehr verwendet werden dürfen. Firmen exportieren diese jetzt in arme Länder. So wie in China selbst Kohlekraftwerke stillgelegt werden, baute man neue in Ländern wie Pakistan. Klar ist aber auch, dass durch eine Hebung des Lebensstandards in Entwicklungsländern die Abgaswerte unserer Erde steigen. Der wirtschaftliche Aufstieg Chinas, der in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts begann ist einzigartig. Dieses Modell versucht man auch auf andere Entwicklungsländer umzulegen. Dabei ist die Umwelt – so wie landesintern –zweite Priorität. China rollt seinen Einflussbereich über Eurasien auf. Dabei geht sie um wirtschaftliche Komplementarität unter Wahrung des gegenseitigen Respekts. Bedingt durch den Konflikt mit den USA kam es zunehmend zu mehr Kooperationen mit Russland. Bei der Uneinigkeit der EU werden individuelle Verträge mit einzelnen Staaten wie Portugal, Griechenland und Italien abgeschlossen. Alles in allem eine sehr ausgewogene und faktenbezogene Darstellung der Situation. |
ROTH, Gerhard Eine Reise in das Innere von Wien. Die Archive des Schweigens Buch 2020. @book{ROTH2020, title = {Eine Reise in das Innere von Wien. Die Archive des Schweigens}, author = {Gerhard ROTH}, year = {2020}, date = {2020-12-16}, abstract = {ROTH, Gerhard: „Eine Reise in das Innere von Wien. Die Archive des Schweigens“, Frankfurt 2015 Es ist dies der letzte Band des siebenbändigen Zyklus „Die Archive des Schweigens“. Mit viel Recherchearbeit präsentiert der Autor Wien im Untergrund in neun Kapitel. Wien aus einer anderen Perspektive. Unbekannt und „untergründig“. So sind die k.u.k. Hetztheater in Vergessenheit geraten. In Anlehnung an die römischen Gladiatorenspiele wurden hier verschiedene Tiere gegeneinandergehetzt. Die Arena war aber nicht so pompös als im antiken Rom. Lediglich Holzbauten, die im 18. Jahrhundert entstanden und später wieder verschwanden. In der Geschichte „Die zweite Stadt“ geht Roth auf die unterirdischen Gänge Wiens ein, die in manchen Belagerungen, wie den Türkenkriegen, die Stadt gerettet hatten. Heute sind es die weitverzweigten Kanalanlagen, die Wien unterminieren. Roth geht in seinen Schilderungen auch in die Umgebung und berichtet über die Seegrotte, dem unterirdischen See eines ehemaligen Gipsbergwerks in der Hinterbrühl. Den Künstler der psychiatrischen Anstalt Gugging wird ein eigenes Kapitel gewidmet. Vielen Besuchen waren notwendig, um diese Geschichte zu schreiben. Mit dem Juden Berger wandert Gerhard Roth durch die Wiener Leopoldstadt und lässt sich ehemalige, jüdische Einrichtungen zeigen und erklären. Ein Stadtbezirk, der (fast) verschwunden ist. So weiß Roth zu berichten, dass nur mehr 500 Juden in der Leopoldstadt leben. Während des 3. Reiches waren 100.000 ausgewandert und 60.000 wurden in KZs ermordet. Immer wieder gab es Verbote und Verfolgungen der Juden in Wien, aber immer wieder wurden sie gebraucht und bekamen eingegrenzte Rechte zugesprochen. Manchmal gab es auch innenpolitische Zwiste, wie etwa der Wiener Bürgermeister Karl Lueger judenfeindlich vorging („Wer a Jud ist, bestimm i“) und ihnen Kaiser Franz Josef dagegen freundlich gegenüberstand. In der Reichskristallnacht wurden von den 95 Bethäuser 49 zerstört und heute existieren nur mehr elf. Im Kapitel „Das Graue Haus“ wird man als Leser in die Vorgänge eines Gefängnisses eingeweiht. So erlebt man den Weg der Aufnahme eines Untersuchungssträflings. Aber auch alte Einrichtungen, wie die Köpfmaschine wird beschrieben. Von 1938 bis 1945 wurden noch 1184 Hinrichtungen vorgenommen. „Die Hitlervilla“ ist ein Obdachlosenheim, in dem auch Adolf Hitler während seines jugendlichen Wienaufenthalts wohnte. Heute beherbergt es etwa 400 Männer. Nach vielen Besuchen erzählt Roth die Schicksale einzelner Insassen und deren Leben. Auch die „Aufseher“, deren Job kein leichter ist, kommen zu Wort. Alkohol, Drogen und Raufereien müssen sie schlichten. Im ehemaligen „Narrenturm“, den 1784 Kaiser Josef II zur Unterbringung von abnormen Menschen bauen ließ, befindet sich heute das „Pathologisch-Anatomische Bundesmuseum“. Es beherbergt über 42.000 menschliche, aber auch tierische Präparate. Im Mittelalter galten Missbildungen noch als Wunder. Später wurden sie in Schaubuden vermarktet oder – wie im Dritten Reich – ermordet. Die ausgefallensten Kreaturen werden hier im Museum zur Schau gestellt: Menschen mit drei Köpfen, mehreren Armen, zusammengewachsene Kinder etc. Eine sehr übersichtliche Geschichte des Stephansdom wird auf zirka 50 Seiten geboten. Baugeschichtliches und Theologisches, aber auch Sagen und Überlieferungen werden wiedergegeben. Der umfangreichste Teil des Buches wird dem Heeresgeschichtlichen Museum gewidmet. Gleich zu Beginn erfährt man, dass es als Kaserne und Produktionsstätte für Kriegsmaterial nach der Revolution von 1848 gebaut wurde. Heute beherbergt es ein Kriegsmuseum, wo man vieles über Waffen und Kriege erfahren kann. Dieser Abschnitt vermittelt Informationen auf mehreren Ebenen: • Mit dem Autor erlebt man eine virtuelle Führung durch das Museum. • Er erzählt über die Geschichte Österreichs und ihrer Kriege. • Die Geschichte des Museums selbst wird ebenfalls ausführlich abgehandelt. Also eine mehrfache Information. Einige Beispiele: - Zwischen dem Kaiser und seinem Feldherrn Wallenstein gab es Eifersüchteleien. Der Kaiser setzte ihn ab, musste ihn aber bei neuerlicher Kriegsgefahr wieder in den Dienst rufen. „Als Wallenstein geheime Friedenverhandlungen mit dem Gegner aufnahm, wurde er das zweite Mal abgesetzt, diesmal geächtet und aufgrund einer Verschwörung, die man in Wien gegen ihn anzettelte, am 25.2.1634 zu Eger ermordet.“ (Seite 201) - Im 30-jährigen Krieg überlebten von den 18 Millionen Einwohnern des deutschsprachigen Raums nur 7 Millionen! - Unter Maria Theresia wurde das Heer in Österreich verstaatlicht. Dadurch mussten Unterkünfte (=Kasernen) gebaut werden. Der Sohn Maria Theresias, Josef II, löste das teilweise durch Umwidmung von Klöstern in Kasernen. - In der 23-jährigen Kriegsführung Napoleons starben vier bis fünf Millionen Menschen. Napoleon war der Schwiegersohn des österreichischen Kaisers und gleichzeitig sein Feind, gegen den er Krieg führte. - Kaiser Franz Joseph hatte 51 Titeln. - Im ersten Weltkrieg kämpften auf österreichischer Seite 8 Millionen Soldaten, von denen eine Million „fiel“ und zwei Millionen verwundet wurden. Alleine an der Front in den Dolomiten fielen 500.000 Österreicher und eine Millio0n Italiener. Beachtlich auch die Größe des Museumsareals. 1908 bestand es aus 138 Steinbauten, 93 Baracken. Es beherbergte 18 Fabriken, die Militärprodukte erzeugten. Nach dem Ende der Monarchie überlegte man das Museum den USA zu verkaufen. Letztlich zerstörte man aber die vielen unterirdischen Gänge, die eine Verbindung zur Hofburg und nach Schönbrunn herstellten und führte die Anlage nach dem Zweiten Weltkrieg zivilen Zwecken wie der Post- und Telegraphenverwaltung und den Bundestheatern für Kulissenwerkstätten zu. Ja, es gab sogar Tennisplätze, auf denen ich selbst noch spielte. Über vieles macht sich Roth auch lustig. So bringt er einen Vergleich der exerzierenden Soldaten mit Gruß- und Demutsbewegungen von Vögeln. Das Buch ist kein Roman und auch literarisch nicht so hochstehend, aber es vermittelt viele Informationen, die in mühevoller Kleinarbeit zusammengetragen wurden. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } ROTH, Gerhard: „Eine Reise in das Innere von Wien. Die Archive des Schweigens“, Frankfurt 2015 Es ist dies der letzte Band des siebenbändigen Zyklus „Die Archive des Schweigens“. Mit viel Recherchearbeit präsentiert der Autor Wien im Untergrund in neun Kapitel. Wien aus einer anderen Perspektive. Unbekannt und „untergründig“. So sind die k.u.k. Hetztheater in Vergessenheit geraten. In Anlehnung an die römischen Gladiatorenspiele wurden hier verschiedene Tiere gegeneinandergehetzt. Die Arena war aber nicht so pompös als im antiken Rom. Lediglich Holzbauten, die im 18. Jahrhundert entstanden und später wieder verschwanden. In der Geschichte „Die zweite Stadt“ geht Roth auf die unterirdischen Gänge Wiens ein, die in manchen Belagerungen, wie den Türkenkriegen, die Stadt gerettet hatten. Heute sind es die weitverzweigten Kanalanlagen, die Wien unterminieren. Roth geht in seinen Schilderungen auch in die Umgebung und berichtet über die Seegrotte, dem unterirdischen See eines ehemaligen Gipsbergwerks in der Hinterbrühl. Den Künstler der psychiatrischen Anstalt Gugging wird ein eigenes Kapitel gewidmet. Vielen Besuchen waren notwendig, um diese Geschichte zu schreiben. Mit dem Juden Berger wandert Gerhard Roth durch die Wiener Leopoldstadt und lässt sich ehemalige, jüdische Einrichtungen zeigen und erklären. Ein Stadtbezirk, der (fast) verschwunden ist. So weiß Roth zu berichten, dass nur mehr 500 Juden in der Leopoldstadt leben. Während des 3. Reiches waren 100.000 ausgewandert und 60.000 wurden in KZs ermordet. Immer wieder gab es Verbote und Verfolgungen der Juden in Wien, aber immer wieder wurden sie gebraucht und bekamen eingegrenzte Rechte zugesprochen. Manchmal gab es auch innenpolitische Zwiste, wie etwa der Wiener Bürgermeister Karl Lueger judenfeindlich vorging („Wer a Jud ist, bestimm i“) und ihnen Kaiser Franz Josef dagegen freundlich gegenüberstand. In der Reichskristallnacht wurden von den 95 Bethäuser 49 zerstört und heute existieren nur mehr elf. Im Kapitel „Das Graue Haus“ wird man als Leser in die Vorgänge eines Gefängnisses eingeweiht. So erlebt man den Weg der Aufnahme eines Untersuchungssträflings. Aber auch alte Einrichtungen, wie die Köpfmaschine wird beschrieben. Von 1938 bis 1945 wurden noch 1184 Hinrichtungen vorgenommen. „Die Hitlervilla“ ist ein Obdachlosenheim, in dem auch Adolf Hitler während seines jugendlichen Wienaufenthalts wohnte. Heute beherbergt es etwa 400 Männer. Nach vielen Besuchen erzählt Roth die Schicksale einzelner Insassen und deren Leben. Auch die „Aufseher“, deren Job kein leichter ist, kommen zu Wort. Alkohol, Drogen und Raufereien müssen sie schlichten. Im ehemaligen „Narrenturm“, den 1784 Kaiser Josef II zur Unterbringung von abnormen Menschen bauen ließ, befindet sich heute das „Pathologisch-Anatomische Bundesmuseum“. Es beherbergt über 42.000 menschliche, aber auch tierische Präparate. Im Mittelalter galten Missbildungen noch als Wunder. Später wurden sie in Schaubuden vermarktet oder – wie im Dritten Reich – ermordet. Die ausgefallensten Kreaturen werden hier im Museum zur Schau gestellt: Menschen mit drei Köpfen, mehreren Armen, zusammengewachsene Kinder etc. Eine sehr übersichtliche Geschichte des Stephansdom wird auf zirka 50 Seiten geboten. Baugeschichtliches und Theologisches, aber auch Sagen und Überlieferungen werden wiedergegeben. Der umfangreichste Teil des Buches wird dem Heeresgeschichtlichen Museum gewidmet. Gleich zu Beginn erfährt man, dass es als Kaserne und Produktionsstätte für Kriegsmaterial nach der Revolution von 1848 gebaut wurde. Heute beherbergt es ein Kriegsmuseum, wo man vieles über Waffen und Kriege erfahren kann. Dieser Abschnitt vermittelt Informationen auf mehreren Ebenen: • Mit dem Autor erlebt man eine virtuelle Führung durch das Museum. • Er erzählt über die Geschichte Österreichs und ihrer Kriege. • Die Geschichte des Museums selbst wird ebenfalls ausführlich abgehandelt. Also eine mehrfache Information. Einige Beispiele: - Zwischen dem Kaiser und seinem Feldherrn Wallenstein gab es Eifersüchteleien. Der Kaiser setzte ihn ab, musste ihn aber bei neuerlicher Kriegsgefahr wieder in den Dienst rufen. „Als Wallenstein geheime Friedenverhandlungen mit dem Gegner aufnahm, wurde er das zweite Mal abgesetzt, diesmal geächtet und aufgrund einer Verschwörung, die man in Wien gegen ihn anzettelte, am 25.2.1634 zu Eger ermordet.“ (Seite 201) - Im 30-jährigen Krieg überlebten von den 18 Millionen Einwohnern des deutschsprachigen Raums nur 7 Millionen! - Unter Maria Theresia wurde das Heer in Österreich verstaatlicht. Dadurch mussten Unterkünfte (=Kasernen) gebaut werden. Der Sohn Maria Theresias, Josef II, löste das teilweise durch Umwidmung von Klöstern in Kasernen. - In der 23-jährigen Kriegsführung Napoleons starben vier bis fünf Millionen Menschen. Napoleon war der Schwiegersohn des österreichischen Kaisers und gleichzeitig sein Feind, gegen den er Krieg führte. - Kaiser Franz Joseph hatte 51 Titeln. - Im ersten Weltkrieg kämpften auf österreichischer Seite 8 Millionen Soldaten, von denen eine Million „fiel“ und zwei Millionen verwundet wurden. Alleine an der Front in den Dolomiten fielen 500.000 Österreicher und eine Millio0n Italiener. Beachtlich auch die Größe des Museumsareals. 1908 bestand es aus 138 Steinbauten, 93 Baracken. Es beherbergte 18 Fabriken, die Militärprodukte erzeugten. Nach dem Ende der Monarchie überlegte man das Museum den USA zu verkaufen. Letztlich zerstörte man aber die vielen unterirdischen Gänge, die eine Verbindung zur Hofburg und nach Schönbrunn herstellten und führte die Anlage nach dem Zweiten Weltkrieg zivilen Zwecken wie der Post- und Telegraphenverwaltung und den Bundestheatern für Kulissenwerkstätten zu. Ja, es gab sogar Tennisplätze, auf denen ich selbst noch spielte. Über vieles macht sich Roth auch lustig. So bringt er einen Vergleich der exerzierenden Soldaten mit Gruß- und Demutsbewegungen von Vögeln. Das Buch ist kein Roman und auch literarisch nicht so hochstehend, aber es vermittelt viele Informationen, die in mühevoller Kleinarbeit zusammengetragen wurden. |
INNERHOFER, Franz Schöne Tage Buch 2020. @book{INNERHOFER2020, title = {Schöne Tage}, author = {Franz INNERHOFER}, year = {2020}, date = {2020-12-10}, abstract = {INNERHOFER, Franz: „Schöne Tage“, München 2020 In diesem Roman arbeitet der Autor seine eigene Kindheit auf. Als uneheliches Kind kommt der Protagonist Holl zu seinem Vater. Die Mutter kann ihn nicht erhalten, obwohl sein Stiefvater nett zu ihm wäre. Er muss zum Großbauern, dem leiblichen Vater. Der benützt ihn aber als billige Arbeitskraft. Nicht nur das Schicksal des Kindes wird beschrieben, auch die Zustände auf einem Bauernhof Mitte des 20. Jahrhunderts. Der 6-jährige hat Angst vor den Tieren und die ihm angeordnete Arbeit ist ihm eigentlich zu schwer. Nicht nur, dass er von seinem Vater schlechter behandelt wird als seine Halbbrüder, die ehelichen Kinder des Vaters, muss er sich für Prügel noch bedanken. Elf Jahre arbeitet er als Hilfsarbeiter am Bauernhof. Oft darf er nicht in die Schule gehen, weil er arbeiten muss. War er als Kind oft nahe daran sein Leben zu beenden, weil es so elend war, bekam er mit zunehmendem Alter mehr Selbstbewusstsein und widersprach seinem Vater und der Stiefmutter bis er sich letztlich mit 17 Jahren lossagt und eine Lehre als Schmied annimmt. Eine neue Welt öffnet sich für ihn. Man erlebt durch dieses Kind aber auch das Leben am Bauernhof. Welchen Status wer hatte. Dass Knechte und Mägde wie Sklaven behandelt wurden. Als aber ein neuer Knecht als Arbeiter an den Hof kommt, der bei der Gewerkschaft war, gab es mehr Widerstand und Arbeitsbedingungen werden verbessert. Dies brachte auch das Kind Holl aus der Tretmühle des Sklaventums zur Selbstständigkeit. Dieses Buch ist nicht nur ein Roman, sondern auch ein Zeitdokument. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } INNERHOFER, Franz: „Schöne Tage“, München 2020 In diesem Roman arbeitet der Autor seine eigene Kindheit auf. Als uneheliches Kind kommt der Protagonist Holl zu seinem Vater. Die Mutter kann ihn nicht erhalten, obwohl sein Stiefvater nett zu ihm wäre. Er muss zum Großbauern, dem leiblichen Vater. Der benützt ihn aber als billige Arbeitskraft. Nicht nur das Schicksal des Kindes wird beschrieben, auch die Zustände auf einem Bauernhof Mitte des 20. Jahrhunderts. Der 6-jährige hat Angst vor den Tieren und die ihm angeordnete Arbeit ist ihm eigentlich zu schwer. Nicht nur, dass er von seinem Vater schlechter behandelt wird als seine Halbbrüder, die ehelichen Kinder des Vaters, muss er sich für Prügel noch bedanken. Elf Jahre arbeitet er als Hilfsarbeiter am Bauernhof. Oft darf er nicht in die Schule gehen, weil er arbeiten muss. War er als Kind oft nahe daran sein Leben zu beenden, weil es so elend war, bekam er mit zunehmendem Alter mehr Selbstbewusstsein und widersprach seinem Vater und der Stiefmutter bis er sich letztlich mit 17 Jahren lossagt und eine Lehre als Schmied annimmt. Eine neue Welt öffnet sich für ihn. Man erlebt durch dieses Kind aber auch das Leben am Bauernhof. Welchen Status wer hatte. Dass Knechte und Mägde wie Sklaven behandelt wurden. Als aber ein neuer Knecht als Arbeiter an den Hof kommt, der bei der Gewerkschaft war, gab es mehr Widerstand und Arbeitsbedingungen werden verbessert. Dies brachte auch das Kind Holl aus der Tretmühle des Sklaventums zur Selbstständigkeit. Dieses Buch ist nicht nur ein Roman, sondern auch ein Zeitdokument. |
ELSNER, Wolfram Das chinesische Jahrhundert. Die neue Nummer eins ist anders Buch 2020. @book{ELSNER2020, title = {Das chinesische Jahrhundert. Die neue Nummer eins ist anders}, author = {Wolfram ELSNER}, year = {2020}, date = {2020-11-30}, abstract = {ELSNER, Wolfram: „Das chinesische Jahrhundert. Die neue Nummer eins ist anders“, Frankfurt 2020 Gleich in der Einleitung macht der Autor klar, dass er lange kein Interesse an China hatte und auch sehr skeptisch war. „Noch vor etwa 15 Jahren hätte ich keinen Cent auf Chinas Zukunft gewettet.“ (Seite 13) So wie er sich langsam an dieses Thema annäherte und aus westlicher Sicht fast ausschließlich negativen Statement begegnete, führt er den Leser des Buches heran. Er stellte bewusst die negativen Schlagzeilen der europäischen und amerikanischen Zeitungen als Titel einzelnen Abschnitten voran, um diese dann mit Fakten und Zahlen zu hinterlegen. Dabei habe ich viel gelernt, obwohl ich glaubte vieles über China zu wissen, war ich doch in den letzten Jahrzehnten jedes Jahr ein oder mehrmals dort. Bei jedem meiner Besuche hatte ich zwar schon den Eindruck, dass sich vieles geändert hatte. Dass nach einem halben Jahr schon wieder einige neue Hochhäuser standen und der Bau der Metro in „meiner“ Stadt Wuhan in wenigen Jahren durchgezogen wurde. Ein Wiener Studienkollege, der bei den Wiener Stadtbetrieben arbeitet meinte „Da brauchen wir in Europa länger für die Planung, als dort für die Umsetzung des Projekts.“ Aber all meine Eindrücke waren gefühlsmäßig. Dieses Buch untermauerte dieses, mein Gefühl mit Fakten. Auch habe ich daraus gelernt, dass man mit eigenen Erfahrungen, die einige Zeit zurückliegen, vorsichtig sein muss. Sie sind überholt. Wenn Jemand vor Jahren in China war, der glaubt oft, China zu kennen und erzählt seine Erfahrungen weiter. Diese Erfahrungen sind aber meist schon lange überholt und China schaut nach 3 oder 5 Jahren anders aus. Wir westlichen Menschen können uns eine so schnelle Veränderung gar nicht vorstellen. Deswegen empfehle ich dieses Buch und möchte einige Erkenntnis exemplarisch wiedergeben. Es sind durchwegs Fakten. Dies ist auch deswegen wichtig, weil westliche Journalisten generell nur an negativen Meldungen interessiert sind und demnach auch über China (fast) nur Negatives berichten. Das ist schade, weil wir Europäer dadurch wenig über die wirklichen Veränderungen erfahren. Auch ist die Betrachtungsweise aus westlicher Sicht immer so, dass ein Abgleich der Kulturen stattfindet und sich die im Osten denen im Westen angleichen sollen. Aber welche Kultur ist besser? Der Autor bringt sehr sachlich die Situation der Uiguren und Tibeter und damit eine andere Sichtweise als die meisten europäischen und amerikanischen Medien. Aber auch keine propagandistische der Chinesen. Und jetzt einige Fakten, die ich bisher vermisste: • 2017 wurden 1000 Kohlekraftwerke geschlossen. • In 4 Jahren wurden 150 Kohlekraftwerke stillgelegt und durch Gas- und Solarenergie ersetzt. • 400.000 Elektrobusse waren 2019 in Betrieb. • 2017 waren weltweit mehr als die Hälfte der E-Autos in China zugelassen. In großen Städten werden keine Autos mit Verbrennungsmotoren zugelassen. In 2 Jahren wurde 1 Million Diesel-LKWs aus dem Verkehr gezogen. Ab 2050 soll es keine Autos mit Verbrennungsmotoren mehr geben. • 200 – 300 Millionen E-Bikes und 4 Millionen Low-Speed-Elektrofahrzeuge. • China arbeitet an batteriefreien E-Mobilitätskonzepten. Z.B. Induktionsstrom in der Fahrbahn aus Solarenergie. • Stahlkapazität im Umfang von 65 Millionen Tonnen wurde zurückgenommen. • Städte sind fast durchgehend mit WLAN versorgt. 92% aller Einkäufe werden mit dem Mobiltelefon getätigt. • Humanressourcen in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften mit 4,7 Millionen Absolventen (USA 600.000). • Zu den Schulden des chinesischen Staates: diese sind durch eigene Bankeinlagen gedeckt. Chinas Zentralbank ist um 50% geringer verschuldet als alle westlichen Industrieländer. Chinesen sparen 45% ihres Arbeitseinkommens. China verschuldet sich bei den eigenen Banken mit eigener chinesischer Währung. China hat keine nennenswerten Schulden bei der Weltbank und IWF. • Ist China verlässlicher Handelspartner? Das Forsa-Institut hat dazu 2019 2000 Führungskräfte befragt, die China verlässlicher als die USA oder Großbritannien einstuften. • Zwischen 2013 und 2016 wurden 13 Millionen nachhaltige, neue Arbeitsplätze geschaffen • Die Chinesen kopieren den Westen? Dazu die Firma Bosch: aus den chinesischen Niederlassungen bekommen wir mehr Innovationen als aus europäischen. • Steuern sind niedrig: 1300 Euro Monatseinkommen = 3%; Spitzensteuersatz ab 14.000 Euro pro Monat = 28%. Steuereinnahmen über Körperschaftssteuern der Unternehmen sind höher als Lohn- und Einkommenssteuereinnahmen. • 2050 = kohlenstofffreie Wirtschaft. 2020 = weltgrößter Erzeuger erneuerbarer Energie. 2022 40% der weltweiten sauberen Energie (WEF). Pariser Klimaziele für 2020 wurden bereits 2017 erreicht. • China ist das streikfreudigste Land der Welt. Streiks zu verschiedensten Themen: Einkommen, Lebensbedingungen, fehlende Innovation in einem Betrieb, etc. • 60% der Bevölkerung soll zukünftig in Städten wohnen. Eine Dezentralisierung von Behörden hat begonnen. • Aufforstung: 4 Millionen Hektar Wald neu pro Jahr. • Erste Null Energie Häuser aus dem 3D Drucker aus recycelten und natürlichen Materialien. • 30 Kategorien von Inhalten sind offiziell im chinesischen Netz verboten. Darunter Pornografie, Gewaltverherrlichung, Kriegsspiele, Rassismus, Nationalismus. Google, Facebook u.a. wurden gesperrt, weil sie diese Verbote nicht umsetzen konnten. Auf Grund der unterschiedlichen Kultur sind auch die Zugänge zu Problemlösungen unterschiedlich. In China wird etwas Neues einmal ohne Regulierung gestartet und dann mit praktischen Erfahrungen reguliert. Im Westen wird vorab reguliert. Generell hat sich die Zensur verändert. Internetplattformen sind voll mit Kritik, die dann von den Behörden aufgearbeitet wird. Im letzten Kapitel versucht der Autor Schlüsse zu ziehen. Warum gelang es in nur 35 Jahren (1978- 2012) China von einem Entwicklungsland zu einer führenden Industrienation zu werden? Was ist China? Kommunismus? Kapitalismus? Diktatur? Sozialistische Marktwirtschaft? Marktwirtschaftlicher Sozialismus? Chinesische Kapitalisten unterliegen den Vorgaben der Politik. Sie müssen sich den nationalen Entwicklungszielen unterordnen. Obwohl die größten und strategisch wichtigsten Unternehmen staatlich sind, werden KMUs wegen ihrer Innovationsfähigkeit gefördert. „Die politischen Vorgaben für die Märkte sind es, die die Märkte in China flexibel, innovativ, funktionsfähig und nützlich machen…“ (Seite 310) Zur Frage der Diktatur meint der Autor, dass „die chinesische Gesellschaft auf Netzwerk-Strukturen beruht, von der Familie über den Clan, die Dorfgemeinschaft, das persönliche berufliche Netzwerk (Guanxi), die älteren arbeitsbezogenen Netzwerke (Shequ), und natürlich darüberliegend die digitalen sozialen Netzwerke, und wie damit eine außergewöhnliche soziale Mobilisierung und politische Partizipation in einwohnerbezogenen, arbeitsplatzbezogenen, sozialpolitischen und eben auch allgemeinen politischen Fragen hervorgebracht und systematisch gefördert wurde.“ (Seite 311) Das Aufrechterhalten der Todesstrafe wird noch mit der konfuzianischen Ethik begründet: „Ein Mörder muss seine Tat mit dem eigenen Leben bezahlen.“ Generell wurde mit dem neuen Punktesystem ein Bestrafungs- und durch Gutpunkteerwerbung Wiedergutmachungssystem eingeführten. Wie kann es weitergehen? Man ist sich bewusst, dass eine Konsumökologie westlichen Stils mit 1,3 Milliarden Menschen nicht möglich ist. Unsere Erde würde das nicht aushalten. Xi Jinping beantwortet das selbst: „Wir wollen kein luxuriöses, verschwenderisches Leben. Wir wollen ein gutes Leben für alle.“ Dem Buchtitel entsprechend endet das letzte Kapitel mit der Definition „Peking muss lernen, in einer Zeit zu führen, in der die USA konfus und paranoid sind. Dazu mag gehören, Angriffe von einigen US-Politikern zu tolerieren, während man heimische Reformen durchführt und den Klimaschutz vorantreibt.“ (Seite 335) Ich habe schon lange kein Buch mehr mit so vielen Innovationen und Ideen gelesen. Dabei waren es keine Zukunftsabsichten, sondern Fakten über das Land China. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } ELSNER, Wolfram: „Das chinesische Jahrhundert. Die neue Nummer eins ist anders“, Frankfurt 2020 Gleich in der Einleitung macht der Autor klar, dass er lange kein Interesse an China hatte und auch sehr skeptisch war. „Noch vor etwa 15 Jahren hätte ich keinen Cent auf Chinas Zukunft gewettet.“ (Seite 13) So wie er sich langsam an dieses Thema annäherte und aus westlicher Sicht fast ausschließlich negativen Statement begegnete, führt er den Leser des Buches heran. Er stellte bewusst die negativen Schlagzeilen der europäischen und amerikanischen Zeitungen als Titel einzelnen Abschnitten voran, um diese dann mit Fakten und Zahlen zu hinterlegen. Dabei habe ich viel gelernt, obwohl ich glaubte vieles über China zu wissen, war ich doch in den letzten Jahrzehnten jedes Jahr ein oder mehrmals dort. Bei jedem meiner Besuche hatte ich zwar schon den Eindruck, dass sich vieles geändert hatte. Dass nach einem halben Jahr schon wieder einige neue Hochhäuser standen und der Bau der Metro in „meiner“ Stadt Wuhan in wenigen Jahren durchgezogen wurde. Ein Wiener Studienkollege, der bei den Wiener Stadtbetrieben arbeitet meinte „Da brauchen wir in Europa länger für die Planung, als dort für die Umsetzung des Projekts.“ Aber all meine Eindrücke waren gefühlsmäßig. Dieses Buch untermauerte dieses, mein Gefühl mit Fakten. Auch habe ich daraus gelernt, dass man mit eigenen Erfahrungen, die einige Zeit zurückliegen, vorsichtig sein muss. Sie sind überholt. Wenn Jemand vor Jahren in China war, der glaubt oft, China zu kennen und erzählt seine Erfahrungen weiter. Diese Erfahrungen sind aber meist schon lange überholt und China schaut nach 3 oder 5 Jahren anders aus. Wir westlichen Menschen können uns eine so schnelle Veränderung gar nicht vorstellen. Deswegen empfehle ich dieses Buch und möchte einige Erkenntnis exemplarisch wiedergeben. Es sind durchwegs Fakten. Dies ist auch deswegen wichtig, weil westliche Journalisten generell nur an negativen Meldungen interessiert sind und demnach auch über China (fast) nur Negatives berichten. Das ist schade, weil wir Europäer dadurch wenig über die wirklichen Veränderungen erfahren. Auch ist die Betrachtungsweise aus westlicher Sicht immer so, dass ein Abgleich der Kulturen stattfindet und sich die im Osten denen im Westen angleichen sollen. Aber welche Kultur ist besser? Der Autor bringt sehr sachlich die Situation der Uiguren und Tibeter und damit eine andere Sichtweise als die meisten europäischen und amerikanischen Medien. Aber auch keine propagandistische der Chinesen. Und jetzt einige Fakten, die ich bisher vermisste: • 2017 wurden 1000 Kohlekraftwerke geschlossen. • In 4 Jahren wurden 150 Kohlekraftwerke stillgelegt und durch Gas- und Solarenergie ersetzt. • 400.000 Elektrobusse waren 2019 in Betrieb. • 2017 waren weltweit mehr als die Hälfte der E-Autos in China zugelassen. In großen Städten werden keine Autos mit Verbrennungsmotoren zugelassen. In 2 Jahren wurde 1 Million Diesel-LKWs aus dem Verkehr gezogen. Ab 2050 soll es keine Autos mit Verbrennungsmotoren mehr geben. • 200 – 300 Millionen E-Bikes und 4 Millionen Low-Speed-Elektrofahrzeuge. • China arbeitet an batteriefreien E-Mobilitätskonzepten. Z.B. Induktionsstrom in der Fahrbahn aus Solarenergie. • Stahlkapazität im Umfang von 65 Millionen Tonnen wurde zurückgenommen. • Städte sind fast durchgehend mit WLAN versorgt. 92% aller Einkäufe werden mit dem Mobiltelefon getätigt. • Humanressourcen in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften mit 4,7 Millionen Absolventen (USA 600.000). • Zu den Schulden des chinesischen Staates: diese sind durch eigene Bankeinlagen gedeckt. Chinas Zentralbank ist um 50% geringer verschuldet als alle westlichen Industrieländer. Chinesen sparen 45% ihres Arbeitseinkommens. China verschuldet sich bei den eigenen Banken mit eigener chinesischer Währung. China hat keine nennenswerten Schulden bei der Weltbank und IWF. • Ist China verlässlicher Handelspartner? Das Forsa-Institut hat dazu 2019 2000 Führungskräfte befragt, die China verlässlicher als die USA oder Großbritannien einstuften. • Zwischen 2013 und 2016 wurden 13 Millionen nachhaltige, neue Arbeitsplätze geschaffen • Die Chinesen kopieren den Westen? Dazu die Firma Bosch: aus den chinesischen Niederlassungen bekommen wir mehr Innovationen als aus europäischen. • Steuern sind niedrig: 1300 Euro Monatseinkommen = 3%; Spitzensteuersatz ab 14.000 Euro pro Monat = 28%. Steuereinnahmen über Körperschaftssteuern der Unternehmen sind höher als Lohn- und Einkommenssteuereinnahmen. • 2050 = kohlenstofffreie Wirtschaft. 2020 = weltgrößter Erzeuger erneuerbarer Energie. 2022 40% der weltweiten sauberen Energie (WEF). Pariser Klimaziele für 2020 wurden bereits 2017 erreicht. • China ist das streikfreudigste Land der Welt. Streiks zu verschiedensten Themen: Einkommen, Lebensbedingungen, fehlende Innovation in einem Betrieb, etc. • 60% der Bevölkerung soll zukünftig in Städten wohnen. Eine Dezentralisierung von Behörden hat begonnen. • Aufforstung: 4 Millionen Hektar Wald neu pro Jahr. • Erste Null Energie Häuser aus dem 3D Drucker aus recycelten und natürlichen Materialien. • 30 Kategorien von Inhalten sind offiziell im chinesischen Netz verboten. Darunter Pornografie, Gewaltverherrlichung, Kriegsspiele, Rassismus, Nationalismus. Google, Facebook u.a. wurden gesperrt, weil sie diese Verbote nicht umsetzen konnten. Auf Grund der unterschiedlichen Kultur sind auch die Zugänge zu Problemlösungen unterschiedlich. In China wird etwas Neues einmal ohne Regulierung gestartet und dann mit praktischen Erfahrungen reguliert. Im Westen wird vorab reguliert. Generell hat sich die Zensur verändert. Internetplattformen sind voll mit Kritik, die dann von den Behörden aufgearbeitet wird. Im letzten Kapitel versucht der Autor Schlüsse zu ziehen. Warum gelang es in nur 35 Jahren (1978- 2012) China von einem Entwicklungsland zu einer führenden Industrienation zu werden? Was ist China? Kommunismus? Kapitalismus? Diktatur? Sozialistische Marktwirtschaft? Marktwirtschaftlicher Sozialismus? Chinesische Kapitalisten unterliegen den Vorgaben der Politik. Sie müssen sich den nationalen Entwicklungszielen unterordnen. Obwohl die größten und strategisch wichtigsten Unternehmen staatlich sind, werden KMUs wegen ihrer Innovationsfähigkeit gefördert. „Die politischen Vorgaben für die Märkte sind es, die die Märkte in China flexibel, innovativ, funktionsfähig und nützlich machen…“ (Seite 310) Zur Frage der Diktatur meint der Autor, dass „die chinesische Gesellschaft auf Netzwerk-Strukturen beruht, von der Familie über den Clan, die Dorfgemeinschaft, das persönliche berufliche Netzwerk (Guanxi), die älteren arbeitsbezogenen Netzwerke (Shequ), und natürlich darüberliegend die digitalen sozialen Netzwerke, und wie damit eine außergewöhnliche soziale Mobilisierung und politische Partizipation in einwohnerbezogenen, arbeitsplatzbezogenen, sozialpolitischen und eben auch allgemeinen politischen Fragen hervorgebracht und systematisch gefördert wurde.“ (Seite 311) Das Aufrechterhalten der Todesstrafe wird noch mit der konfuzianischen Ethik begründet: „Ein Mörder muss seine Tat mit dem eigenen Leben bezahlen.“ Generell wurde mit dem neuen Punktesystem ein Bestrafungs- und durch Gutpunkteerwerbung Wiedergutmachungssystem eingeführten. Wie kann es weitergehen? Man ist sich bewusst, dass eine Konsumökologie westlichen Stils mit 1,3 Milliarden Menschen nicht möglich ist. Unsere Erde würde das nicht aushalten. Xi Jinping beantwortet das selbst: „Wir wollen kein luxuriöses, verschwenderisches Leben. Wir wollen ein gutes Leben für alle.“ Dem Buchtitel entsprechend endet das letzte Kapitel mit der Definition „Peking muss lernen, in einer Zeit zu führen, in der die USA konfus und paranoid sind. Dazu mag gehören, Angriffe von einigen US-Politikern zu tolerieren, während man heimische Reformen durchführt und den Klimaschutz vorantreibt.“ (Seite 335) Ich habe schon lange kein Buch mehr mit so vielen Innovationen und Ideen gelesen. Dabei waren es keine Zukunftsabsichten, sondern Fakten über das Land China. |
KASPER Walter; AUGUSTIN, George (Hg) (Hrsg.) 2020. @book{KASPER2020, title = {Christsein und die Corona-Krise. Das Leben bezeugen in einer sterblichen Welt. Mit einem Geleitwort von Papst Franziskus}, editor = {KASPER, Walter; AUGUSTIN, George (Hg)}, year = {2020}, date = {2020-11-22}, abstract = {KASPER, Walter; AUGUSTIN, George (Hg): „Christsein und die Corona-Krise. Das Leben bezeugen in einer sterblichen Welt. Mit einem Geleitwort von Papst Franziskus“, Ostfildern 2020 Corona. Da müssen sich alle zu Wort melden und ihre Meinung wiedergeben. Auch Theologen. Hier eine christliche Gruppe. Gott sei Dank nicht zu konservativ. Keine Verschwörungstheorien und Gottesstrafdrohungen. Sachliche Darstellungen, die teilweise auch in anderen Fachbereichen und Wissenschaften verwendet werden könnten. Manche der Autoren nützen die Pandemie um auf die katholischen Messages hinzuweisen und diese durch Corona zu verstärken. Interessant einer – Mark-David Janus aus New York -, der selbst erkrankt war und seine Eindrücke schildert, wie er es erlebt hat. Davon erfährt man ja wenig. Die Regierungen vermitteln uns nur täglich Daten von Verstorbenen, Erkrankten und Hospitalisierten. Wie das aber für den Einzelnen aussieht erfährt man selten. Ich denke, das wäre auch das Effizientere. Wir sind alle Individuen. Und wie wir etwas erleben können, das ist wichtiger als Zahlen, zu denen ohnehin der Bezug fehlt. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } KASPER, Walter; AUGUSTIN, George (Hg): „Christsein und die Corona-Krise. Das Leben bezeugen in einer sterblichen Welt. Mit einem Geleitwort von Papst Franziskus“, Ostfildern 2020 Corona. Da müssen sich alle zu Wort melden und ihre Meinung wiedergeben. Auch Theologen. Hier eine christliche Gruppe. Gott sei Dank nicht zu konservativ. Keine Verschwörungstheorien und Gottesstrafdrohungen. Sachliche Darstellungen, die teilweise auch in anderen Fachbereichen und Wissenschaften verwendet werden könnten. Manche der Autoren nützen die Pandemie um auf die katholischen Messages hinzuweisen und diese durch Corona zu verstärken. Interessant einer – Mark-David Janus aus New York -, der selbst erkrankt war und seine Eindrücke schildert, wie er es erlebt hat. Davon erfährt man ja wenig. Die Regierungen vermitteln uns nur täglich Daten von Verstorbenen, Erkrankten und Hospitalisierten. Wie das aber für den Einzelnen aussieht erfährt man selten. Ich denke, das wäre auch das Effizientere. Wir sind alle Individuen. Und wie wir etwas erleben können, das ist wichtiger als Zahlen, zu denen ohnehin der Bezug fehlt. |
TURRINI, Peter C´est la vie. Ein Lebens-Lauf Buch 2020. @book{TURRINI2020d, title = {C´est la vie. Ein Lebens-Lauf}, author = {Peter TURRINI}, year = {2020}, date = {2020-11-20}, abstract = {TURRINI, Peter: „C´est la vie. Ein Lebens-Lauf“, Wien 2014 Eine Autobiografie des Dichters Peter Turrini. Es wäre nicht Turrini, wenn dies nicht nur ein normaler Lebenslauf wäre. Die Lebensbeschreibung setzt sich aus verschiedensten Textsorten zusammen: Texten, Gedichten, Tagebucheintragungen, Briefen und Gesprächen. Dem Untertitel „Lebens-Lauf“ werden seine Tiefs und Hochs des Lebens gerecht. Turrinis Lebensgefährtin Silke Hassler definiert es so: „Ein Begriff, der durchaus mehrdeutig ist, denn es ist nicht nur der Lauf eines Lebens mit all seinen Höhen und Tiefen, es ist vor allem die Geschwindigkeit, der Höllenritt eines Künstlers zwischen Triumph und Niederlage, Euphorie und Depression, Demütigung und Glücklichsein.“ (Seite 173) Silke Hassler ist nicht nur die Lebensgefährtin und Geliebte Turrinis, sie ist auch eine ausgezeichnete Kennerin des Schriftstellers Turrini. Schon als Schülerin las sie unter der Schulbank Turrinis „Rozznjogd“. In einem Nachwort zum Buch gibt sie eine ebenso geniale Beschreibung des Lebens von Turrini – wenn auch auf andere Art – wieder. Sie legt ihren Schwerpunkt auf die verschiedenen Werke. Sie beschreibt seine Phasen als Dramatiker, Gedichteschreiber, Romanautor und Fernsehfilmautor. „Zehn Jahre lang machte Turrini Fernsehfilme, aber am Ende war er ein Resignierender. Er, der den Menschen schreckliche, aufrüttelnde, traurige und komische Geschichten erzählen wollte, landete mit diesen zwischen Wetternachrichten, Lkw-Staus und Werbung für Fischstäbchen. Die Fernbedienung, dieses Mordinstrument gegen alles Literarische, unterbrach seine Geschichten, zerstückelte sie. Keine Chronologie, keine Biographie, kein Anfang, kein Höhepunkt, kein Finale, war mehr möglich.“ (Seite 168) Reumütig kehrte er zum Theater zurück, weil er da zumindest für ein oder zwei Stunden das Publikum alleine hatte. Er meint auch „Das Schönste am Theater ist, dass man immer wieder alles neu erfinden kann. Am Theater kann man alles behaupten, es muss nur interessant weitergehen. … Im Theater ist alles möglich, besonders das Gegenteil. Es ist keine Ordnung zu bringen.“ (Seite 139) Turrini beschreibt sein Leben von der Geburt weg – deren Uhrzeit nicht gesichert ist – bis zu einem möglichen Tod. Normalerweise kann eine Autobiografie nicht den Tod des Beschriebenen enthalten, weil er sein Leben ja selbst schreibt. Turrini wendet aber den Trick an und beschreibt einen möglichen Tod. So werden die letzten Eindrücke vor dem Aus-der-Weltscheiden beschrieben: „Die einzige Frage, die mich jetzt noch beschäftigt, ist ob ich dem Anlass entsprechend angezogen bin. Ist der Anzug, den ich anhabe, nicht zu salopp für meinen nahenden Tod? Wirkt dieses Hemd nicht etwas zu sportlich? Soll ich die Schuhe ausziehen und ein eleganteres Paar anziehen? Soll ich mich vorher noch rasieren oder gehört das zum Service des Beerdigungsunternehmens? Soll ich vorher noch aufs Klo gehen?“ (Seite 154) Von Kindheitserzählungen, Jugendträumen, ersten Liebeserfahrungen und ersten dichterischen Erfahrungen, die durch einen Komponisten des Dorfes unterstützt wurden, wird ein bunter Bogen über Gelegenheitsarbeiten hin zum Theater gezogen. Die Beschreibung eines Lebens, die kein Anderer besser und origineller hätte schreiben können als er selbst. Man erfährt auch Neues und Privates über Turrini. Trotzdem warnt Silke Hassler den Leser am Schluss: „Aber verfallen sie nicht in den Irrtum, dem Dichter Peter Turrini alles über den Dichter Peter Turrini zu glauben. Seine Sätze sind nicht immer ganz wahr, mitunter übertrieben, oftmals dramatisch, aber eines sind sie ganz gewiss: Sie sind immer wahrhaftig!“ }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } TURRINI, Peter: „C´est la vie. Ein Lebens-Lauf“, Wien 2014 Eine Autobiografie des Dichters Peter Turrini. Es wäre nicht Turrini, wenn dies nicht nur ein normaler Lebenslauf wäre. Die Lebensbeschreibung setzt sich aus verschiedensten Textsorten zusammen: Texten, Gedichten, Tagebucheintragungen, Briefen und Gesprächen. Dem Untertitel „Lebens-Lauf“ werden seine Tiefs und Hochs des Lebens gerecht. Turrinis Lebensgefährtin Silke Hassler definiert es so: „Ein Begriff, der durchaus mehrdeutig ist, denn es ist nicht nur der Lauf eines Lebens mit all seinen Höhen und Tiefen, es ist vor allem die Geschwindigkeit, der Höllenritt eines Künstlers zwischen Triumph und Niederlage, Euphorie und Depression, Demütigung und Glücklichsein.“ (Seite 173) Silke Hassler ist nicht nur die Lebensgefährtin und Geliebte Turrinis, sie ist auch eine ausgezeichnete Kennerin des Schriftstellers Turrini. Schon als Schülerin las sie unter der Schulbank Turrinis „Rozznjogd“. In einem Nachwort zum Buch gibt sie eine ebenso geniale Beschreibung des Lebens von Turrini – wenn auch auf andere Art – wieder. Sie legt ihren Schwerpunkt auf die verschiedenen Werke. Sie beschreibt seine Phasen als Dramatiker, Gedichteschreiber, Romanautor und Fernsehfilmautor. „Zehn Jahre lang machte Turrini Fernsehfilme, aber am Ende war er ein Resignierender. Er, der den Menschen schreckliche, aufrüttelnde, traurige und komische Geschichten erzählen wollte, landete mit diesen zwischen Wetternachrichten, Lkw-Staus und Werbung für Fischstäbchen. Die Fernbedienung, dieses Mordinstrument gegen alles Literarische, unterbrach seine Geschichten, zerstückelte sie. Keine Chronologie, keine Biographie, kein Anfang, kein Höhepunkt, kein Finale, war mehr möglich.“ (Seite 168) Reumütig kehrte er zum Theater zurück, weil er da zumindest für ein oder zwei Stunden das Publikum alleine hatte. Er meint auch „Das Schönste am Theater ist, dass man immer wieder alles neu erfinden kann. Am Theater kann man alles behaupten, es muss nur interessant weitergehen. … Im Theater ist alles möglich, besonders das Gegenteil. Es ist keine Ordnung zu bringen.“ (Seite 139) Turrini beschreibt sein Leben von der Geburt weg – deren Uhrzeit nicht gesichert ist – bis zu einem möglichen Tod. Normalerweise kann eine Autobiografie nicht den Tod des Beschriebenen enthalten, weil er sein Leben ja selbst schreibt. Turrini wendet aber den Trick an und beschreibt einen möglichen Tod. So werden die letzten Eindrücke vor dem Aus-der-Weltscheiden beschrieben: „Die einzige Frage, die mich jetzt noch beschäftigt, ist ob ich dem Anlass entsprechend angezogen bin. Ist der Anzug, den ich anhabe, nicht zu salopp für meinen nahenden Tod? Wirkt dieses Hemd nicht etwas zu sportlich? Soll ich die Schuhe ausziehen und ein eleganteres Paar anziehen? Soll ich mich vorher noch rasieren oder gehört das zum Service des Beerdigungsunternehmens? Soll ich vorher noch aufs Klo gehen?“ (Seite 154) Von Kindheitserzählungen, Jugendträumen, ersten Liebeserfahrungen und ersten dichterischen Erfahrungen, die durch einen Komponisten des Dorfes unterstützt wurden, wird ein bunter Bogen über Gelegenheitsarbeiten hin zum Theater gezogen. Die Beschreibung eines Lebens, die kein Anderer besser und origineller hätte schreiben können als er selbst. Man erfährt auch Neues und Privates über Turrini. Trotzdem warnt Silke Hassler den Leser am Schluss: „Aber verfallen sie nicht in den Irrtum, dem Dichter Peter Turrini alles über den Dichter Peter Turrini zu glauben. Seine Sätze sind nicht immer ganz wahr, mitunter übertrieben, oftmals dramatisch, aber eines sind sie ganz gewiss: Sie sind immer wahrhaftig!“ |
THALLER Heribert; KOLLER, Sepp 2020. @book{THALLER2020, title = {Land und Leute. Eine zeitgeschichtliche Photodokumentation über die Gemeinden Großsölk, Kleinsölk und St. Nikolai}, author = {THALLER, Heribert; KOLLER, Sepp}, year = {2020}, date = {2020-11-19}, abstract = {THALLER, Heribert; KOLLER, Sepp: „Land und Leute. Eine zeitgeschichtliche Photodokumentation über die Gemeinden Großsölk, Kleinsölk und St. Nikolai“, Schladming 2003 Eine sehr gute Dokumentation über dieses Tauerntal, das erst sehr spät erschlossen wurde. Ein sehr gutes Geschichtsdokument über die Art, wie die Leute dort lebten und heute leben. Die beiden Autoren haben viel Arbeit im Zusammentragen der vielen Fotografien investiert. Sachlich wurden sie gegliedert nach den Gemeindeteilen Stein an der Enns, Großsölk, Kleinsölk und Sankt Nikolai. In den einzelnen Kapiteln wurde die Forstwirtschaft, der Bauernstand, die Jagd und Fischerei, das Handwerk, das Gewerbe und der Handel und Katastrophen abgehandelt und schön mit Bildern illustriert. Es zeigt auch, dass die Bevölkerung der Sölktäler bereitwillig mitgearbeitet hat und Material zur Verfügung gestellt hat. So entstand dieses schöne Zeitdokument, wo ich auch viele Ahnen und Verwandte finden konnte, ist doch mein Vater 1919 in der Sölk geboren. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } THALLER, Heribert; KOLLER, Sepp: „Land und Leute. Eine zeitgeschichtliche Photodokumentation über die Gemeinden Großsölk, Kleinsölk und St. Nikolai“, Schladming 2003 Eine sehr gute Dokumentation über dieses Tauerntal, das erst sehr spät erschlossen wurde. Ein sehr gutes Geschichtsdokument über die Art, wie die Leute dort lebten und heute leben. Die beiden Autoren haben viel Arbeit im Zusammentragen der vielen Fotografien investiert. Sachlich wurden sie gegliedert nach den Gemeindeteilen Stein an der Enns, Großsölk, Kleinsölk und Sankt Nikolai. In den einzelnen Kapiteln wurde die Forstwirtschaft, der Bauernstand, die Jagd und Fischerei, das Handwerk, das Gewerbe und der Handel und Katastrophen abgehandelt und schön mit Bildern illustriert. Es zeigt auch, dass die Bevölkerung der Sölktäler bereitwillig mitgearbeitet hat und Material zur Verfügung gestellt hat. So entstand dieses schöne Zeitdokument, wo ich auch viele Ahnen und Verwandte finden konnte, ist doch mein Vater 1919 in der Sölk geboren. |
SCHOLL, Inge Die weiße Rose Buch 2020. @book{SCHOLL2020, title = {Die weiße Rose}, author = {Inge SCHOLL}, year = {2020}, date = {2020-11-18}, abstract = {SCHOLL, Inge: „Die weiße Rose“, Frankfurt 2018 Eine Radiosendung („Im Gespräch“ auf Ö1, ORF) mit der Autorin des Buches motivierte mich es nochmals zu lesen. In der Mittelschule bekam ich es von einem Schulkollegen geschenkt. Es hat mich gewundert, dass er es mir schenkte. Wir hatten keine innige Freundschaft. Ich hatte es damals wie ein Abenteuerbuch gelesen. Heute beim „Wiederlesen“ hat es einen gänzlich anderen Eindruck hinterlassen. Eine Gruppe Münchner Studierender baute die Aktion „Weiße Rose“ zum Widerstand gegen die Diktatur Hitlers auf. Sie produzierten Flugblätter und beschrieben Wände mit Parolen gegen das Regime. Sie bezahlten ihre Aktionen mit dem Leben. Inge Scholl, die Schwester zweier Hingerichteter erzählt in diesem Buch den Hergang des Geschehens und die Beweggründe des Engagements ihrer Geschwister. Interessant auch die dem Buch im Anhang beigegebenen Augenzeugenberichte: der Gefängnispfarrer, der sie vor der Hinrichtung noch sprach, ein Verhörbeamter, der mit Hochachtung von den tapferen jungen Menschen spricht, ein Gerichtsreferent, der Verteidigungsanwalt, ein Zellengenosse, ein Kriminalobersekretär der Gestapo (Vernehmungsbeamter) und Freunde der Hingerichteten. Jetzt, wo ich es mit mehr Verständnis gelesen habe, wurde mir auch klar, warum mir mein Klassenkamerad das Buch geschenkt hat. Sein Vater war ein politischer Gefangener aus Griechenland. Er war im Gefängnis Stein eingekerkert. Als die Sowjetarmee näher rückte, wurden im Gefängnis die Sträflinge erschossen. Sie mussten sich am Rand einer ausgehobenen Grube aufstellen und wurden dann so erschossen, dass sie gleich in die Grube fielen. Als der Vater meines Schulkollegen das registrierte, ließ er sich – noch bevor die Maschinengewehrsalve ihn erreichte, in die Grube fallen. Dort lag er dann zwischen Toten. In der Nacht schlich er sich heraus und ging in seiner Sträflingskleidung in die Stadt. Bei einem Haus klopfte er an. Man nahm ihn auf und versteckte ihn. Die Tochter heiratete ihn nach dem Krieg und der Sohn war mein Schulkollege. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } SCHOLL, Inge: „Die weiße Rose“, Frankfurt 2018 Eine Radiosendung („Im Gespräch“ auf Ö1, ORF) mit der Autorin des Buches motivierte mich es nochmals zu lesen. In der Mittelschule bekam ich es von einem Schulkollegen geschenkt. Es hat mich gewundert, dass er es mir schenkte. Wir hatten keine innige Freundschaft. Ich hatte es damals wie ein Abenteuerbuch gelesen. Heute beim „Wiederlesen“ hat es einen gänzlich anderen Eindruck hinterlassen. Eine Gruppe Münchner Studierender baute die Aktion „Weiße Rose“ zum Widerstand gegen die Diktatur Hitlers auf. Sie produzierten Flugblätter und beschrieben Wände mit Parolen gegen das Regime. Sie bezahlten ihre Aktionen mit dem Leben. Inge Scholl, die Schwester zweier Hingerichteter erzählt in diesem Buch den Hergang des Geschehens und die Beweggründe des Engagements ihrer Geschwister. Interessant auch die dem Buch im Anhang beigegebenen Augenzeugenberichte: der Gefängnispfarrer, der sie vor der Hinrichtung noch sprach, ein Verhörbeamter, der mit Hochachtung von den tapferen jungen Menschen spricht, ein Gerichtsreferent, der Verteidigungsanwalt, ein Zellengenosse, ein Kriminalobersekretär der Gestapo (Vernehmungsbeamter) und Freunde der Hingerichteten. Jetzt, wo ich es mit mehr Verständnis gelesen habe, wurde mir auch klar, warum mir mein Klassenkamerad das Buch geschenkt hat. Sein Vater war ein politischer Gefangener aus Griechenland. Er war im Gefängnis Stein eingekerkert. Als die Sowjetarmee näher rückte, wurden im Gefängnis die Sträflinge erschossen. Sie mussten sich am Rand einer ausgehobenen Grube aufstellen und wurden dann so erschossen, dass sie gleich in die Grube fielen. Als der Vater meines Schulkollegen das registrierte, ließ er sich – noch bevor die Maschinengewehrsalve ihn erreichte, in die Grube fallen. Dort lag er dann zwischen Toten. In der Nacht schlich er sich heraus und ging in seiner Sträflingskleidung in die Stadt. Bei einem Haus klopfte er an. Man nahm ihn auf und versteckte ihn. Die Tochter heiratete ihn nach dem Krieg und der Sohn war mein Schulkollege. |
Fang, Fang Wuhan Diary. Tagebuch aus einer gesperrten Stadt Buch 2020. @book{Fang2020, title = {Wuhan Diary. Tagebuch aus einer gesperrten Stadt}, author = {Fang Fang}, year = {2020}, date = {2020-11-15}, abstract = {FANG, Fang: „Wuhan Diary. Tagebuch aus einer gesperrten Stadt“, Hamburg 2020 Die chinesische Schriftstellerin Fang Fang wohnt in Wuhan und hat über die 76 Tage der Sperre der Stadt einen Blog betrieben, den es später auch als Buch gab. Ich habe die deutsche Version gelesen. Das Tagebuch beginnt mit 25. Jänner 2020, also zwei Tage nachdem Wuhan von der Außenwelt abgeriegelt wurde. Obwohl ich durch meine Freunde aus Wuhan laufend informiert wurde, habe ich hier wieder Neues erfahren. Gleich zu Beginn zeigt sie auf, dass durch so eine Aktion das Image einer Stadt national und international negativ beeinflusst wird. Wir in Österreich hatten dies mit dem Schi-Ort Ischgl, wo sich viele beim Apres Ski infiziert hatten und den Virus dann weiterverbreitet hatten. Die Absperrung „hat zur Folge, dass sich das Augenmerk des ganzen Landes auf Wuhan richtet, dass die Stadt abgeriegelt ist und dass Menschen aus Wuhan überall auf Zurückweisungen stoßen.“ (Seite 17) Zu Beginn gab es dieselben Probleme, wie später in anderen Ländern: es gab zu wenig Masken; man unterschätzte die Gefahr; Mediziner waren überfordert; Spitäler überfüllt… ABER: „Ich habe das Gefühl, dass die Not uns zusammenschweißt. … Die Generation der in den Achtzigern Geborenen hat es weiß Gott nicht leicht.“ (Seite 27) Die Jungen waren es, die in Freiwilligengruppen die Versorgung der weggesperrten Haushalte versorgte. Fang erzählt auch viele sehr einfache Dinge, wie etwa, dass ihre Tochter alleine wohnt, aber nicht kochen kann. Sie ging immer auswärts Essen oder ließ sich einladen. Jetzt stand sie vor der Situation selbst zu kochen. „Kurz darauf ruft sie an, um sich von mir Rat zu holen, wie man Chinakohl zubereitet. Meine Tochter hat noch nie am Herd gestanden. … Dass sie jetzt ihre Küche in Betrieb setzt, muss als Fortschritt gelten, man könnte das als einen unerwarteten Ertrag der Situation verbuchen.“ (Seite 30) Erstaunlich, dass sie auch die politische Führung der Provinz kritisiert und deren Fehlinformationen aufzeigt. Andererseits ist sie auch staatsloyal: „Egal wie viele Versäumnisse sich die Regierung zu Beginn hat zuschulden kommen lassen, momentan können wir nichts anderes tun, als ihr zu glauben. Wir sollten zumindest versuchen, ihr Vertrauen zu schenken. Wem sollte man denn sonst in diesen Zeiten vertrauen? Auf wen können wir uns noch stützten?“ (Seite 53) Beim Lesen lernt man auch, dass es nicht nur das diktatorische Verhalten der Regierung ist, sondern, dass auch die Chinesen selbst sehr diszipliniert mit der Situation umgingen und wirklich zu Hause blieben. „Noch immer predige ich Tag für Tag Verwandten und Freunden: nicht vor die Tür gehen, nicht vor die Tür gehen. Nach so vielen Tagen, die wir in unsere vier Wände eingesperrt sind, kommt es auf ein paar Tage auch nicht mehr an. Eintöniges Essen, und wenn schon! Nach dem Ende der Epidemie schlemmen wir uns durch all die Restaurants, von denen wir jetzt träumen. Für uns das Vergnügen, für die Restaurants das Geld.“ (Seite 57) Als der Arzt, der die Krankheit schon vorhergesagt hatte und bestraft wurde, weil er diese Information publik gemacht hatte, starb (er hatte sich bei seiner Arbeit im Krankenhaus angesteckt), gab es eine Aktion, bei der die Einwohner der Stadt alle Lichter ausgeschalten haben und mit Taschenlampen oder Smartphones einen Lichtstrahl gegen den Himmel schickten; zur Erinnerung an den Verstorbenen. Interessant auch aus der Perspektive eines Haushalts zu erfahren, wie die Versorgung mit Lebensmitteln erfolgte; dass sich Gruppen von Freiwilligen bildeten, die dies organisierten. Die Chinesen – zumindest jene aus der Umgebung der Autorin – verhielten sich äußerst diszipliniert und taten keinen Schritt vor die Haustür. Nur deswegen war es möglich, dass das Virus in der Stadt besiegt werden konnte. Bei allen Fehlern, die zu Beginn gemacht wurden, hat man mit äußerster Disziplin die Stadt wieder in den ursprünglichen Zustand zurückgeführt. Davon könnten / sollten die westlichen Länder lernen. Aber das hat nicht (nur) mit der Qualität und Vorgangsweise der Regierungen zu tun, sondern auch mit der Einstellung und Disziplin ihrer Einwohner. Auch die Hilfe von außen: 16 chinesische Provinzen (von der Größe mit europäischen Ländern vergleichbar) haben das Patronat für verschiedene Bezirke der Stadt Wuhan übernommen und dies mit Lebensmitteln und Hilfestellungen versorgt. 40.000 medizinische Mitarbeiter kamen aus anderen Provinzen nach Wuhan zur Hilfeleistung. In Europa und der Europäischen UNION fehlte diese Nachbarschaftshilfe. Vom raschen Bau der Behelfskrankenhäuser wurde weltweit berichtet. Im Tagebuch von Frau Fang erfährt man, dass erstklassige Restaurants (die ja für das normale Publikum geschlossen waren) gekocht haben und viele Patienten besser gegessen haben als zu Hause oder sonst in ihrem Leben. Interessant aber auch, wie engagiert die Zivilgesellschaft agierte. Journalisten zeigten Fehler auf und berichteten teilweise kritisch. Das Buch war vor allem für den Westen von Interesse, weil sich die Leser Informationen über den Lock Down der Stadt Wuhan erwarteten. In China ist es nicht erschienen. Im Gegenteil: es gab viele Anfeindungen. Als ich es fertig gelesen hatte fragte ich mich „War es wert ein Buch zu sein?“ Es sind viele Wiederholungen, wie es eben bei Tagebucheintragungen ist. Viele unwichtige Dinge, die aber der Tagebuchschreiberin im Augenblick wichtig erschienen. Das Schreiben des Tagebuchs war im Zuge der Quarantäne auch ein psychologisch wichtiger Akt. So kam es eben zur unsystematischen Faktenwiedergabe. Je länger der Shutdown andauerte, umso länger wurden die Tagesberichte. Generell ist es kein faktenorientierter sachlicher Bericht über die Situation, sondern eine Eindrucksschilderung einer alleinlebenden Frau, die Informationen über das Internet und Telefon von Bekannten, Freunden und eigenen Internetrecherchen bekommt. Die Berichte sind einerseits sehr Regierungsfreundlich (immerhin war Frau Fang Vorsitzende des Schriftstellerverbands der Provinz Hubei), andererseits aber auch kritisch, wobei sich die Kritik auf Zurufe bezieht. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } FANG, Fang: „Wuhan Diary. Tagebuch aus einer gesperrten Stadt“, Hamburg 2020 Die chinesische Schriftstellerin Fang Fang wohnt in Wuhan und hat über die 76 Tage der Sperre der Stadt einen Blog betrieben, den es später auch als Buch gab. Ich habe die deutsche Version gelesen. Das Tagebuch beginnt mit 25. Jänner 2020, also zwei Tage nachdem Wuhan von der Außenwelt abgeriegelt wurde. Obwohl ich durch meine Freunde aus Wuhan laufend informiert wurde, habe ich hier wieder Neues erfahren. Gleich zu Beginn zeigt sie auf, dass durch so eine Aktion das Image einer Stadt national und international negativ beeinflusst wird. Wir in Österreich hatten dies mit dem Schi-Ort Ischgl, wo sich viele beim Apres Ski infiziert hatten und den Virus dann weiterverbreitet hatten. Die Absperrung „hat zur Folge, dass sich das Augenmerk des ganzen Landes auf Wuhan richtet, dass die Stadt abgeriegelt ist und dass Menschen aus Wuhan überall auf Zurückweisungen stoßen.“ (Seite 17) Zu Beginn gab es dieselben Probleme, wie später in anderen Ländern: es gab zu wenig Masken; man unterschätzte die Gefahr; Mediziner waren überfordert; Spitäler überfüllt… ABER: „Ich habe das Gefühl, dass die Not uns zusammenschweißt. … Die Generation der in den Achtzigern Geborenen hat es weiß Gott nicht leicht.“ (Seite 27) Die Jungen waren es, die in Freiwilligengruppen die Versorgung der weggesperrten Haushalte versorgte. Fang erzählt auch viele sehr einfache Dinge, wie etwa, dass ihre Tochter alleine wohnt, aber nicht kochen kann. Sie ging immer auswärts Essen oder ließ sich einladen. Jetzt stand sie vor der Situation selbst zu kochen. „Kurz darauf ruft sie an, um sich von mir Rat zu holen, wie man Chinakohl zubereitet. Meine Tochter hat noch nie am Herd gestanden. … Dass sie jetzt ihre Küche in Betrieb setzt, muss als Fortschritt gelten, man könnte das als einen unerwarteten Ertrag der Situation verbuchen.“ (Seite 30) Erstaunlich, dass sie auch die politische Führung der Provinz kritisiert und deren Fehlinformationen aufzeigt. Andererseits ist sie auch staatsloyal: „Egal wie viele Versäumnisse sich die Regierung zu Beginn hat zuschulden kommen lassen, momentan können wir nichts anderes tun, als ihr zu glauben. Wir sollten zumindest versuchen, ihr Vertrauen zu schenken. Wem sollte man denn sonst in diesen Zeiten vertrauen? Auf wen können wir uns noch stützten?“ (Seite 53) Beim Lesen lernt man auch, dass es nicht nur das diktatorische Verhalten der Regierung ist, sondern, dass auch die Chinesen selbst sehr diszipliniert mit der Situation umgingen und wirklich zu Hause blieben. „Noch immer predige ich Tag für Tag Verwandten und Freunden: nicht vor die Tür gehen, nicht vor die Tür gehen. Nach so vielen Tagen, die wir in unsere vier Wände eingesperrt sind, kommt es auf ein paar Tage auch nicht mehr an. Eintöniges Essen, und wenn schon! Nach dem Ende der Epidemie schlemmen wir uns durch all die Restaurants, von denen wir jetzt träumen. Für uns das Vergnügen, für die Restaurants das Geld.“ (Seite 57) Als der Arzt, der die Krankheit schon vorhergesagt hatte und bestraft wurde, weil er diese Information publik gemacht hatte, starb (er hatte sich bei seiner Arbeit im Krankenhaus angesteckt), gab es eine Aktion, bei der die Einwohner der Stadt alle Lichter ausgeschalten haben und mit Taschenlampen oder Smartphones einen Lichtstrahl gegen den Himmel schickten; zur Erinnerung an den Verstorbenen. Interessant auch aus der Perspektive eines Haushalts zu erfahren, wie die Versorgung mit Lebensmitteln erfolgte; dass sich Gruppen von Freiwilligen bildeten, die dies organisierten. Die Chinesen – zumindest jene aus der Umgebung der Autorin – verhielten sich äußerst diszipliniert und taten keinen Schritt vor die Haustür. Nur deswegen war es möglich, dass das Virus in der Stadt besiegt werden konnte. Bei allen Fehlern, die zu Beginn gemacht wurden, hat man mit äußerster Disziplin die Stadt wieder in den ursprünglichen Zustand zurückgeführt. Davon könnten / sollten die westlichen Länder lernen. Aber das hat nicht (nur) mit der Qualität und Vorgangsweise der Regierungen zu tun, sondern auch mit der Einstellung und Disziplin ihrer Einwohner. Auch die Hilfe von außen: 16 chinesische Provinzen (von der Größe mit europäischen Ländern vergleichbar) haben das Patronat für verschiedene Bezirke der Stadt Wuhan übernommen und dies mit Lebensmitteln und Hilfestellungen versorgt. 40.000 medizinische Mitarbeiter kamen aus anderen Provinzen nach Wuhan zur Hilfeleistung. In Europa und der Europäischen UNION fehlte diese Nachbarschaftshilfe. Vom raschen Bau der Behelfskrankenhäuser wurde weltweit berichtet. Im Tagebuch von Frau Fang erfährt man, dass erstklassige Restaurants (die ja für das normale Publikum geschlossen waren) gekocht haben und viele Patienten besser gegessen haben als zu Hause oder sonst in ihrem Leben. Interessant aber auch, wie engagiert die Zivilgesellschaft agierte. Journalisten zeigten Fehler auf und berichteten teilweise kritisch. Das Buch war vor allem für den Westen von Interesse, weil sich die Leser Informationen über den Lock Down der Stadt Wuhan erwarteten. In China ist es nicht erschienen. Im Gegenteil: es gab viele Anfeindungen. Als ich es fertig gelesen hatte fragte ich mich „War es wert ein Buch zu sein?“ Es sind viele Wiederholungen, wie es eben bei Tagebucheintragungen ist. Viele unwichtige Dinge, die aber der Tagebuchschreiberin im Augenblick wichtig erschienen. Das Schreiben des Tagebuchs war im Zuge der Quarantäne auch ein psychologisch wichtiger Akt. So kam es eben zur unsystematischen Faktenwiedergabe. Je länger der Shutdown andauerte, umso länger wurden die Tagesberichte. Generell ist es kein faktenorientierter sachlicher Bericht über die Situation, sondern eine Eindrucksschilderung einer alleinlebenden Frau, die Informationen über das Internet und Telefon von Bekannten, Freunden und eigenen Internetrecherchen bekommt. Die Berichte sind einerseits sehr Regierungsfreundlich (immerhin war Frau Fang Vorsitzende des Schriftstellerverbands der Provinz Hubei), andererseits aber auch kritisch, wobei sich die Kritik auf Zurufe bezieht. |
Peter, TURRINI Fremdenzimmer. Ein Volksstück Buch 2020. @book{Peter2020, title = {Fremdenzimmer. Ein Volksstück}, author = {TURRINI Peter}, year = {2020}, date = {2020-11-09}, abstract = {TURRINI, Peter: „Fremdenzimmer. Ein Volksstück“, Innsbruck Wien 2018 Turrini beschreibt in diesem Stück das Aufeinandertreffen eines syrischen Flüchtlings mit einem älteren Wiener Paar. Er ist frühpensionierter Briefträger und sie eine ehemalige Kellnerin. Sie hatte einen Sohn, der verschollen ist. Wie es eben der Mutterinstinkt in sich hat, hält sie für den verschollenen Sohn immer noch ein Zimmer bereit. Er könnte ja heimkommen. Plötzlich aber steht ein junger Syrier im Raum und ersucht sein Mobiltelefon aufladen zu dürfen. Dier Frau zeigt sich hilfebereit und will ihn aufnehmen. Auch sei das Zimmer des verlorenen Sohnes frei. Der Lebensgefährte zeigt seine Ausländerfeindlichkeit und will das nicht. Es kommt zum Streit der beiden. Das Paar repräsentiert die Stimmung der Österreicher gegenüber den ankommenden Flüchtlingen aus dem Nahen Osten. Zuerst eine Willkommenskultur und dann zunehmend eine Abneigung. Aber auch innerhalb der eigenen Gesellschaft hat sich viel verändert. Herta, die Frau des Stücks, sagt es so: „Überall ist es kalt. Am Gang, bei den Nachbarn, auf der Straße, alle sind fremd zueinander. Wahrscheinlich ist es auf der ganzen Welt so, alles kalt.“ Sie fragt den Flüchtling „Wie ist es dort, wo du herkommst, in deinem Land? Auch kalt? Bei euch ist ja Krieg und das ist ja die kälteste Kälte.“ (Seite 36) So ist auch die Beziehung zu ihrem Mann. Obwohl der Flüchtling kein Deutsch spricht und Herta fast kein Englisch versteht, meint sie zu ihm „Es ist schön, dass ich mit dir ein bissel reden kann. Mit dem Gustl geht das ja schon lange nicht mehr. Streiten ja, reden nein. Und Streiten ist ja kein Reden.“ (Seite 38) Um der Kälte zu entkommen sinniert sie, dass sie nach Griechenland fahren könne, sich dort als Flüchtling verkleiden, alle Dokumente wegwerfen um als Flüchtling ins eigene Land zurückzukehren. Da würde ihr mehr Wärme entgegenschlagen. Die drei Personen erzählen sich dann ihre Lebensgeschichten. Die Frau, die aus Kärnten nach Wien kam und als Kellnerin arbeitete. Der Mann, der eigentlich Tischler gelernt hatte und dann pragmatisierter Briefträger wurde. Weil er die Briefe, deren Adressen er nicht lesen konnte, an Asylanten verteilte wurde er in Frühpension geschickt. Und Samir, der Syrer, erzählt, dass er aus einer reichen Familie, die ein Schmuckgeschäft besitzt, aus Damaskus stammt. Bei einem Bombenangriff kamen seine Mutter und die Geschwister ums Leben. Der Vater gab ihm Schmuckstücke und schickte ihn auf die Reise nach Europa. Er wolle mit seiner eigenen Mutter nachkommen. Samir erzählt seinen Leidensweg der Flucht. Jetzt soll er abgeschoben werden und er wird polizeilich gesucht. Diese Gespräche bringen die drei näher. Als dann die Polizei kommt um ihn abzuholen simulieren sie einen Flug. Gustl, der ein Flugzeugmodellbauer ist, sitzt auf einem Sessel vorne und seine Frau und Samir auf zwei Sesseln hinten. Sie wollen das Land im Flugzeug verlassen, aber die Tür wird von der Polizei aufgebrochen. Hier endet das Stück. Turrini hat mit „Fremdenzimmer“ versucht das Aufeinandertreffen von Fremden und Einheimischen zu beschreiben. Die letztliche Verbundenheit der Drei, des Fremden und der zwei Einheimischen, definiert Turrini in einem Gespräch so: „Wir sind alle Flüchtlinge, wir werden bodenlos, weil wir unser Land verlassen, weil wir unseren Beruf verlieren, weil wir nicht mehr wissen, ob wir den Partner lieben oder nicht, weil unser Selbstwertgefühl schwindet, weil wir zunehmend überflüssig werden. Es gibt keinen sicheren Boden mehr unter unseren Füßen. Insofern haben die drei Hauptfiguren meines Stücks zwar keine gemeinsame Sprache, aber eine große Verlorenheit verbindet sie miteinander.“ (Seite 106/107) }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } TURRINI, Peter: „Fremdenzimmer. Ein Volksstück“, Innsbruck Wien 2018 Turrini beschreibt in diesem Stück das Aufeinandertreffen eines syrischen Flüchtlings mit einem älteren Wiener Paar. Er ist frühpensionierter Briefträger und sie eine ehemalige Kellnerin. Sie hatte einen Sohn, der verschollen ist. Wie es eben der Mutterinstinkt in sich hat, hält sie für den verschollenen Sohn immer noch ein Zimmer bereit. Er könnte ja heimkommen. Plötzlich aber steht ein junger Syrier im Raum und ersucht sein Mobiltelefon aufladen zu dürfen. Dier Frau zeigt sich hilfebereit und will ihn aufnehmen. Auch sei das Zimmer des verlorenen Sohnes frei. Der Lebensgefährte zeigt seine Ausländerfeindlichkeit und will das nicht. Es kommt zum Streit der beiden. Das Paar repräsentiert die Stimmung der Österreicher gegenüber den ankommenden Flüchtlingen aus dem Nahen Osten. Zuerst eine Willkommenskultur und dann zunehmend eine Abneigung. Aber auch innerhalb der eigenen Gesellschaft hat sich viel verändert. Herta, die Frau des Stücks, sagt es so: „Überall ist es kalt. Am Gang, bei den Nachbarn, auf der Straße, alle sind fremd zueinander. Wahrscheinlich ist es auf der ganzen Welt so, alles kalt.“ Sie fragt den Flüchtling „Wie ist es dort, wo du herkommst, in deinem Land? Auch kalt? Bei euch ist ja Krieg und das ist ja die kälteste Kälte.“ (Seite 36) So ist auch die Beziehung zu ihrem Mann. Obwohl der Flüchtling kein Deutsch spricht und Herta fast kein Englisch versteht, meint sie zu ihm „Es ist schön, dass ich mit dir ein bissel reden kann. Mit dem Gustl geht das ja schon lange nicht mehr. Streiten ja, reden nein. Und Streiten ist ja kein Reden.“ (Seite 38) Um der Kälte zu entkommen sinniert sie, dass sie nach Griechenland fahren könne, sich dort als Flüchtling verkleiden, alle Dokumente wegwerfen um als Flüchtling ins eigene Land zurückzukehren. Da würde ihr mehr Wärme entgegenschlagen. Die drei Personen erzählen sich dann ihre Lebensgeschichten. Die Frau, die aus Kärnten nach Wien kam und als Kellnerin arbeitete. Der Mann, der eigentlich Tischler gelernt hatte und dann pragmatisierter Briefträger wurde. Weil er die Briefe, deren Adressen er nicht lesen konnte, an Asylanten verteilte wurde er in Frühpension geschickt. Und Samir, der Syrer, erzählt, dass er aus einer reichen Familie, die ein Schmuckgeschäft besitzt, aus Damaskus stammt. Bei einem Bombenangriff kamen seine Mutter und die Geschwister ums Leben. Der Vater gab ihm Schmuckstücke und schickte ihn auf die Reise nach Europa. Er wolle mit seiner eigenen Mutter nachkommen. Samir erzählt seinen Leidensweg der Flucht. Jetzt soll er abgeschoben werden und er wird polizeilich gesucht. Diese Gespräche bringen die drei näher. Als dann die Polizei kommt um ihn abzuholen simulieren sie einen Flug. Gustl, der ein Flugzeugmodellbauer ist, sitzt auf einem Sessel vorne und seine Frau und Samir auf zwei Sesseln hinten. Sie wollen das Land im Flugzeug verlassen, aber die Tür wird von der Polizei aufgebrochen. Hier endet das Stück. Turrini hat mit „Fremdenzimmer“ versucht das Aufeinandertreffen von Fremden und Einheimischen zu beschreiben. Die letztliche Verbundenheit der Drei, des Fremden und der zwei Einheimischen, definiert Turrini in einem Gespräch so: „Wir sind alle Flüchtlinge, wir werden bodenlos, weil wir unser Land verlassen, weil wir unseren Beruf verlieren, weil wir nicht mehr wissen, ob wir den Partner lieben oder nicht, weil unser Selbstwertgefühl schwindet, weil wir zunehmend überflüssig werden. Es gibt keinen sicheren Boden mehr unter unseren Füßen. Insofern haben die drei Hauptfiguren meines Stücks zwar keine gemeinsame Sprache, aber eine große Verlorenheit verbindet sie miteinander.“ (Seite 106/107) |
NUSSBAUMER, Andreas EXENBERGER Stefan NEUNER Josef GLOBO: Eine neue Welt mit 100 Menschen Artikel 2020. @article{NUSSBAUMER2020, title = {GLOBO: Eine neue Welt mit 100 Menschen}, author = {Andreas EXENBERGER Stefan NEUNER Josef NUSSBAUMER}, year = {2020}, date = {2020-11-08}, abstract = {EXENBERGER Andreas, NEUNER Stefan, NUSSBAUMER Josef: „GLOBO: Eine neue Welt mit 100 Menschen“, Innsbruck 2020 Um den Studierenden die großen Probleme besser zu veranschaulichen habe ich schon zu Beginn der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts die Welt auf 100 Einwohner heruntergebrochen. Als ich vom Buch GLOBO hörte war es eine Pflichtliteratur für mich und ich muss gestehen, die drei Autoren haben diese Betrachtungsweise noch diffiziler und genauer. Auch zeigen sie die Veränderungen der letzten Jahre auf. 2015 1945 1915 1815 Nordamerika 5 2 1 Lateinamerika 8 2 1 Europa 10 8 7 3 Afrika 16 3 2 1 Asien 61 19 13 10 Summe 100 34 24 14 Auf das Niveau des Dorfes heruntergebrochen werden auch die aktuellen großen Probleme wie die Bevölkerungsexplosion und der Klimawandel thematisiert. Das Soziale ist den Studienautoren ein großes Anliegen und sie legen einen Schwerpunkt hinein. So machen sie dem Leser bewusst, dass die Gesundheitsausgaben in Nordamerika primär privat finanziert wird. In Westeuropa und Ostasien aber öffentlich finanziert wird. Von der Summe der Ausgaben sind riesige Unterschiede. Nur Nordamerika, Europa und Ostasien haben ein annehmbares Niveau. Welche Sprachen werden wo gesprochen, wie ist das Bildungswesen in den verschiedenen Erdteilen, wann heiraten Menschen und wie ist die Wasser- und Energieversorgung Bei einem Vergleich des Wirtschaftswachstums zwischen 1950 und 2010 wird klar ersichtlich, dass Asien der große Gewinner ist und Europa stagniert. Aus der Statistik, die zeigt in welchen Sektoren gearbeitet wird, geht klar hervor, dass der Bereich Landwirtschaft und Industrie stagniert und Dienstleistungen zunehmen. Obwohl die Jahresarbeitszeit sind seit dem 19. Jahrhundert weltweit angenähert hat und überall um 2000 Arbeitsstunden pro Jahr liegt. Dem Sozialen folgend werden Einkommensungleichheiten, CO2 Ausstoß, Klimawandel, Militärausgaben, Rechtsstaatlichkeit und Gleichberechtigung der Geschlechter viel Raum gewidmet. Basierend auf diesem Zahlenwerk erarbeiten die Autoren Zukunftsziele, die von Armutsbekämpfung bis Nachhaltigkeit in 17 Forderungspunkten zusammengefasst wird. Im Anhang hat man sich die Mühe gemacht, den 100 repräsentativen Personen ein Gesicht und einen Lebenslauf zu geben. Sie sind in einem Sample definierte Menschen, die so die Gesamtheit der Weltbevölkerung darstellen soll. Ein schwieriges Unterfangen, weil eine Person für 73,5 Millionen Menschen stehen muss. Auf alle Fälle ein interessanter Versuch die Geschehnisse der Welt verständlich zu erklären. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {article} } EXENBERGER Andreas, NEUNER Stefan, NUSSBAUMER Josef: „GLOBO: Eine neue Welt mit 100 Menschen“, Innsbruck 2020 Um den Studierenden die großen Probleme besser zu veranschaulichen habe ich schon zu Beginn der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts die Welt auf 100 Einwohner heruntergebrochen. Als ich vom Buch GLOBO hörte war es eine Pflichtliteratur für mich und ich muss gestehen, die drei Autoren haben diese Betrachtungsweise noch diffiziler und genauer. Auch zeigen sie die Veränderungen der letzten Jahre auf. 2015 1945 1915 1815 Nordamerika 5 2 1 Lateinamerika 8 2 1 Europa 10 8 7 3 Afrika 16 3 2 1 Asien 61 19 13 10 Summe 100 34 24 14 Auf das Niveau des Dorfes heruntergebrochen werden auch die aktuellen großen Probleme wie die Bevölkerungsexplosion und der Klimawandel thematisiert. Das Soziale ist den Studienautoren ein großes Anliegen und sie legen einen Schwerpunkt hinein. So machen sie dem Leser bewusst, dass die Gesundheitsausgaben in Nordamerika primär privat finanziert wird. In Westeuropa und Ostasien aber öffentlich finanziert wird. Von der Summe der Ausgaben sind riesige Unterschiede. Nur Nordamerika, Europa und Ostasien haben ein annehmbares Niveau. Welche Sprachen werden wo gesprochen, wie ist das Bildungswesen in den verschiedenen Erdteilen, wann heiraten Menschen und wie ist die Wasser- und Energieversorgung Bei einem Vergleich des Wirtschaftswachstums zwischen 1950 und 2010 wird klar ersichtlich, dass Asien der große Gewinner ist und Europa stagniert. Aus der Statistik, die zeigt in welchen Sektoren gearbeitet wird, geht klar hervor, dass der Bereich Landwirtschaft und Industrie stagniert und Dienstleistungen zunehmen. Obwohl die Jahresarbeitszeit sind seit dem 19. Jahrhundert weltweit angenähert hat und überall um 2000 Arbeitsstunden pro Jahr liegt. Dem Sozialen folgend werden Einkommensungleichheiten, CO2 Ausstoß, Klimawandel, Militärausgaben, Rechtsstaatlichkeit und Gleichberechtigung der Geschlechter viel Raum gewidmet. Basierend auf diesem Zahlenwerk erarbeiten die Autoren Zukunftsziele, die von Armutsbekämpfung bis Nachhaltigkeit in 17 Forderungspunkten zusammengefasst wird. Im Anhang hat man sich die Mühe gemacht, den 100 repräsentativen Personen ein Gesicht und einen Lebenslauf zu geben. Sie sind in einem Sample definierte Menschen, die so die Gesamtheit der Weltbevölkerung darstellen soll. Ein schwieriges Unterfangen, weil eine Person für 73,5 Millionen Menschen stehen muss. Auf alle Fälle ein interessanter Versuch die Geschehnisse der Welt verständlich zu erklären. |
TOKARCZUK, Olga Letzte Geschichten Buch 2020. @book{TOKARCZUK2020c, title = {Letzte Geschichten}, author = {Olga TOKARCZUK}, year = {2020}, date = {2020-11-03}, abstract = {TOKARCZUK, Olga: „Letzte Geschichten“, Zürich 2020 Bedingt durch den im Jahr 2020 vergebenen Literaturnobelpreis werden ihre Werke bekannt gemacht. Schon 2004 entstand dieser Roman in polnischer Sprache. In Deutsch gab es 2006 eine Neuausgabe. 2020 brachte der Kampa Verlag mehrere ihrer Bücher – so wie dieses – in deutscher Sprache auf den Markt. Der Roman gliedert sich in 3 Teile. „Das reine Land“ nennt sich der erste. Er handelt von einer Reiseführerin, die polnische Gruppen nach Wien, Prag und Berlin führt. Eine Rundreise. Das Reisebüro nennt sich „Herz Europas“ oder „The Heart of Europe“. Die Reiseführerin heißt Ida. Auf der Heimfahrt mit einer Reisegruppe aus Wien gibt es noch eine Nächtigung in Polen. Die Reiseleiterin und die Besitzerin des Hotels kennen sich gut. Da Ida noch das Elternhaus – die Eltern sind verstorben und das Haus verkauft – besichtigen will, borgt ihr die Wirtin ihr Auto. Es ist ein verschneiter Winterabend und Ida übersieht eine Kurve und landet im Schnee an einem Baum. Das Auto ist kaputt und sie verwirrt. Zu Fuß schlägt sie sich zu einem alleinstehenden Haus durch. Ein altes Ehepaar wohnt hier und gibt ihr Quartier. Deren Sohn ist Tierarzt und Tiere, die er eigentlich einschläfern müsste bringt er zu den Eltern, wo sie eines natürlichen Todes sterben können. Ida verbringt mehrere Tage und Nächte in dieser Gesellschaft, bis sie sich losreißt und zurück zum kaputten Auto geht. Sie will heimfahren. Beim kaputten Auto, in dem sie die Scheinwerfer nochmals einschaltet endet die Geschichte. „Parka“ ist der zweite Teil und handelt ebenfalls von einem älteren Ehepaar, das in einem einsamen Haus oben auf einem Berg wohnt. Der Mann liegt im Sterben, die Frau pflegt ihn. Als er dann an einem Abend stirbt, legt sie sich gewohnt neben ihm nieder. In der Einsamkeit hatte sie den Bezug zur Zeit verloren. Sie fragt sich „Oder ist es vielleicht Mittwoch? Hab ich nicht ein Blatt zu viel abgerissen? Vielleicht hab ich vergessen, das vorige Blatt abzureißen? Woher soll ich wissen, welcher Tag es ist? Nur den Sonntag kann ich erkennen, dann läuten die Glocken im Tal, und wenn die Luft feucht genug ist, dringt der Klang zu uns herauf, vom Echo zerstückelt.“ (Seite 129) Wie sie so neben dem toten Ehemann liegt philosophiert sie über das Sterben und den Tod. „Wann beginnt ein Mensch zu sterben? Es muss so einen Augenblick im Leben geben, wahrscheinlich ist er kurz und unauffällig, aber geben muss es ihn. Das Erklimmen, die Entwicklung, der Weg hinauf muss einen Höhepunkt erreichen, von dem aus dann der Abrutsch beginnt. … Es muss einen solchen Moment geben, aber wir kennen ihn nicht.“ (Seite 133) Die alte Frau, die Witwe denkt auch über sich selbst nach: „… je älter ich bin, desto mehr liegt hinter mir, und desto weniger tut sich im Jetzt. Wir haben viel Zeit. Die Zukunft verschwindet unmerklich, verweht, schmilzt.“ (Seite 134) Die Vergangenheit zieht nochmals in ihrem Kopf vorbei. Das Ehepaar kam aus einem anderen Teil Polens, der jetzt nicht mehr zu Polen gehört. Grenzen wurden verschoben. „Eines Nachts machte sich die Grenze auf den Weg und fand sich an einem völlig anderen Ort wieder. Und es stellte sich heraus, dass wir auf der falschen Seite waren. Und da der Mensch nicht ohne Grenzen leben kann, mussten wir uns auf die Suche nach ihr machen. Der Mensch braucht grenzen wie die Luft.“ (Seite 139) Sie haben ihr Leben an diesem neuen Ort, einem Haus am Berg, gemeinsam verlebt. Er pflegte den Gemüsegarten und sie kümmerte sich um Tiere. „Das war der zweite Unterschied zwischen mir und Petro: Er war ein Pflanzentyp, ich ein Tiertyp. Und der erste Unterschied war: Er war alt und ich jung.“ (Seite 142) Er war der genaue Mensch und sie hatte den Überblick. „Man konnte sehen, dass er alles zweimal machte, einmal im Kopf, einmal in Wirklichkeit. So lebte er zweimal.“ (Seite 188) Als er gestorben war fragte sie sich „Und wie ist es jetzt – welches Leben ist er gestorben? Das probeweise Leben oder das richtige?“ Sie haben wenig Kontakt zu den Menschen unten im Tal. Als der Mann stirbt war die Straße zugeschneit. Die alte Frau konnte keine Hilfe holen. Mit ihren Füßen tritt sie einen Hilferuf in den Schnee. Es strengte sie an und brauchte mehrere Tage. Tage, an denen sie mit dem toten Mann noch zusammenlebt und in denen viele Erinnerungen hochkommen. Wie sie ein Teil der Sowjetunion wurden und sie ihren Mann, der Pole war, verstecken musste. „Dann saß Petro fünf Monate in einem Verschlag unter dem Stallboden.“ (Seite 171) Dann übersiedelten sie in den polnischen Teil nach Westen. Was sie tragen konnten nahmen sie mit. Es wurde ein Neuanfang. Der dritte Teil titelt sich „Der Magier“. Eine Frau reist mit einem kleinen Buben in Malaysia zu einer entlegenen Insel. Sie schreibt – und hier knüpft dieses Kapitel indirekt an das erste an – an einem alternativen Reiseführer und besucht diese entlegene und abgelegene Insel. Mit einem alten Schiff kommen sie. Bungalows stehen am Hügel. Nur wenige Gäste sind anwesend: japanische Taucher, vier holländische Frauen, ein verliebtes Paar und der, dem Kapitel den Namen gebende Magier. Ein älterer Mann, der in der benachbarten größeren Insel, auf der es luxuriöse Hotels gibt, als Magier aufgetreten ist. Sein Gesundheitszustand erlaubte es nicht mehr seiner Arbeit nachzugehen. Er zog sich auf diese ruhige Insel zurück. Sein Manager stornierte drüben alle bestehenden Verträge. Der Frau ist der Greis unsympathisch. Dem Buben aber gefiel er. Der Magier lernt ihm Zauberkünste und borgt ihm sein Zauberbuch. Letztlich kommt es im Finale zu einem Auftritt der Beiden vor dem kleinen Hotelpublikum. Der Bub ist begeistert. Für den Alten war es aber der letzte Auftritt. Am nächsten Tag wird sein Leichnam abtransportiert. Die Frau verlässt mit dem Buben die Insel. Drei unterschiedliche Frauen werden zwischen den Deckeln dieses Buches vereint. Sie zeigen verschiedene Charaktere aus verschiedenen Kulturen. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } TOKARCZUK, Olga: „Letzte Geschichten“, Zürich 2020 Bedingt durch den im Jahr 2020 vergebenen Literaturnobelpreis werden ihre Werke bekannt gemacht. Schon 2004 entstand dieser Roman in polnischer Sprache. In Deutsch gab es 2006 eine Neuausgabe. 2020 brachte der Kampa Verlag mehrere ihrer Bücher – so wie dieses – in deutscher Sprache auf den Markt. Der Roman gliedert sich in 3 Teile. „Das reine Land“ nennt sich der erste. Er handelt von einer Reiseführerin, die polnische Gruppen nach Wien, Prag und Berlin führt. Eine Rundreise. Das Reisebüro nennt sich „Herz Europas“ oder „The Heart of Europe“. Die Reiseführerin heißt Ida. Auf der Heimfahrt mit einer Reisegruppe aus Wien gibt es noch eine Nächtigung in Polen. Die Reiseleiterin und die Besitzerin des Hotels kennen sich gut. Da Ida noch das Elternhaus – die Eltern sind verstorben und das Haus verkauft – besichtigen will, borgt ihr die Wirtin ihr Auto. Es ist ein verschneiter Winterabend und Ida übersieht eine Kurve und landet im Schnee an einem Baum. Das Auto ist kaputt und sie verwirrt. Zu Fuß schlägt sie sich zu einem alleinstehenden Haus durch. Ein altes Ehepaar wohnt hier und gibt ihr Quartier. Deren Sohn ist Tierarzt und Tiere, die er eigentlich einschläfern müsste bringt er zu den Eltern, wo sie eines natürlichen Todes sterben können. Ida verbringt mehrere Tage und Nächte in dieser Gesellschaft, bis sie sich losreißt und zurück zum kaputten Auto geht. Sie will heimfahren. Beim kaputten Auto, in dem sie die Scheinwerfer nochmals einschaltet endet die Geschichte. „Parka“ ist der zweite Teil und handelt ebenfalls von einem älteren Ehepaar, das in einem einsamen Haus oben auf einem Berg wohnt. Der Mann liegt im Sterben, die Frau pflegt ihn. Als er dann an einem Abend stirbt, legt sie sich gewohnt neben ihm nieder. In der Einsamkeit hatte sie den Bezug zur Zeit verloren. Sie fragt sich „Oder ist es vielleicht Mittwoch? Hab ich nicht ein Blatt zu viel abgerissen? Vielleicht hab ich vergessen, das vorige Blatt abzureißen? Woher soll ich wissen, welcher Tag es ist? Nur den Sonntag kann ich erkennen, dann läuten die Glocken im Tal, und wenn die Luft feucht genug ist, dringt der Klang zu uns herauf, vom Echo zerstückelt.“ (Seite 129) Wie sie so neben dem toten Ehemann liegt philosophiert sie über das Sterben und den Tod. „Wann beginnt ein Mensch zu sterben? Es muss so einen Augenblick im Leben geben, wahrscheinlich ist er kurz und unauffällig, aber geben muss es ihn. Das Erklimmen, die Entwicklung, der Weg hinauf muss einen Höhepunkt erreichen, von dem aus dann der Abrutsch beginnt. … Es muss einen solchen Moment geben, aber wir kennen ihn nicht.“ (Seite 133) Die alte Frau, die Witwe denkt auch über sich selbst nach: „… je älter ich bin, desto mehr liegt hinter mir, und desto weniger tut sich im Jetzt. Wir haben viel Zeit. Die Zukunft verschwindet unmerklich, verweht, schmilzt.“ (Seite 134) Die Vergangenheit zieht nochmals in ihrem Kopf vorbei. Das Ehepaar kam aus einem anderen Teil Polens, der jetzt nicht mehr zu Polen gehört. Grenzen wurden verschoben. „Eines Nachts machte sich die Grenze auf den Weg und fand sich an einem völlig anderen Ort wieder. Und es stellte sich heraus, dass wir auf der falschen Seite waren. Und da der Mensch nicht ohne Grenzen leben kann, mussten wir uns auf die Suche nach ihr machen. Der Mensch braucht grenzen wie die Luft.“ (Seite 139) Sie haben ihr Leben an diesem neuen Ort, einem Haus am Berg, gemeinsam verlebt. Er pflegte den Gemüsegarten und sie kümmerte sich um Tiere. „Das war der zweite Unterschied zwischen mir und Petro: Er war ein Pflanzentyp, ich ein Tiertyp. Und der erste Unterschied war: Er war alt und ich jung.“ (Seite 142) Er war der genaue Mensch und sie hatte den Überblick. „Man konnte sehen, dass er alles zweimal machte, einmal im Kopf, einmal in Wirklichkeit. So lebte er zweimal.“ (Seite 188) Als er gestorben war fragte sie sich „Und wie ist es jetzt – welches Leben ist er gestorben? Das probeweise Leben oder das richtige?“ Sie haben wenig Kontakt zu den Menschen unten im Tal. Als der Mann stirbt war die Straße zugeschneit. Die alte Frau konnte keine Hilfe holen. Mit ihren Füßen tritt sie einen Hilferuf in den Schnee. Es strengte sie an und brauchte mehrere Tage. Tage, an denen sie mit dem toten Mann noch zusammenlebt und in denen viele Erinnerungen hochkommen. Wie sie ein Teil der Sowjetunion wurden und sie ihren Mann, der Pole war, verstecken musste. „Dann saß Petro fünf Monate in einem Verschlag unter dem Stallboden.“ (Seite 171) Dann übersiedelten sie in den polnischen Teil nach Westen. Was sie tragen konnten nahmen sie mit. Es wurde ein Neuanfang. Der dritte Teil titelt sich „Der Magier“. Eine Frau reist mit einem kleinen Buben in Malaysia zu einer entlegenen Insel. Sie schreibt – und hier knüpft dieses Kapitel indirekt an das erste an – an einem alternativen Reiseführer und besucht diese entlegene und abgelegene Insel. Mit einem alten Schiff kommen sie. Bungalows stehen am Hügel. Nur wenige Gäste sind anwesend: japanische Taucher, vier holländische Frauen, ein verliebtes Paar und der, dem Kapitel den Namen gebende Magier. Ein älterer Mann, der in der benachbarten größeren Insel, auf der es luxuriöse Hotels gibt, als Magier aufgetreten ist. Sein Gesundheitszustand erlaubte es nicht mehr seiner Arbeit nachzugehen. Er zog sich auf diese ruhige Insel zurück. Sein Manager stornierte drüben alle bestehenden Verträge. Der Frau ist der Greis unsympathisch. Dem Buben aber gefiel er. Der Magier lernt ihm Zauberkünste und borgt ihm sein Zauberbuch. Letztlich kommt es im Finale zu einem Auftritt der Beiden vor dem kleinen Hotelpublikum. Der Bub ist begeistert. Für den Alten war es aber der letzte Auftritt. Am nächsten Tag wird sein Leichnam abtransportiert. Die Frau verlässt mit dem Buben die Insel. Drei unterschiedliche Frauen werden zwischen den Deckeln dieses Buches vereint. Sie zeigen verschiedene Charaktere aus verschiedenen Kulturen. |
KRENEK, Ernst Die drei Mäntel des Anton K. Buch 2020. @book{KRENEK2020, title = {Die drei Mäntel des Anton K.}, author = {Ernst KRENEK}, year = {2020}, date = {2020-10-27}, abstract = {KRENEK, Ernst: „Die drei Mäntel des Anton K.“, Hürth bei Köln 2020 Der Komponist und Musiker Ernst Krenek zeigt sich hier als Schriftsteller. Er erzählt in dieser Novelle die Probleme, die er hatte, als er von einer Amerikatour wieder nach Österreich zurückkam und Österreich nicht mehr existierte. Österreich zum Ostgau des Deutschen Reiches wurde. So wie es nach einem längeren Auslandsaufenthalt ist, blieb viel Post unbeantwortet liegen und ein eingeschriebener Brief lag am Postamt zur Abholung. Dazu musste er sein Dokument – seinen Reisepass – vorweisen. Der Postbeamte akzeptierte aber den österreichischen Pass nicht mehr. Auch wenn er den Komponisten gut kannte, durfte er ihm auf Grund des nicht gültigen Passes den Brief nicht aushändigen. Herr K. – so nennt der die Figur - wollte nun die Gültigkeit seines Passes testen und fuhr in ein Nachbarland. Das ging problemlos. Als er dann aber wieder zurück in seine Heimat wollte funktionierte es nicht. Sein Heimatland – vormals Österreich – müsse zustimmen, dass er einreisen dürfe. „Die Regierung dieser Wahlheimat verordnete, dass Menschen, die dem Ursprungsland des K. angehörten und Pässe dieses Landes führten, fortan nur noch eingelassen werden sollten, wenn sie von den neuen Herren dieses Ursprungslandes eine schriftliche Erlaubnis erhalten hatten, dass sie in jenes Ursprungsland ungehindert zurückreisen dürften.“ (Seite 32/33) Die Sache wird aber noch komplizierter und zeigt die Verhältnisse in dieser Zeit (1938). Als er in einem Kaffeehaus sitzt wird sein Mantel vertauscht. Er geht mit einem falschen weg. Auch oftmaliges Nachfragen verhilft ihm nicht zum eigenen Mantel, in dem sich wichtige Dokumente für seine Anerkennung befanden. Im „falschen“ Mantel findet er eine Adresse. Sie ist in einem anderen Land und spontan entscheidet er dort hinzufahren. Er hat zwar keinen Namen, aber eine Adresse. Dort trifft er eine zwielichte Frau an. Sie verweist ihn an ein Café in der Stadt, wo er den Mantelträger finden könne. Man erwartet ihn schon und bietet ihm einen gefälschten Pass an. Dabei wäre fast „sein“ Mantel gestohlen worden. Das Café wird von einer Polizeirazzia überfallen. Alle sind geflüchtet. Er blieb als einziger Gast zurück. Die Polizei nahm ihn zu Verhören auf der Wachstube mit. Dort bekommt er einen Referenzbrief, um ihn sein Land zurückreisen zu können. Man gibt ihm auch einen neuen Mantel. Beim Konsulat seines letzten Landes versucht er ein Durchreisevisum zu bekommen, was ihm der Konsul verweigert. Es kommt zu einer langen Diskussion. Letztlich wird er zu einem Arzt geschickt, der feststellen soll, ob er gesundheitlich dazu in der Lage ist. Der Arzt hält ihn für verrückt und schickt ihn weiter zu einem Radiologen. Am Weg dorthin findet er zufällig im Mantel – seinem dritten - ein wichtiges Dokument, das er in seinem Heimatland vorlegen muss. Viele Amtsstuben hatte er schon besucht und sein Heimatland war nicht mehr das, was er sich vorstellte. Er zerreißt das Dokument und wirft es in einen Fluss. Ähnliche Situationen, wie sie Krenek selbst erlebt hatte, wurden in dieser Novelle verarbeitet. Für demokratische Verhältnisse heute unvorstellbar: Jemand fährt auf Dienstreise nach Amerika und als er zurückkommt existiert sein Heimatland rechtlich nicht mehr. Auch der Reisepass ist ungültig geworden. Über viele bürokratische Hürden versucht er wieder in seine Heimat zu kommen, aber auch die „nicht deutschen Vertretungen“ sind nicht behilflich. Selbst die Durchreise durch ein Nicht-Deutsches Land wird nicht erlaubt. Was ist Realität und was ist Erfindung? In der Einleitung des Herausgebers wird sehr schön aufgezeigt, was Krenek in dieser Zeit erlebte und wann er diese Novelle schrieb. Im Buch selbst werden ja keine Städte genannt und auch der Name des Betroffenen ist anonym „K“. Aber dahinter steckt auch eine klare Absicht. Der Autor nimmt Bezug auf Franz Kafka und dessen fragmentarischen Roman „Der Prozess“ und sich selbst. In der Novelle zitiert er Kafka bei einem Gespräch mit einem Konsul „Denn es scheint mir nachgerade, als sei ich in eine Maschinerie geraten, die mich nie mehr loslassen soll und die in beängstigender Weise an die Alpträume jenes Autors erinnert.“ (Seite 20) Krenek kam 1938 von einer Amerikatournee nach Europa zurück. Er reiste auf einem modernen Schiff, der „Normandie“, die erst 1935 in Betrieb gegangen ist. Am 7. März verließ er in Le Havre das luxuriöse Schiff und fuhr über Paris nach Brüssel. In Brüssel erfuhr er von der Annexion Österreichs. Eine Rückkehr nach Österreich war für ihn nicht mehr möglich und er begann Vorbereitungen zu einer Auswanderung in die USA zu treffen. Aber in den folgenden Monaten hatte er noch viele internationale Termine zu absolvieren. Nach Brüssel reiste er nach Amsterdam zur Uraufführung seines zweiten Klavierkonzerts. Von dort ging es nach London. Um aber von England nach Holland zurückzukehren verlangte die niederländische Polizei einen Nachweis, dass Krenek jederzeit nach Österreich (Deutschland) einreisen könne. Er musste in London viele Amtswege gehen um diese Reise antreten zu können. Im Mai fuhr er nach Schweden und auch das neutrale Schweden verlangte eine „deutsche Rückreisebewilligung“. Schwierig war es auch seinen Sommeraufenthalt in der Schweiz zu realisieren. Im Juni 1938 war die Uraufführung seines Bühnenwerks „Karl V“ in Prag. 1934 wurde diese Aufführung an der Wiener Staatsoper durch nationalsozialistische Intrigen verhindert. Krenek wollte bei der Uraufführung in Prag dabei sein. In London ging er mehrmals zur tschechischen Botschaft. Das Ticket für die Fahrt nach Prag war schon gebucht und wurde wieder storniert. Krenek konnte der Uraufführung nicht beiwohnen. Das alles war viel Frust. Frust, den er sich durch Schreiben von der Seele fernhielt. Diese Schreibtheraphie führte zur Novelle der drei Mäntel. Er begann mit dieser Erzählung am 19. Mai 1938 und beendete sie am 7. August. Die Geschichte wurde in Hotelzimmern in Warschau, Helsinki und auf einem schwedischen Schiff von Göteborg nach London geschrieben. Die Realität führt das Ehepaar Krenek aber am 19. August 1938 mit dem Schiff „Ausonia“ von Le Havre nach New York. Als er in New York eintrifft sagt er als gläubiger Mensch „Lieber Gott, gib dass das gut ausgeht.“ Das Ernst Krenek Institut in Krems hat diese Publikation möglich gemacht. Die Novelle „Die drei Mäntel des Anton K.“ liegen sowohl in Englisch, als auch in Deutsch vor. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } KRENEK, Ernst: „Die drei Mäntel des Anton K.“, Hürth bei Köln 2020 Der Komponist und Musiker Ernst Krenek zeigt sich hier als Schriftsteller. Er erzählt in dieser Novelle die Probleme, die er hatte, als er von einer Amerikatour wieder nach Österreich zurückkam und Österreich nicht mehr existierte. Österreich zum Ostgau des Deutschen Reiches wurde. So wie es nach einem längeren Auslandsaufenthalt ist, blieb viel Post unbeantwortet liegen und ein eingeschriebener Brief lag am Postamt zur Abholung. Dazu musste er sein Dokument – seinen Reisepass – vorweisen. Der Postbeamte akzeptierte aber den österreichischen Pass nicht mehr. Auch wenn er den Komponisten gut kannte, durfte er ihm auf Grund des nicht gültigen Passes den Brief nicht aushändigen. Herr K. – so nennt der die Figur - wollte nun die Gültigkeit seines Passes testen und fuhr in ein Nachbarland. Das ging problemlos. Als er dann aber wieder zurück in seine Heimat wollte funktionierte es nicht. Sein Heimatland – vormals Österreich – müsse zustimmen, dass er einreisen dürfe. „Die Regierung dieser Wahlheimat verordnete, dass Menschen, die dem Ursprungsland des K. angehörten und Pässe dieses Landes führten, fortan nur noch eingelassen werden sollten, wenn sie von den neuen Herren dieses Ursprungslandes eine schriftliche Erlaubnis erhalten hatten, dass sie in jenes Ursprungsland ungehindert zurückreisen dürften.“ (Seite 32/33) Die Sache wird aber noch komplizierter und zeigt die Verhältnisse in dieser Zeit (1938). Als er in einem Kaffeehaus sitzt wird sein Mantel vertauscht. Er geht mit einem falschen weg. Auch oftmaliges Nachfragen verhilft ihm nicht zum eigenen Mantel, in dem sich wichtige Dokumente für seine Anerkennung befanden. Im „falschen“ Mantel findet er eine Adresse. Sie ist in einem anderen Land und spontan entscheidet er dort hinzufahren. Er hat zwar keinen Namen, aber eine Adresse. Dort trifft er eine zwielichte Frau an. Sie verweist ihn an ein Café in der Stadt, wo er den Mantelträger finden könne. Man erwartet ihn schon und bietet ihm einen gefälschten Pass an. Dabei wäre fast „sein“ Mantel gestohlen worden. Das Café wird von einer Polizeirazzia überfallen. Alle sind geflüchtet. Er blieb als einziger Gast zurück. Die Polizei nahm ihn zu Verhören auf der Wachstube mit. Dort bekommt er einen Referenzbrief, um ihn sein Land zurückreisen zu können. Man gibt ihm auch einen neuen Mantel. Beim Konsulat seines letzten Landes versucht er ein Durchreisevisum zu bekommen, was ihm der Konsul verweigert. Es kommt zu einer langen Diskussion. Letztlich wird er zu einem Arzt geschickt, der feststellen soll, ob er gesundheitlich dazu in der Lage ist. Der Arzt hält ihn für verrückt und schickt ihn weiter zu einem Radiologen. Am Weg dorthin findet er zufällig im Mantel – seinem dritten - ein wichtiges Dokument, das er in seinem Heimatland vorlegen muss. Viele Amtsstuben hatte er schon besucht und sein Heimatland war nicht mehr das, was er sich vorstellte. Er zerreißt das Dokument und wirft es in einen Fluss. Ähnliche Situationen, wie sie Krenek selbst erlebt hatte, wurden in dieser Novelle verarbeitet. Für demokratische Verhältnisse heute unvorstellbar: Jemand fährt auf Dienstreise nach Amerika und als er zurückkommt existiert sein Heimatland rechtlich nicht mehr. Auch der Reisepass ist ungültig geworden. Über viele bürokratische Hürden versucht er wieder in seine Heimat zu kommen, aber auch die „nicht deutschen Vertretungen“ sind nicht behilflich. Selbst die Durchreise durch ein Nicht-Deutsches Land wird nicht erlaubt. Was ist Realität und was ist Erfindung? In der Einleitung des Herausgebers wird sehr schön aufgezeigt, was Krenek in dieser Zeit erlebte und wann er diese Novelle schrieb. Im Buch selbst werden ja keine Städte genannt und auch der Name des Betroffenen ist anonym „K“. Aber dahinter steckt auch eine klare Absicht. Der Autor nimmt Bezug auf Franz Kafka und dessen fragmentarischen Roman „Der Prozess“ und sich selbst. In der Novelle zitiert er Kafka bei einem Gespräch mit einem Konsul „Denn es scheint mir nachgerade, als sei ich in eine Maschinerie geraten, die mich nie mehr loslassen soll und die in beängstigender Weise an die Alpträume jenes Autors erinnert.“ (Seite 20) Krenek kam 1938 von einer Amerikatournee nach Europa zurück. Er reiste auf einem modernen Schiff, der „Normandie“, die erst 1935 in Betrieb gegangen ist. Am 7. März verließ er in Le Havre das luxuriöse Schiff und fuhr über Paris nach Brüssel. In Brüssel erfuhr er von der Annexion Österreichs. Eine Rückkehr nach Österreich war für ihn nicht mehr möglich und er begann Vorbereitungen zu einer Auswanderung in die USA zu treffen. Aber in den folgenden Monaten hatte er noch viele internationale Termine zu absolvieren. Nach Brüssel reiste er nach Amsterdam zur Uraufführung seines zweiten Klavierkonzerts. Von dort ging es nach London. Um aber von England nach Holland zurückzukehren verlangte die niederländische Polizei einen Nachweis, dass Krenek jederzeit nach Österreich (Deutschland) einreisen könne. Er musste in London viele Amtswege gehen um diese Reise antreten zu können. Im Mai fuhr er nach Schweden und auch das neutrale Schweden verlangte eine „deutsche Rückreisebewilligung“. Schwierig war es auch seinen Sommeraufenthalt in der Schweiz zu realisieren. Im Juni 1938 war die Uraufführung seines Bühnenwerks „Karl V“ in Prag. 1934 wurde diese Aufführung an der Wiener Staatsoper durch nationalsozialistische Intrigen verhindert. Krenek wollte bei der Uraufführung in Prag dabei sein. In London ging er mehrmals zur tschechischen Botschaft. Das Ticket für die Fahrt nach Prag war schon gebucht und wurde wieder storniert. Krenek konnte der Uraufführung nicht beiwohnen. Das alles war viel Frust. Frust, den er sich durch Schreiben von der Seele fernhielt. Diese Schreibtheraphie führte zur Novelle der drei Mäntel. Er begann mit dieser Erzählung am 19. Mai 1938 und beendete sie am 7. August. Die Geschichte wurde in Hotelzimmern in Warschau, Helsinki und auf einem schwedischen Schiff von Göteborg nach London geschrieben. Die Realität führt das Ehepaar Krenek aber am 19. August 1938 mit dem Schiff „Ausonia“ von Le Havre nach New York. Als er in New York eintrifft sagt er als gläubiger Mensch „Lieber Gott, gib dass das gut ausgeht.“ Das Ernst Krenek Institut in Krems hat diese Publikation möglich gemacht. Die Novelle „Die drei Mäntel des Anton K.“ liegen sowohl in Englisch, als auch in Deutsch vor. |
Jakob, MITTERHÖFER Kral Verlag, 2020. @book{Jakob2020, title = {Mit 14 Jahren im KZ – Das Leben des Marcello Martini: Vom Todesmarsch zur Versöhnung. Aus den Erinnerungen des letzten Überlebenden im Konzentrationslager Hinterbrühl}, author = {MITTERHÖFER Jakob}, year = {2020}, date = {2020-10-25}, publisher = {Kral Verlag}, abstract = {MITTERHÖFER, Jakob: „Mit 14 Jahren im KZ – Das Leben des Marcello Martini: Vom Todesmarsch zur Versöhnung. Aus den Erinnerungen des letzten Überlebenden im Konzentrationslager Hinterbrühl“, Mödling 2020 In der Seegrotte, einem Schaubergwerk, wurden ab 1944 Flugzeuge für die Deutsche Armee gefertigt. Ursprünglich in Wiener Neustadt produziert, verlegte man die Fertigung in das unterirdische Bergwerk, um so vor den Bombenangriffen der alliierten Truppen sicher zu sein. Ein See im Bergwerk wurde ausgepumpt und das ergab Werkshallen. Die Firma Henkel bekam für ihre Arbeit KZ-Häftlinge zur Verfügung gestellt. Das Lager befand sich oberhalb des Bergwerks und war eine Außenstelle des KZs Mauthausen. Nachdem im Jahr 1945 die sowjetischen Truppen näher kamen wurde das Lager geräumt. Die nicht gehfähigen Häftlinge ermordet und die anderen zu Fuß nach Mauthausen geschickt. Alle 1000 Meter wurde einer erschossen. Wer nicht mehr mitkam wurde ermordet. In den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts begann ein Mittelschullehrer aus Baden mit seinen Schülern zu recherchieren und die Geschichte aufzuarbeiten. Die Hinterbrühler Bevölkerung wusste „von Nichts“ und war über diese Kampagne nicht sehr erfreut. Der Hinterbrühler Pfarrer Franz Jantsch unterstützte diese Kampagne. Er gründete ein Komitee mit namhaften Persönlichkeiten und Menschen, die ihm behilflich waren. Ich gehörte zu dieser Gruppe. Wir engagierten uns und erwarben jenen Teil des Grundstücks, auf dem sich das Krankenlager und das Massengrab befanden. Mit Spenden und dem Verkauf einer Lithographie des Malers Rudolf Hausner wurde der Ankauf finanziert und damit eine Gedenkstätte geschaffen. Sie wurde mehrmals geschändet, aber inzwischen besucht die Bevölkerung den Ort mehrmals im Jahr, um der Geschehnisse zu gedenken. Zu diesen Gedenkfeiern kam auch ein einstiger Häftling: Marcello Martini aus Italien. Der damalige Pfarrer Pater Jakob Mitterhöfer lernte ihn kennen. Seine Italienischkenntnisse – er studierte in Rom – halfen ihm eine Freundschaft aufzubauen. 2019 verstarb Herr Martini und Pater Jakob begann seine Geschichte aufzuschreiben. Ein wichtiges Zeitzeugnis. Der damals 14-jährige Marcello wurde in der Nähe von Florenz gefangen genommen. Sein Vater war Kommandant einer Untergrundorganisation gegen die deutschen Besatzer. Der Bub Marcello bediente eine Funkstation, die die amerikanischen Truppen informierte. Bei der Gefangennahme der Familie konnte der Vater fliehen. Der Sohn kam ins Konzentrationslager Mauthausen. Später in das Flugzeugwerk Wiener Neustadt und letztlich 1944 in das Untergrundwerk in der Hinterbrühl. Anschaulich werden die Behandlung und das Leben der Häftlinge beschrieben, die Pater Jakob – der Autor des Buches – von Martini noch zu Lebzeiten bekam. Am Ostersonntag, den 1. April 1945 wurde das Lager geräumt und die Häftlinge marschierten in einem 7-tägigen Marsch ohne Verpflegung von der Hinterbrühl bei Mödling nach Mauthausen – über 200 Kilometer. Marcello überlebte das, Dank des solidarischen Zusammenhalts der italienischen Flüchtlinge. Nach der Befreiung durch die Amerikaner dauerte es noch länger, bis der Bub wieder in normales Leben zurückkehren konnte. Traumatisiert brauchte er lange, um das Erlebte zu verkraften und zu verarbeiten. Er wird auf Intervention der Mutter wieder in die Schule aufgenommen, maturiert, studiert und wird ein anerkannter Flugzeugbauer. Er schwieg aber über diese seine Erlebnisse. Seine Schwester überredete ihn später Mauthausen und die Hinterbrühl zu besuchen. Nun begann er über diese Zeit zu reden. Er hielt Vorträge in Schulen und besuchte regelmäßig die KZ-Gedenkstätte in der Hinterbrühl. Als letzten Willen verfügte er, dass ein Teil seiner Asche am Gedenkplatz, den er „Sacrario“ nannte, beigesetzt werde. Die Marktgemeinde Hinterbrühl ernannte ihn posthum zum Ehrenbürger und Pater Jakob Mitterhöfer schrieb dieses Buch. Es ist keine leichte Literatur, aber es ist wichtig, dass diese Geschehnisse nicht vergessen werden. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } MITTERHÖFER, Jakob: „Mit 14 Jahren im KZ – Das Leben des Marcello Martini: Vom Todesmarsch zur Versöhnung. Aus den Erinnerungen des letzten Überlebenden im Konzentrationslager Hinterbrühl“, Mödling 2020 In der Seegrotte, einem Schaubergwerk, wurden ab 1944 Flugzeuge für die Deutsche Armee gefertigt. Ursprünglich in Wiener Neustadt produziert, verlegte man die Fertigung in das unterirdische Bergwerk, um so vor den Bombenangriffen der alliierten Truppen sicher zu sein. Ein See im Bergwerk wurde ausgepumpt und das ergab Werkshallen. Die Firma Henkel bekam für ihre Arbeit KZ-Häftlinge zur Verfügung gestellt. Das Lager befand sich oberhalb des Bergwerks und war eine Außenstelle des KZs Mauthausen. Nachdem im Jahr 1945 die sowjetischen Truppen näher kamen wurde das Lager geräumt. Die nicht gehfähigen Häftlinge ermordet und die anderen zu Fuß nach Mauthausen geschickt. Alle 1000 Meter wurde einer erschossen. Wer nicht mehr mitkam wurde ermordet. In den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts begann ein Mittelschullehrer aus Baden mit seinen Schülern zu recherchieren und die Geschichte aufzuarbeiten. Die Hinterbrühler Bevölkerung wusste „von Nichts“ und war über diese Kampagne nicht sehr erfreut. Der Hinterbrühler Pfarrer Franz Jantsch unterstützte diese Kampagne. Er gründete ein Komitee mit namhaften Persönlichkeiten und Menschen, die ihm behilflich waren. Ich gehörte zu dieser Gruppe. Wir engagierten uns und erwarben jenen Teil des Grundstücks, auf dem sich das Krankenlager und das Massengrab befanden. Mit Spenden und dem Verkauf einer Lithographie des Malers Rudolf Hausner wurde der Ankauf finanziert und damit eine Gedenkstätte geschaffen. Sie wurde mehrmals geschändet, aber inzwischen besucht die Bevölkerung den Ort mehrmals im Jahr, um der Geschehnisse zu gedenken. Zu diesen Gedenkfeiern kam auch ein einstiger Häftling: Marcello Martini aus Italien. Der damalige Pfarrer Pater Jakob Mitterhöfer lernte ihn kennen. Seine Italienischkenntnisse – er studierte in Rom – halfen ihm eine Freundschaft aufzubauen. 2019 verstarb Herr Martini und Pater Jakob begann seine Geschichte aufzuschreiben. Ein wichtiges Zeitzeugnis. Der damals 14-jährige Marcello wurde in der Nähe von Florenz gefangen genommen. Sein Vater war Kommandant einer Untergrundorganisation gegen die deutschen Besatzer. Der Bub Marcello bediente eine Funkstation, die die amerikanischen Truppen informierte. Bei der Gefangennahme der Familie konnte der Vater fliehen. Der Sohn kam ins Konzentrationslager Mauthausen. Später in das Flugzeugwerk Wiener Neustadt und letztlich 1944 in das Untergrundwerk in der Hinterbrühl. Anschaulich werden die Behandlung und das Leben der Häftlinge beschrieben, die Pater Jakob – der Autor des Buches – von Martini noch zu Lebzeiten bekam. Am Ostersonntag, den 1. April 1945 wurde das Lager geräumt und die Häftlinge marschierten in einem 7-tägigen Marsch ohne Verpflegung von der Hinterbrühl bei Mödling nach Mauthausen – über 200 Kilometer. Marcello überlebte das, Dank des solidarischen Zusammenhalts der italienischen Flüchtlinge. Nach der Befreiung durch die Amerikaner dauerte es noch länger, bis der Bub wieder in normales Leben zurückkehren konnte. Traumatisiert brauchte er lange, um das Erlebte zu verkraften und zu verarbeiten. Er wird auf Intervention der Mutter wieder in die Schule aufgenommen, maturiert, studiert und wird ein anerkannter Flugzeugbauer. Er schwieg aber über diese seine Erlebnisse. Seine Schwester überredete ihn später Mauthausen und die Hinterbrühl zu besuchen. Nun begann er über diese Zeit zu reden. Er hielt Vorträge in Schulen und besuchte regelmäßig die KZ-Gedenkstätte in der Hinterbrühl. Als letzten Willen verfügte er, dass ein Teil seiner Asche am Gedenkplatz, den er „Sacrario“ nannte, beigesetzt werde. Die Marktgemeinde Hinterbrühl ernannte ihn posthum zum Ehrenbürger und Pater Jakob Mitterhöfer schrieb dieses Buch. Es ist keine leichte Literatur, aber es ist wichtig, dass diese Geschehnisse nicht vergessen werden. |
BRANDSTETTER, Alois Überwindung der Blitzangst - Kurzprosa Buch 2020. @book{BRANDSTETTER2020c, title = {Überwindung der Blitzangst - Kurzprosa}, author = {Alois BRANDSTETTER}, year = {2020}, date = {2020-10-22}, abstract = {BRANDSTETTER, Alois: „Überwindung der Blitzangst – Kurzprosa“, Frankfurt Berlin Wien 1971 Es ist das erste Buch Brandstetters. Er war knapp über 30 Jahre als er es geschrieben hatte. Ein Entrepreneur. Ein stilistisch anderer Brandstetter als er es heute ist. Progressiv. Modern. In diesem Buch sind 47 Texte zusammengefasst. Es geht meist um das Leben am Land. Um das Leben in seiner oberösterreichischen Umgebung. Ein Zeitzeugnis, wie es damals war. Konservativ und katholisch geprägt. Ausgefallene Geschichten. Es beginnt schon mit einer originellen Beschreibung seines eigenen Lebenslaufes und seinen Erfahrungen im Internat und in der Hauptstadt Linz. Brandstetter wurde im Jahr 1938, als Hitler in Österreich die Macht übernahm, geboren. So widmet er auch Hitler Geschichten in diesem Buch. Etwa eine satirische Verbindung zum Stift Lambach. Später hat er als Kind den Zweiten Weltkrieg und die Bombardierungen miterlebt. In der Kurzgeschichte „Attnang“ erinnert er sich, dass vor allem strategische Orte, wie der Eisenbahnknotenpunkt in Attnang bombardiert wurden. Heute in einer Zeit der Mobilität und Migration sind andersfarbige Menschen zur Selbstverständlichkeit geworden. Als 1945 die amerikanischen Truppen einmarschierten waren Schwarze – Brandstetter nennt sie der Zeit entsprechend noch „Neger“ - eine Sensation. Der Krieg hinterließ auch Menschen mit Behinderungen. In einer der 47 Geschichten beschreibt er den Nachbarn, der eine Beinprothese hat, die den kleinen Buben interessierte. Den Titel bekam das Buch von der Beschreibung der Angst vor Gewittern. Wie etwa Bauern schwarze Kerzen aufstellten, die vor einem Blitzeinschlag schützen sollten. Vieles ist Zeitgeschichte und wert, dass es festgehalten wurde. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } BRANDSTETTER, Alois: „Überwindung der Blitzangst – Kurzprosa“, Frankfurt Berlin Wien 1971 Es ist das erste Buch Brandstetters. Er war knapp über 30 Jahre als er es geschrieben hatte. Ein Entrepreneur. Ein stilistisch anderer Brandstetter als er es heute ist. Progressiv. Modern. In diesem Buch sind 47 Texte zusammengefasst. Es geht meist um das Leben am Land. Um das Leben in seiner oberösterreichischen Umgebung. Ein Zeitzeugnis, wie es damals war. Konservativ und katholisch geprägt. Ausgefallene Geschichten. Es beginnt schon mit einer originellen Beschreibung seines eigenen Lebenslaufes und seinen Erfahrungen im Internat und in der Hauptstadt Linz. Brandstetter wurde im Jahr 1938, als Hitler in Österreich die Macht übernahm, geboren. So widmet er auch Hitler Geschichten in diesem Buch. Etwa eine satirische Verbindung zum Stift Lambach. Später hat er als Kind den Zweiten Weltkrieg und die Bombardierungen miterlebt. In der Kurzgeschichte „Attnang“ erinnert er sich, dass vor allem strategische Orte, wie der Eisenbahnknotenpunkt in Attnang bombardiert wurden. Heute in einer Zeit der Mobilität und Migration sind andersfarbige Menschen zur Selbstverständlichkeit geworden. Als 1945 die amerikanischen Truppen einmarschierten waren Schwarze – Brandstetter nennt sie der Zeit entsprechend noch „Neger“ - eine Sensation. Der Krieg hinterließ auch Menschen mit Behinderungen. In einer der 47 Geschichten beschreibt er den Nachbarn, der eine Beinprothese hat, die den kleinen Buben interessierte. Den Titel bekam das Buch von der Beschreibung der Angst vor Gewittern. Wie etwa Bauern schwarze Kerzen aufstellten, die vor einem Blitzeinschlag schützen sollten. Vieles ist Zeitgeschichte und wert, dass es festgehalten wurde. |
TOKARCZUK, Olga Die grünen Kinder - Bizarre Geschichten Buch 2020. @book{TOKARCZUK2020b, title = {Die grünen Kinder - Bizarre Geschichten}, author = {Olga TOKARCZUK}, year = {2020}, date = {2020-10-19}, abstract = {TOKARCZUK, Olga: „Die grünen Kinder – Bizarre Geschichten“, Zürich 2020 2019 bekam sie den Literatur-Nobelpreis. 2018 wurde dieses Buch erstmals in polnischer Sprache publiziert. Jetzt gab es auch eine deutsche Übersetzung. Es sind zehn Erzählungen. Die Autorin nennt sie „bizarre Geschichten“. Sie nimmt dabei Bezug auf die ständige Veränderung der Welt. Sowohl auf der Zeitachse, als auch geografisch wird der Leser in ihren Geschichten verführt. Die Geschichte, die dem Buch den Namen „Die grünen Kinder“ gab spielt im 17. Jahrhundert. Ein französischer Gelehrter ist zu Gast beim polnischen König und unternimmt mit diesem Reisen. Auf einer dieser Reisen durch kriegsgeschädigte Gebiete entdecken sie zwei Kinder, die in der Wildnis alleine aufwuchsen. Sie waren grün, wie das Moos des Waldes. Der Franzose verletzte sich und blieb in einem Gutshof mit den Kindern und seinem Diener zurück. Hier konnte er die Kinder untersuchen und studieren. Ein Passagier in einem Transatlantikflug erzählt der Autorin, wie er die Angst vor einem Gespenst, vor dem er sich als Kind immer gefürchtet hatte, erst im Alter überwinden konnte. Im Kapitel „Eingemachtes“ wird ein Mann vorgestellt, der noch mit 50 Jahren alleinstehend bei der Mutter wohnt. Sie wollte ihn loshaben „Alle jungen Vögel verlassen irgendwann ihr Nest, das ist der Lauf der Dinge, die Eltern haben sich ihre Erholung verdient. Überall in der Natur ist das so. Warum quälst du mich? Du solltest schon längst deine Sachen gepackt haben, ausgezogen sein und dein eigenes Leben leben.“ (Seite 49) Als die Mutter stirbt ist er auf sich alleine gestellt. Er durchsucht alles, findet aber keine Erbschaft, nur unzählige Einmachgläser. Von denen ernährt er sich weiter. Geht keiner Arbeit nach. Sitzt vor dem Fernseher mit Bier und den Einmachspeisen. Bis zum Ländermatch Polen gegen England, zu dem er marinierte Pilze aß. Das waren seine letzten. Er verstarb. Da er keine Familie hatte organisierten die Freundinnen der verstorbenen Mutter das Begräbnis. In der Geschichte „Nähte“ geht es um einen Mann, einem Witwer, der alles anders sieht, als es in Realität ist: • Die Socken haben Nähte von den Socken zum Bund hinauf. • Briefmarken sind nicht rechteckig, sondern rund. Das ihm die Zeit immer schneller vergeht erklärt ihm die Nachbarin so: „Das heißt, die Zeit vergeht nicht wirklich schneller, nur hat sich unser Denken abgenutzt, und deshalb begreifen wir die Zeit nicht mehr so wie früher. … Wir sind wie alte Sanduhren, wissen sie mein Lieber? … Da werden die Sandkörner, weil sie so oft schon durchgerieselt sind, ganz rund geschliffen, und dann rinnt der Sand immer schneller durch die Uhr. Alte Sanduhren gehen immer vor. … Genauso ist es mit unserem Nervensystem, es hat sich abgenutzt, es hat sich erschöpft, die Reize laufen hindurch wie durch einen Nudelseiher, deshalb kommt es uns so vor, als würde die Zeit schneller vergehen.“ (Seite 61/62) Ein Besuch: Vier Frauen, sogenannte Egone, bekommen Besuch. Das Verhalten zwischen den Gastgebern, di e ein dreijähriges Kind haben, und zwei Besuchern wird beschrieben. Was allerdings Egone sind kann auch Google nicht herausfinden. Unter dem Titel „Eine wahre Geschichte“ berichtet sie von einem Mediziner, der bei einem internationalen Kongress einen Vortrag hielt. Bis zum Galaempfang am Abend ging er in der Stadt spazieren und sah, wie eine Frau stürzte. Als Arzt kam er ihr zu Hilfe. Niemand half ihm. Als die Polizei kam und ihn blutverschmiert sah, nahmen sie ihn fest. Nach Eintreffen der Rettung ließ man ihn kurz los und er lief davon. Wie ein wildes Tier wurde er verfolgt beziehungsweise musste sich verstecken, kam nicht in sein Hotel hinein …. In der Geschichte („Das Herz“) eines Ehepaares, das jedes Jahr den Winter im Fernen Osten verbringt und dem nordeuropäischen Winter entflieht bekommt der Mann in China ein neues Herz transplantiert. Im Folgejahr fliegen sie wieder nach China und in eine entlegene Gegend. Sie lernen ein Kloster in den Bergen kennen, das ihre Einstellung verändern sollte. Aber nicht wesentlich. Sie wechseln nur von China nach Thailand, um im Frühjahr wieder in die Heimat zurückzukehren. Unter dem Titel „Transfugium“ wird erzählt, wie sich eine Frau in eine andere Welt transferieren lässt. Feierlich sollte es sein. Die Familie – die Eltern, die Halbschwester und ihre Kinder – kommt. Ein Arzt erklärt es. Eine Sciencefiction Geschichte. Olga Tokarczuk vermischt gerne mehrere Geschichten in einer Erzählung. So auch im Bericht „Der Berg der Heiligen“. Den Rahmen gibt eine Psychologin, die mit ihren Computerprogrammen und Untersuchungen an Kindern ein Zukunftsszenarium über die Entwicklung der jeweiligen Testperson abgeben kann. „… mit hoher Wahrscheinlichkeit ließ sich vorhersagen, wie sich ein Mensch entwickeln, in welcher Weise sich seine Persönlichkeit ausformen würde.“ (Seite 151) Ein Schweizer Institut engagierte sie, um eine Gruppe Adoptivkinder zu untersuchen. Sie wohnt in einem Nonnenkloster, in dem eine Mumie eines Heiligen ausgestellt ist. Im 17. Jahrhundert hat ein findiger Papst damit begonnen Menschen aus den Katakomben als Heilige in die Welt zu verkaufen. So kam auch eine Mumie des Heiligen Auxentius in dieses Schweizer Kloster. Detailliert wird dieser „Heiligenhandel“ beschrieben. „Bei „Kalender der menschlichen Feste“ wird über einen Monarchen (?) oder Heiligen(?) berichtet, der stirbt und wieder erwacht. Ein Team von Medizinern betreut ihn. Er ist schon über 300 Jahre alt. Er wurde vor 312 Jahren in der Wüste gefunden. Jährlich wird von seinem Tod und seinem Wiedererwachen im Fernsehen berichtet. Auch gibt es das Gerücht, dass er alle 70 bis 80 Jahre sein Geschlecht ändert. Die Geschichte wird aus der Sicht von Ion, einem Masseur des Heiligen berichtet. Das Land hat seine eigenen Feiertage. In jedem Jahr werden aus dem Volk Auserwählte selektiert, die dann gefeiert und dem Volk vorgestellt werden. Letztlich wird der Heilige gestohlen. Man drapiert eine Puppe und zeigt sie. Im Fernsehen überträgt man seine Erwachung aus dem Vorjahr. Eine Geschichte eines unrealen Landes und doch könnte es in jedem existierenden Land passieren. Keine Geschichte ist wie die andere. Olga Tokarczuk entführt in unterschiedliche Geschichten – bizarre, wie sie es nennt. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } TOKARCZUK, Olga: „Die grünen Kinder – Bizarre Geschichten“, Zürich 2020 2019 bekam sie den Literatur-Nobelpreis. 2018 wurde dieses Buch erstmals in polnischer Sprache publiziert. Jetzt gab es auch eine deutsche Übersetzung. Es sind zehn Erzählungen. Die Autorin nennt sie „bizarre Geschichten“. Sie nimmt dabei Bezug auf die ständige Veränderung der Welt. Sowohl auf der Zeitachse, als auch geografisch wird der Leser in ihren Geschichten verführt. Die Geschichte, die dem Buch den Namen „Die grünen Kinder“ gab spielt im 17. Jahrhundert. Ein französischer Gelehrter ist zu Gast beim polnischen König und unternimmt mit diesem Reisen. Auf einer dieser Reisen durch kriegsgeschädigte Gebiete entdecken sie zwei Kinder, die in der Wildnis alleine aufwuchsen. Sie waren grün, wie das Moos des Waldes. Der Franzose verletzte sich und blieb in einem Gutshof mit den Kindern und seinem Diener zurück. Hier konnte er die Kinder untersuchen und studieren. Ein Passagier in einem Transatlantikflug erzählt der Autorin, wie er die Angst vor einem Gespenst, vor dem er sich als Kind immer gefürchtet hatte, erst im Alter überwinden konnte. Im Kapitel „Eingemachtes“ wird ein Mann vorgestellt, der noch mit 50 Jahren alleinstehend bei der Mutter wohnt. Sie wollte ihn loshaben „Alle jungen Vögel verlassen irgendwann ihr Nest, das ist der Lauf der Dinge, die Eltern haben sich ihre Erholung verdient. Überall in der Natur ist das so. Warum quälst du mich? Du solltest schon längst deine Sachen gepackt haben, ausgezogen sein und dein eigenes Leben leben.“ (Seite 49) Als die Mutter stirbt ist er auf sich alleine gestellt. Er durchsucht alles, findet aber keine Erbschaft, nur unzählige Einmachgläser. Von denen ernährt er sich weiter. Geht keiner Arbeit nach. Sitzt vor dem Fernseher mit Bier und den Einmachspeisen. Bis zum Ländermatch Polen gegen England, zu dem er marinierte Pilze aß. Das waren seine letzten. Er verstarb. Da er keine Familie hatte organisierten die Freundinnen der verstorbenen Mutter das Begräbnis. In der Geschichte „Nähte“ geht es um einen Mann, einem Witwer, der alles anders sieht, als es in Realität ist: • Die Socken haben Nähte von den Socken zum Bund hinauf. • Briefmarken sind nicht rechteckig, sondern rund. Das ihm die Zeit immer schneller vergeht erklärt ihm die Nachbarin so: „Das heißt, die Zeit vergeht nicht wirklich schneller, nur hat sich unser Denken abgenutzt, und deshalb begreifen wir die Zeit nicht mehr so wie früher. … Wir sind wie alte Sanduhren, wissen sie mein Lieber? … Da werden die Sandkörner, weil sie so oft schon durchgerieselt sind, ganz rund geschliffen, und dann rinnt der Sand immer schneller durch die Uhr. Alte Sanduhren gehen immer vor. … Genauso ist es mit unserem Nervensystem, es hat sich abgenutzt, es hat sich erschöpft, die Reize laufen hindurch wie durch einen Nudelseiher, deshalb kommt es uns so vor, als würde die Zeit schneller vergehen.“ (Seite 61/62) Ein Besuch: Vier Frauen, sogenannte Egone, bekommen Besuch. Das Verhalten zwischen den Gastgebern, di e ein dreijähriges Kind haben, und zwei Besuchern wird beschrieben. Was allerdings Egone sind kann auch Google nicht herausfinden. Unter dem Titel „Eine wahre Geschichte“ berichtet sie von einem Mediziner, der bei einem internationalen Kongress einen Vortrag hielt. Bis zum Galaempfang am Abend ging er in der Stadt spazieren und sah, wie eine Frau stürzte. Als Arzt kam er ihr zu Hilfe. Niemand half ihm. Als die Polizei kam und ihn blutverschmiert sah, nahmen sie ihn fest. Nach Eintreffen der Rettung ließ man ihn kurz los und er lief davon. Wie ein wildes Tier wurde er verfolgt beziehungsweise musste sich verstecken, kam nicht in sein Hotel hinein …. In der Geschichte („Das Herz“) eines Ehepaares, das jedes Jahr den Winter im Fernen Osten verbringt und dem nordeuropäischen Winter entflieht bekommt der Mann in China ein neues Herz transplantiert. Im Folgejahr fliegen sie wieder nach China und in eine entlegene Gegend. Sie lernen ein Kloster in den Bergen kennen, das ihre Einstellung verändern sollte. Aber nicht wesentlich. Sie wechseln nur von China nach Thailand, um im Frühjahr wieder in die Heimat zurückzukehren. Unter dem Titel „Transfugium“ wird erzählt, wie sich eine Frau in eine andere Welt transferieren lässt. Feierlich sollte es sein. Die Familie – die Eltern, die Halbschwester und ihre Kinder – kommt. Ein Arzt erklärt es. Eine Sciencefiction Geschichte. Olga Tokarczuk vermischt gerne mehrere Geschichten in einer Erzählung. So auch im Bericht „Der Berg der Heiligen“. Den Rahmen gibt eine Psychologin, die mit ihren Computerprogrammen und Untersuchungen an Kindern ein Zukunftsszenarium über die Entwicklung der jeweiligen Testperson abgeben kann. „… mit hoher Wahrscheinlichkeit ließ sich vorhersagen, wie sich ein Mensch entwickeln, in welcher Weise sich seine Persönlichkeit ausformen würde.“ (Seite 151) Ein Schweizer Institut engagierte sie, um eine Gruppe Adoptivkinder zu untersuchen. Sie wohnt in einem Nonnenkloster, in dem eine Mumie eines Heiligen ausgestellt ist. Im 17. Jahrhundert hat ein findiger Papst damit begonnen Menschen aus den Katakomben als Heilige in die Welt zu verkaufen. So kam auch eine Mumie des Heiligen Auxentius in dieses Schweizer Kloster. Detailliert wird dieser „Heiligenhandel“ beschrieben. „Bei „Kalender der menschlichen Feste“ wird über einen Monarchen (?) oder Heiligen(?) berichtet, der stirbt und wieder erwacht. Ein Team von Medizinern betreut ihn. Er ist schon über 300 Jahre alt. Er wurde vor 312 Jahren in der Wüste gefunden. Jährlich wird von seinem Tod und seinem Wiedererwachen im Fernsehen berichtet. Auch gibt es das Gerücht, dass er alle 70 bis 80 Jahre sein Geschlecht ändert. Die Geschichte wird aus der Sicht von Ion, einem Masseur des Heiligen berichtet. Das Land hat seine eigenen Feiertage. In jedem Jahr werden aus dem Volk Auserwählte selektiert, die dann gefeiert und dem Volk vorgestellt werden. Letztlich wird der Heilige gestohlen. Man drapiert eine Puppe und zeigt sie. Im Fernsehen überträgt man seine Erwachung aus dem Vorjahr. Eine Geschichte eines unrealen Landes und doch könnte es in jedem existierenden Land passieren. Keine Geschichte ist wie die andere. Olga Tokarczuk entführt in unterschiedliche Geschichten – bizarre, wie sie es nennt. |
Turrini, Peter Gemeinsam ist Alzheimer schöner Buch 2020. @book{Turrini2020c, title = {Gemeinsam ist Alzheimer schöner}, author = {Peter Turrini}, year = {2020}, date = {2020-10-16}, abstract = {TURRINI, Peter: „Gemeinsam ist Alzheimer schöner“, Innsbruck Wien 2020 Ältere Schriftsteller können oft nicht aufhören mit dem Schreiben, auch wenn es nicht mehr so läuft wie in ihrer besten Zeit. Bei Peter Turrini (entschuldige, dass ich sage „älterer Schriftsteller“) muss man sagen „Bitte hör nicht auf!“ Ein sehr gutes Thema, interessant aufbereitet und sprachlich einmalig formuliert. Die handelnden Personen sind ein älteres Ehepaar im Rollstuhl und zwei Altersheimleiter. Das Ehepaar spielt verschiedene Phasen ihres Lebens. Anschließend fallen sie wieder in ihren Alterszustand zurück und sitzen im Rollstuhl. Im Theaterstück – so die Anleitung – leitet Musik die jeweilige Situation ein. Ich habe es nur als Buch gelesen, die Zusatzinformation ist aber wichtig um sich in die jeweilige Stimmung zu versetzen. Die einzelnen Phasen beginnen mit dem Verliebtsein und führen bis ins hohe Alter. Die Liebe in der Jugend formuliert Turrini etwa mit der Aussage des Mannes so „Weißt du, wie es mir geht? Kaum habe ich das Telefon aufgelegt, würde ich am liebsten gleich wieder anrufen.“ (Seite 13) Oder der folgende Dialog: „Sie: Soll ich zu dir kommen, obwohl es mitten in der Nacht ist? Er. Wann immer du erscheinst, ist Sonnenaufgang. Sie. Sehr romantisch. Ich ziehe mir nur schnell etwas an und bin in einer halben Stunde bei dir. Er: Wenn du es schnell wieder ausziehst, bin ich in einer halben Stunde in dir. Sie: Du weißt, dass es nicht so schnell geht bei mir. Du musst mir vorher die eiskalten Füße anwärmen. Sonst muss ich beim Sex immer daran denken, wann sie endlich warm werden.“ (Seite 14) Ein Wort zu den zwei Heimleitern. Der erste ist ein sehr jovialer, freundlicher Mann, der sich von den Heimbewohnern auch mit Vornamen oder Spitznamen anreden lässt. Er zerbricht an seinem Stil und begeht Selbstmord. Er wird von einem akademischen, sachlichen Manager abgelöst. Eine interessante Charakterdarstellung zweier, so unterschiedlicher Menschen. Das Ehepaar spielt dann eine weitere Rolle ihres Lebens, wo er ein angesehener und reicher Industrieller geworden ist und die Firma seines Vaters übernommen hat. Sie sind reich und haben außereheliche Verhältnisse. Sie leben an der Oberfläche. Ohne Tiefgang. So meint „Er“ über „Sie“ „Vor unseren Gästen bist du immer charmant und herzeigbar. Du kannst wunderbar Konversation machen und dir würde nie ein unflätiges Wort über die Lippen kommen. Obwohl du mich hasst, erweckst du vor anderen den Eindruck, als hätten wir eine äußerst harmonische Ehe.“ (Seite 34) Im Gegenzug sagt „Sie“ über ihn „Du bist für niemanden eine Freude und für niemanden eine Hoffnung, nicht einmal für deinen Sohn. Und der hätte seinen Vater so gerne bewundert. Aber du hast nie Zeit gehabt für ihn, nicht einmal die Zeit, dir seine Bewunderung anzuhören.“ (Seite 35) Als sich die beiden Alten ihre Medikamente gegenseitig aufzählen, lässt der Dichter ihnen ein Theaterstück inszenieren, in dem die einzelnen Medikamente auftreten, so als seien sie historische Theaterfiguren. Da der Sohn die teure Seniorenresidenz nicht mehr zahlt – oder zahlen kann – muss das Ehepaar in ein einfaches, kleines Zimmer übersiedeln. Sie vergessen immer mehr. Sprechen sich oft mit „Sie“ an, ja letztlich verlieben sie sich wieder, ja, er macht ihr einen Heiratsantrag – obwohl sie ja verheiratet sind: „Er: Könnten sie sich vorstellen, mich in absehbarer Zeit zu heiraten? Sie: Warum nicht gleich? Sie könnten ihren Antrag wieder vergessen.“ (Seite 79) Ich habe hier öfter zitiert um einen Eindruck zu vermitteln. So schöne Texte kann man nicht beschreiben, man muss sie selbst hören oder lesen. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } TURRINI, Peter: „Gemeinsam ist Alzheimer schöner“, Innsbruck Wien 2020 Ältere Schriftsteller können oft nicht aufhören mit dem Schreiben, auch wenn es nicht mehr so läuft wie in ihrer besten Zeit. Bei Peter Turrini (entschuldige, dass ich sage „älterer Schriftsteller“) muss man sagen „Bitte hör nicht auf!“ Ein sehr gutes Thema, interessant aufbereitet und sprachlich einmalig formuliert. Die handelnden Personen sind ein älteres Ehepaar im Rollstuhl und zwei Altersheimleiter. Das Ehepaar spielt verschiedene Phasen ihres Lebens. Anschließend fallen sie wieder in ihren Alterszustand zurück und sitzen im Rollstuhl. Im Theaterstück – so die Anleitung – leitet Musik die jeweilige Situation ein. Ich habe es nur als Buch gelesen, die Zusatzinformation ist aber wichtig um sich in die jeweilige Stimmung zu versetzen. Die einzelnen Phasen beginnen mit dem Verliebtsein und führen bis ins hohe Alter. Die Liebe in der Jugend formuliert Turrini etwa mit der Aussage des Mannes so „Weißt du, wie es mir geht? Kaum habe ich das Telefon aufgelegt, würde ich am liebsten gleich wieder anrufen.“ (Seite 13) Oder der folgende Dialog: „Sie: Soll ich zu dir kommen, obwohl es mitten in der Nacht ist? Er. Wann immer du erscheinst, ist Sonnenaufgang. Sie. Sehr romantisch. Ich ziehe mir nur schnell etwas an und bin in einer halben Stunde bei dir. Er: Wenn du es schnell wieder ausziehst, bin ich in einer halben Stunde in dir. Sie: Du weißt, dass es nicht so schnell geht bei mir. Du musst mir vorher die eiskalten Füße anwärmen. Sonst muss ich beim Sex immer daran denken, wann sie endlich warm werden.“ (Seite 14) Ein Wort zu den zwei Heimleitern. Der erste ist ein sehr jovialer, freundlicher Mann, der sich von den Heimbewohnern auch mit Vornamen oder Spitznamen anreden lässt. Er zerbricht an seinem Stil und begeht Selbstmord. Er wird von einem akademischen, sachlichen Manager abgelöst. Eine interessante Charakterdarstellung zweier, so unterschiedlicher Menschen. Das Ehepaar spielt dann eine weitere Rolle ihres Lebens, wo er ein angesehener und reicher Industrieller geworden ist und die Firma seines Vaters übernommen hat. Sie sind reich und haben außereheliche Verhältnisse. Sie leben an der Oberfläche. Ohne Tiefgang. So meint „Er“ über „Sie“ „Vor unseren Gästen bist du immer charmant und herzeigbar. Du kannst wunderbar Konversation machen und dir würde nie ein unflätiges Wort über die Lippen kommen. Obwohl du mich hasst, erweckst du vor anderen den Eindruck, als hätten wir eine äußerst harmonische Ehe.“ (Seite 34) Im Gegenzug sagt „Sie“ über ihn „Du bist für niemanden eine Freude und für niemanden eine Hoffnung, nicht einmal für deinen Sohn. Und der hätte seinen Vater so gerne bewundert. Aber du hast nie Zeit gehabt für ihn, nicht einmal die Zeit, dir seine Bewunderung anzuhören.“ (Seite 35) Als sich die beiden Alten ihre Medikamente gegenseitig aufzählen, lässt der Dichter ihnen ein Theaterstück inszenieren, in dem die einzelnen Medikamente auftreten, so als seien sie historische Theaterfiguren. Da der Sohn die teure Seniorenresidenz nicht mehr zahlt – oder zahlen kann – muss das Ehepaar in ein einfaches, kleines Zimmer übersiedeln. Sie vergessen immer mehr. Sprechen sich oft mit „Sie“ an, ja letztlich verlieben sie sich wieder, ja, er macht ihr einen Heiratsantrag – obwohl sie ja verheiratet sind: „Er: Könnten sie sich vorstellen, mich in absehbarer Zeit zu heiraten? Sie: Warum nicht gleich? Sie könnten ihren Antrag wieder vergessen.“ (Seite 79) Ich habe hier öfter zitiert um einen Eindruck zu vermitteln. So schöne Texte kann man nicht beschreiben, man muss sie selbst hören oder lesen. |
STREERUWITZ, Marlene Nachwelt. Buch 2020. @book{STREERUWITZ2020c, title = {Nachwelt.}, author = {Marlene STREERUWITZ}, year = {2020}, date = {2020-10-15}, abstract = {STREERUWITZ, Marlene: „Nachwelt.“, Frankfurt 2006 Am Cover nennt sich das Buch „Roman“, auf der Innenseite dann „Ein Reisebericht“. Eigentlich ist es ein Tagebuch eines Amerikaaufenthalts. Zehn Tage werden genau beschrieben. Vom 1. bis zum 10. März 1990. Die Protagonistin und Hauptperson des Romans, der Berichterstattung, ist Margarethe. Die Amerikaner nannten sie Margaux. Es dürfte sich um die Autorin selbst handeln. Sie befand sich in Kalifornien, um über Anna Mahler, der Tochter Alma Mahlers und des berühmten Musikers, der Annas Vaters ist, zu schreiben. Stilistisch gehört der Roman zu den früheren Werken von Streeruwitz - es ist ihr zweiter Roman -, in denen sie mit kurzen Sätzen formuliert. In diesem, ihrem „Reisebericht“, werden alle Details festgehalten, auch dass sie „nochmals aufstehen und aufs Klo gehen musste.“ (Seite 94) Vielleicht lag das detaillierte Berichten auch daran, dass sie bei diesem Amerikaaufenthalt oft alleine war. Nur unter Tags hatte sie Treffen mit Leuten, die ihr über Anna Mahler berichteten. Sie rückte mit einem Aufnahmegerät an und hielt alles Gesagte fest. Auch im Buch wird es wiedergegeben, wenn etwa der 88-jährige Witwer über seine Anna berichtet. Er erzählt wie er Anna in Wien kennengelernt hatte. „Zweifelsohne war ich wahnsinnig verliebt in sie. Sie hatte andere Affären. Sie ging damit ganz offen um. Sie war mit Zolnay verheiratet. Aber die Ehe war in Auflösung.“ (Seite 79) Als Hitler in Österreich einmarschierte mussten sie flüchten. Zuerst nach London und dann nach Amerika. Obwohl Anna Klavierspielen lernte, wollte sie – wegen des berühmten Mahler Vater – Nichts mit Musik zu tun haben und wurde Bildhauerin. Ihr Ziel war es „Schönheit herzustellen.“ In Amerika angekommen war sie eine Ausländerin. Die Geschichte wiederholt sich immer wieder. Flüchtlinge im 21. Jahrhundert werden ähnlich behandelt wie die Migranten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Anna war von London nach Amerika gekommen. Sie wurde in der Schule wegen ihres englischen Akzents gehänselt. „Sie war eine Ausländerin und eine Jüdin und das Kind eines berühmten Vaters.“ (Seite 84) Alle Mahler Frauen hatten nur Töchter „Alma hatte nur Töchter gehabt. Anna Töchter. Alma, die Enkelin, Töchter. Anna, die Urenkelin, eine Tochter Alma.“ (Seite 33) Neben den Recherchen über Anna Mahler wird auch die Lebensgeschichte der Protagonistin (der Autorin) beschrieben. Ihre in Österreich zurückgebliebene Tochter, der Ex-Ehemann und der Geliebte, der nicht mitkommen wollte oder nicht mitkommen konnte. Hier in Amerika kommt sie auch selbst zum Nachdenken; über sich. So wird es ein Verweben von zwei Geschichten: jene der Autorin, der Erzählerin und jener von Anna Mahler. Auch sind es verschiedene Generationen, die da zu Wort kommen. Eine wirkliche Anna Mahler Biografie wurde es nicht, aber trotzdem kann man aus den Interviews mit Leuten, die Anna Mahler noch selbst erlebt hatten viel Neues erfahren. Einige Auszüge der Personsbeschreibung Anna Mahler: • „Wenn Anna sprach, dann war das ein Vortrag. … Sie wollte für etwas anerkannt werden, was sie gemacht hatte. Sie wollte von der Nachwelt erinnert werden, als jemand, der etwas getan hatte.“ (Seite 137) • „Sie war zart, aber sie war stark wie ein Stier.“ (Seite 138) • „Ich habe Anna nie krank gesehen.“ (Seite 140) • „… und jeder ist gekommen mit Büchern für Autogramme. Aber es waren Bücher über ihren Vater. … das muss sie geärgert und gekränkt haben, … dass die Leute den Ruhm ihres Vaters auf sie übertragen haben.“ (Seite 186/187) • „Aber ihr Herz war jung. Sie war ein junger Mensch. Sie hat auch nie über Krankheit gesprochen. Sie hat sich nie beklagt.“ (Seite 187) • „She was a Weltbürger“ Sie sagte über sich selbst „Nobody should write a sentence about me.“ (Seite 189) • „Sie war eine sehr unerfüllte Person und sie war nicht glücklich mit sich selbst.“ (Seite 247) • „Ja. Anna war wirklich links. Sie lebte Kommunismus.“ (Seite 249) • Sie hatte neben ihren Ehen auch ein Verhältnis mit dem österreichischen Bundeskanzler Schuschnigg. • Österreich hasste sie. England und Italien liebte sie. • Einer der Ehemänner, Ernst Krenek, sagte der Autorin „Die zweite Symphonie … ist gewidmet der Anna Mahler.“ (Seite 270) • Sie unterrichtete an der UCLA, wurde aber nach einigen Jahren nicht mehr engagiert. „Sie hatte kaum Theorien. Sie war nicht akademisch.“ (Seite 324) Sie war eine Künstlerin, eine Bildhauerin. • „Ich meine, sie ging nie wirklich zur Schule, sie lernte nie richtig schreiben. Sie hielt beim Schreiben die Feder so nach innen wie den Stift beim Zeichnen. ... ihr Schreiben war eine Art unleserlicher Form zu zeichnen. Die Briefe waren interessant anzusehen.“ (Seite 331) Einerseits wollte Anna Mahler von ihrem Vater unterschieden werden, andererseits hat sie trotz 4 Ehen immer den Namen Mahler behalten. Marlene Streeruwitz mischt hier mehrere Geschichten zu einer Melange: • Ihr zehntägiger Aufenthalt in Los Angelos, bei dem sie viel Zeit alleine hat. Zeit zum Nachdenken über ihr eigenes Leben. • Anna Mahler, die sie mit Interviews von Zeitzeugen beschreiben lässt. • Das Leben der Leute, die sie in Amerika trifft und deren Schicksale. • Ihr eigenes Leben und ihre eigenen Probleme. Die großen und die kleinen. Letztlich bleibt es ein Reisetagebuch. Über viele Seiten schildert sie Straßen, die sie gefahren ist. Das erinnert an den Griechen Markaris, der in seinen Romanen auch seitenlang Fahrten in der Stadt Athen schildert. Unwichtigkeiten. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } STREERUWITZ, Marlene: „Nachwelt.“, Frankfurt 2006 Am Cover nennt sich das Buch „Roman“, auf der Innenseite dann „Ein Reisebericht“. Eigentlich ist es ein Tagebuch eines Amerikaaufenthalts. Zehn Tage werden genau beschrieben. Vom 1. bis zum 10. März 1990. Die Protagonistin und Hauptperson des Romans, der Berichterstattung, ist Margarethe. Die Amerikaner nannten sie Margaux. Es dürfte sich um die Autorin selbst handeln. Sie befand sich in Kalifornien, um über Anna Mahler, der Tochter Alma Mahlers und des berühmten Musikers, der Annas Vaters ist, zu schreiben. Stilistisch gehört der Roman zu den früheren Werken von Streeruwitz - es ist ihr zweiter Roman -, in denen sie mit kurzen Sätzen formuliert. In diesem, ihrem „Reisebericht“, werden alle Details festgehalten, auch dass sie „nochmals aufstehen und aufs Klo gehen musste.“ (Seite 94) Vielleicht lag das detaillierte Berichten auch daran, dass sie bei diesem Amerikaaufenthalt oft alleine war. Nur unter Tags hatte sie Treffen mit Leuten, die ihr über Anna Mahler berichteten. Sie rückte mit einem Aufnahmegerät an und hielt alles Gesagte fest. Auch im Buch wird es wiedergegeben, wenn etwa der 88-jährige Witwer über seine Anna berichtet. Er erzählt wie er Anna in Wien kennengelernt hatte. „Zweifelsohne war ich wahnsinnig verliebt in sie. Sie hatte andere Affären. Sie ging damit ganz offen um. Sie war mit Zolnay verheiratet. Aber die Ehe war in Auflösung.“ (Seite 79) Als Hitler in Österreich einmarschierte mussten sie flüchten. Zuerst nach London und dann nach Amerika. Obwohl Anna Klavierspielen lernte, wollte sie – wegen des berühmten Mahler Vater – Nichts mit Musik zu tun haben und wurde Bildhauerin. Ihr Ziel war es „Schönheit herzustellen.“ In Amerika angekommen war sie eine Ausländerin. Die Geschichte wiederholt sich immer wieder. Flüchtlinge im 21. Jahrhundert werden ähnlich behandelt wie die Migranten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Anna war von London nach Amerika gekommen. Sie wurde in der Schule wegen ihres englischen Akzents gehänselt. „Sie war eine Ausländerin und eine Jüdin und das Kind eines berühmten Vaters.“ (Seite 84) Alle Mahler Frauen hatten nur Töchter „Alma hatte nur Töchter gehabt. Anna Töchter. Alma, die Enkelin, Töchter. Anna, die Urenkelin, eine Tochter Alma.“ (Seite 33) Neben den Recherchen über Anna Mahler wird auch die Lebensgeschichte der Protagonistin (der Autorin) beschrieben. Ihre in Österreich zurückgebliebene Tochter, der Ex-Ehemann und der Geliebte, der nicht mitkommen wollte oder nicht mitkommen konnte. Hier in Amerika kommt sie auch selbst zum Nachdenken; über sich. So wird es ein Verweben von zwei Geschichten: jene der Autorin, der Erzählerin und jener von Anna Mahler. Auch sind es verschiedene Generationen, die da zu Wort kommen. Eine wirkliche Anna Mahler Biografie wurde es nicht, aber trotzdem kann man aus den Interviews mit Leuten, die Anna Mahler noch selbst erlebt hatten viel Neues erfahren. Einige Auszüge der Personsbeschreibung Anna Mahler: • „Wenn Anna sprach, dann war das ein Vortrag. … Sie wollte für etwas anerkannt werden, was sie gemacht hatte. Sie wollte von der Nachwelt erinnert werden, als jemand, der etwas getan hatte.“ (Seite 137) • „Sie war zart, aber sie war stark wie ein Stier.“ (Seite 138) • „Ich habe Anna nie krank gesehen.“ (Seite 140) • „… und jeder ist gekommen mit Büchern für Autogramme. Aber es waren Bücher über ihren Vater. … das muss sie geärgert und gekränkt haben, … dass die Leute den Ruhm ihres Vaters auf sie übertragen haben.“ (Seite 186/187) • „Aber ihr Herz war jung. Sie war ein junger Mensch. Sie hat auch nie über Krankheit gesprochen. Sie hat sich nie beklagt.“ (Seite 187) • „She was a Weltbürger“ Sie sagte über sich selbst „Nobody should write a sentence about me.“ (Seite 189) • „Sie war eine sehr unerfüllte Person und sie war nicht glücklich mit sich selbst.“ (Seite 247) • „Ja. Anna war wirklich links. Sie lebte Kommunismus.“ (Seite 249) • Sie hatte neben ihren Ehen auch ein Verhältnis mit dem österreichischen Bundeskanzler Schuschnigg. • Österreich hasste sie. England und Italien liebte sie. • Einer der Ehemänner, Ernst Krenek, sagte der Autorin „Die zweite Symphonie … ist gewidmet der Anna Mahler.“ (Seite 270) • Sie unterrichtete an der UCLA, wurde aber nach einigen Jahren nicht mehr engagiert. „Sie hatte kaum Theorien. Sie war nicht akademisch.“ (Seite 324) Sie war eine Künstlerin, eine Bildhauerin. • „Ich meine, sie ging nie wirklich zur Schule, sie lernte nie richtig schreiben. Sie hielt beim Schreiben die Feder so nach innen wie den Stift beim Zeichnen. ... ihr Schreiben war eine Art unleserlicher Form zu zeichnen. Die Briefe waren interessant anzusehen.“ (Seite 331) Einerseits wollte Anna Mahler von ihrem Vater unterschieden werden, andererseits hat sie trotz 4 Ehen immer den Namen Mahler behalten. Marlene Streeruwitz mischt hier mehrere Geschichten zu einer Melange: • Ihr zehntägiger Aufenthalt in Los Angelos, bei dem sie viel Zeit alleine hat. Zeit zum Nachdenken über ihr eigenes Leben. • Anna Mahler, die sie mit Interviews von Zeitzeugen beschreiben lässt. • Das Leben der Leute, die sie in Amerika trifft und deren Schicksale. • Ihr eigenes Leben und ihre eigenen Probleme. Die großen und die kleinen. Letztlich bleibt es ein Reisetagebuch. Über viele Seiten schildert sie Straßen, die sie gefahren ist. Das erinnert an den Griechen Markaris, der in seinen Romanen auch seitenlang Fahrten in der Stadt Athen schildert. Unwichtigkeiten. |
TURRINI, Peter Im Namen der Liebe - Gedichte Buch 2020. @book{TURRINI2020b, title = {Im Namen der Liebe - Gedichte}, author = {Peter TURRINI}, year = {2020}, date = {2020-10-10}, abstract = {TURRINI, Peter: „Im Namen der Liebe“, Frankfurt 2018 Die erste Version dieses Gedichtbandes erschien 1993. Mit seiner Lebensgefährtin Silke Hassler als Herausgeberin erschien es im Jahr 2005 neu mit neuen Gedichten ergänzt. Die Gedichte spannen einen Bogen von der feurigen Liebe über erste Konflikte, Streit, Trennung und letztlich wieder zum positiven Teil, der Sehnsucht. Die Herausgeberin sagt es sehr schön: „Die Gedichtsammlung beginnt mit der Beschreibung des hingebungsvollen und nicht enden wollenden Glücks einer noch frischen Liebe, erzählt von den ersten Trübungen, steigert sich über den Betrug und die Lüge zur kämpferischen Auseinandersetzung, führt in die Verzweiflung, Zerstörung und den Irrsinn und endet schließlich in der Erschöpfung und Resignation der Liebenden.“ (Seite 125) Als doch positiver Mensch möchte ich ein Gedicht aus dem ersten Abschnitt hier wiedergeben: „Am Ende des Horizontes Brennt ein Feuer. Ich verständige sämtliche Feuerwehren Der Umgebung und eile mit ihnen an den Ort des Brandes. Dort brennt kein Haus. Kein Stadel, kein Strohhaufen. Dort stehst du. Du zeigst auf dein brennendes Herz lächelst und forderst mich auf auch das meine zu entzünden. Ich hätte ja genug Feuerwehren mitgebracht.“ }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } TURRINI, Peter: „Im Namen der Liebe“, Frankfurt 2018 Die erste Version dieses Gedichtbandes erschien 1993. Mit seiner Lebensgefährtin Silke Hassler als Herausgeberin erschien es im Jahr 2005 neu mit neuen Gedichten ergänzt. Die Gedichte spannen einen Bogen von der feurigen Liebe über erste Konflikte, Streit, Trennung und letztlich wieder zum positiven Teil, der Sehnsucht. Die Herausgeberin sagt es sehr schön: „Die Gedichtsammlung beginnt mit der Beschreibung des hingebungsvollen und nicht enden wollenden Glücks einer noch frischen Liebe, erzählt von den ersten Trübungen, steigert sich über den Betrug und die Lüge zur kämpferischen Auseinandersetzung, führt in die Verzweiflung, Zerstörung und den Irrsinn und endet schließlich in der Erschöpfung und Resignation der Liebenden.“ (Seite 125) Als doch positiver Mensch möchte ich ein Gedicht aus dem ersten Abschnitt hier wiedergeben: „Am Ende des Horizontes Brennt ein Feuer. Ich verständige sämtliche Feuerwehren Der Umgebung und eile mit ihnen an den Ort des Brandes. Dort brennt kein Haus. Kein Stadel, kein Strohhaufen. Dort stehst du. Du zeigst auf dein brennendes Herz lächelst und forderst mich auf auch das meine zu entzünden. Ich hätte ja genug Feuerwehren mitgebracht.“ |
BRANDSTETTER, Alois Lebensreise Buch 2020. @book{BRANDSTETTER2020b, title = {Lebensreise}, author = {Alois BRANDSTETTER}, year = {2020}, date = {2020-10-08}, abstract = {BRANDSTETTER, Alois: „Lebensreise“, Salzburg Wien 2020 Ich habe einen zweifachen Bezug zu Alois Brandtstetter: • Er war an der Universität Klagenfurt der Chef meines Bruders und • ich hatte ihn zwei Mal zu einer Lesung in meiner Heimatgemeinde, wo ich Kulturveranstaltungen organisierte. Der anerkannte Dichter Alois Brandstetter ist 80 Jahre alt und blickt auf sein Leben zurück. Anekdoten und Erzählung aus Kindheit und Jugend aus seinem oberösterreichischen Geburtsort und Betrachtungen des weiteren Lebens. Den Rahmen gibt er der Erzählung mit einer Reise auf den Spuren seines Namenspatrons Aloysius. Ältere Menschen sind oft mehr vergangenheits- als zukunftsorientiert. Sie erzählen gerne aus „der guten alten Zeit“. So auch der Autor, der seinen achtzigsten Geburtstag hinter sich hatte, als er das Buch schrieb. Auch der Titel „Lebensreise“ sagt schon, dass es eine Rückschau seines Lebens ist. Es sind aneinandergereihte Eindrücke und Erzählungen. Teilweise wirken sie chaotisch und nicht zusammengehörig. Aber mit seinem Namenspatron, dem heiligen Aloisius, bringt er wieder Systematik hinein. Oft sind diese Übergänge aber lange Eselsbrücken. Die heutige Generation ist Google-orientiert. Das heißt es wird nur das nachgeschaut, was man gerade fragen will. Aktiv kommt keine Information aus Google heraus. Dieser Erzählband ist aber wirklich ein erzählendes Werk und man erfährt Dinge, nach denen man nicht gefragt hätte. Brandstetter ist ein bekennender Katholik und viele seiner Erzählungen haben einen religiösen Hintergrund. • Über die Linkskatholiken meinte er, der konservative Autor, dass sie „oft mehr links als katholisch sind.“ (Seite 21) • Was mir bisher noch nicht aufgefallen ist berichtet Brandstetter: „in vielen katholischen Kirchen in Österreich hat die Kirchenleitung etwa den Orthodoxen – den Griechisch-orthodoxen, den Serbisch-orthodoxen oder Russisch-orthodoxen – Benützungsrechte eingeräumt.“ (Seite 53) • Er klärt auch auf, dass katholische Priester bei der Wandlung anstelle von vergorenem Wein, auch Traubensaft verwenden können. Ich kenne zwar keinen Priester, der damit die Messe liest, aber es war interessant zu hören (zu lesen). • Dass der Erzbischof von Paris – Jean-Marie Lustiger – von dem ich während meines Paris-Aufenthalts viele Abendmessen erlebt habe, Jude war und zum katholischen Glauben konvertierte, erfuhr ich hier. • Mein Bruder war Mönch im Benediktinerstift Sankt Paul und so habe ich die Holzschnitte des Mönchs Lobisser kennengelernt. Brandstetter ergänzt dies für mich: „In Sankt Paul war es dann ein hübsches Mädchen, das er portraitierte und auch als Modell in vielen Genrebildern verewigte, mit dem er auch in einer Expositur, einem Atelier des Stiftes, lebte, bis er sie nach seinem Austritt aus dem Orden heiratete.“ (Seite 213) Beim Lobissers-Fall meint er auch „Es gibt wohl doch auch im Falschen das Richtige?“ • Die aktuelle Situation der Kirche bringt er mit seiner Heimatgemeinde: „60 Prozent der Katholiken in Pichl besuchten laut einer Besucherzählung damals, in meiner Jugend, den Gottesdienst, heute sind es angeblich nur noch 5 Prozent.“ (Seite 382) Auch so manche Formulierung bringt den Leser zum Schmunzeln: • „Und über die Metaphysiker dachte Kant, sie seien Denker, die Ochsen melken und ein Sieb darunter halten!“ (Seite 9) • Über Kaiser Maximilian berichtet er, dass dieser testamentarisch festgelegt hatte, dass er nach seinem Tod geschoren werden soll, dass ihm die Zähne gebrochen werden sollen und dass er in seinem Sarg mit Asche und Kalk überschüttet werden soll. Das entspräche dem Sprichwort „in Sack und Asche Buße tun“. • Wenn man den Namen „München“ ausspricht denkt man wenig an den Hintergrund. Brandstetter nennt ihn: er kommt von „bei den Mönchen“. Immer wieder kommt auch der Pädagoge und der Germanist durch, wenn er etwa erklärt, dass das griechische Wort Sarkophag eigentlich „Fleischfresser heißt. Die Leichen werden aufgefressen. Viel Schrulliges wird auch geschildert. Den Abfall König Heinrichs VIII. von Rom vergleicht er mit dem heutigen BREXIT, dem Austritt Englands aus der Europäischen Union. Seine Beziehungen zu vielen österreichischen Dichterkollegen unterlegt er auch mit lustigen Informationen, wie etwa, dass Marlen Haushofer in einem Jahr 286 Fehlstunden in der Schule hatte. „Martin Walser hat den Schriftsteller als einen Menschen definiert, der unzufrieden ist und dem „etwas fehlt.““ (Seite 188) – Brandstetter ist ein Schriftsteller. Der Kreis der Erzählung kommt immer wieder zu Aloysius, dem Heiligen, zurück, endet aber mit der, im Jahr 2020 ausgebrochenen COVID19 Pandemie. Auch das sehr persönlich: er besuchte ein chinesisches Restaurant. Dieses war leer. Er war der einzige Gast. Später erfuhr er, dass es wegen COVID19 gemieden wurde. Er wartete ängstlich zwei Wochen, ob er sich angesteckt habe… }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } BRANDSTETTER, Alois: „Lebensreise“, Salzburg Wien 2020 Ich habe einen zweifachen Bezug zu Alois Brandtstetter: • Er war an der Universität Klagenfurt der Chef meines Bruders und • ich hatte ihn zwei Mal zu einer Lesung in meiner Heimatgemeinde, wo ich Kulturveranstaltungen organisierte. Der anerkannte Dichter Alois Brandstetter ist 80 Jahre alt und blickt auf sein Leben zurück. Anekdoten und Erzählung aus Kindheit und Jugend aus seinem oberösterreichischen Geburtsort und Betrachtungen des weiteren Lebens. Den Rahmen gibt er der Erzählung mit einer Reise auf den Spuren seines Namenspatrons Aloysius. Ältere Menschen sind oft mehr vergangenheits- als zukunftsorientiert. Sie erzählen gerne aus „der guten alten Zeit“. So auch der Autor, der seinen achtzigsten Geburtstag hinter sich hatte, als er das Buch schrieb. Auch der Titel „Lebensreise“ sagt schon, dass es eine Rückschau seines Lebens ist. Es sind aneinandergereihte Eindrücke und Erzählungen. Teilweise wirken sie chaotisch und nicht zusammengehörig. Aber mit seinem Namenspatron, dem heiligen Aloisius, bringt er wieder Systematik hinein. Oft sind diese Übergänge aber lange Eselsbrücken. Die heutige Generation ist Google-orientiert. Das heißt es wird nur das nachgeschaut, was man gerade fragen will. Aktiv kommt keine Information aus Google heraus. Dieser Erzählband ist aber wirklich ein erzählendes Werk und man erfährt Dinge, nach denen man nicht gefragt hätte. Brandstetter ist ein bekennender Katholik und viele seiner Erzählungen haben einen religiösen Hintergrund. • Über die Linkskatholiken meinte er, der konservative Autor, dass sie „oft mehr links als katholisch sind.“ (Seite 21) • Was mir bisher noch nicht aufgefallen ist berichtet Brandstetter: „in vielen katholischen Kirchen in Österreich hat die Kirchenleitung etwa den Orthodoxen – den Griechisch-orthodoxen, den Serbisch-orthodoxen oder Russisch-orthodoxen – Benützungsrechte eingeräumt.“ (Seite 53) • Er klärt auch auf, dass katholische Priester bei der Wandlung anstelle von vergorenem Wein, auch Traubensaft verwenden können. Ich kenne zwar keinen Priester, der damit die Messe liest, aber es war interessant zu hören (zu lesen). • Dass der Erzbischof von Paris – Jean-Marie Lustiger – von dem ich während meines Paris-Aufenthalts viele Abendmessen erlebt habe, Jude war und zum katholischen Glauben konvertierte, erfuhr ich hier. • Mein Bruder war Mönch im Benediktinerstift Sankt Paul und so habe ich die Holzschnitte des Mönchs Lobisser kennengelernt. Brandstetter ergänzt dies für mich: „In Sankt Paul war es dann ein hübsches Mädchen, das er portraitierte und auch als Modell in vielen Genrebildern verewigte, mit dem er auch in einer Expositur, einem Atelier des Stiftes, lebte, bis er sie nach seinem Austritt aus dem Orden heiratete.“ (Seite 213) Beim Lobissers-Fall meint er auch „Es gibt wohl doch auch im Falschen das Richtige?“ • Die aktuelle Situation der Kirche bringt er mit seiner Heimatgemeinde: „60 Prozent der Katholiken in Pichl besuchten laut einer Besucherzählung damals, in meiner Jugend, den Gottesdienst, heute sind es angeblich nur noch 5 Prozent.“ (Seite 382) Auch so manche Formulierung bringt den Leser zum Schmunzeln: • „Und über die Metaphysiker dachte Kant, sie seien Denker, die Ochsen melken und ein Sieb darunter halten!“ (Seite 9) • Über Kaiser Maximilian berichtet er, dass dieser testamentarisch festgelegt hatte, dass er nach seinem Tod geschoren werden soll, dass ihm die Zähne gebrochen werden sollen und dass er in seinem Sarg mit Asche und Kalk überschüttet werden soll. Das entspräche dem Sprichwort „in Sack und Asche Buße tun“. • Wenn man den Namen „München“ ausspricht denkt man wenig an den Hintergrund. Brandstetter nennt ihn: er kommt von „bei den Mönchen“. Immer wieder kommt auch der Pädagoge und der Germanist durch, wenn er etwa erklärt, dass das griechische Wort Sarkophag eigentlich „Fleischfresser heißt. Die Leichen werden aufgefressen. Viel Schrulliges wird auch geschildert. Den Abfall König Heinrichs VIII. von Rom vergleicht er mit dem heutigen BREXIT, dem Austritt Englands aus der Europäischen Union. Seine Beziehungen zu vielen österreichischen Dichterkollegen unterlegt er auch mit lustigen Informationen, wie etwa, dass Marlen Haushofer in einem Jahr 286 Fehlstunden in der Schule hatte. „Martin Walser hat den Schriftsteller als einen Menschen definiert, der unzufrieden ist und dem „etwas fehlt.““ (Seite 188) – Brandstetter ist ein Schriftsteller. Der Kreis der Erzählung kommt immer wieder zu Aloysius, dem Heiligen, zurück, endet aber mit der, im Jahr 2020 ausgebrochenen COVID19 Pandemie. Auch das sehr persönlich: er besuchte ein chinesisches Restaurant. Dieses war leer. Er war der einzige Gast. Später erfuhr er, dass es wegen COVID19 gemieden wurde. Er wartete ängstlich zwei Wochen, ob er sich angesteckt habe… |
CAESAR, Gaius Julius Der gallische Krieg Artikel 2020. @article{CAESAR2020, title = {Der gallische Krieg}, author = {Gaius Julius CAESAR}, year = {2020}, date = {2020-10-01}, abstract = {CAESAR, Gaius Julius: „Der gallische Krieg“, München 1968(?) Für meine Lateinmatura – ich musste sie nach einem HTL Abschluss und einem geisteswissenschaftlichen Studium nachmachen – las ich das Buch in Latein. Jetzt im Alter „leistete“ ich es mir und las die deutsche Übersetzung. Caesar war nicht nur ein guter und bekannter Herrscher und Feldherr, er war auch Schriftsteller. Im vorliegenden Buch beschreibt er seinen Einsatz als Feldherr im 9 Jahre dauernden Krieg gegen Gallien. Jedem Kriegsjahr widmet er ein Kapitel (er bezeichnete es als „Buch“). Vor Kurzem habe ich eine Biografie Prinz Eugens gelesen und die Schilderung der Schlachten hat sich in den über 1500 Jahren wenig geändert. Der Senat Roms hatte Caesar mit der Eroberung Galliens beauftragt. In diesen Buchbeschreibungen kann man die einzelnen Feldzüge sehr detailliert nachverfolgen. Sie sind aus dem Blickwinkel des Feldherrn und Autors geschrieben; also subjektiv. Gallien bestand aus verschiedensten Stämmen, mit denen Caesar Krieg führen oder verhandeln musste. Die Namen der Stämme sind heute in Vergessenheit geraten. Manche von ihnen waren Verbündete, andere stolze Kämpfer. Gleich im ersten Buch wird beschrieben, wie den Helvetiern ihr Land zu klein geworden war und sie auswanderten um neues Gebiet zu erobern. Caesar stellte sie und trieb sie in ihr angestammtes Gebiet zurück. Basierend auf diesem Erfolg begann er im Folgejahr mit der schrittweisen Eroberung Galliens. Als Vorwand für den ersten Angriff nahm er den Aufstand der Belger. In acht Büchern werden die verschiedensten Kriege, die Caesar gegen die Gallier geschlagen hatte, vom Feldherrn selbst beschrieben. Ausgenommen ist lediglich das achte Buch, das er nicht mehr selbst verfasst hat. Er war schon berühmt und berichtet in seinem letzten Satz „Als meine Erfolge durch meine Berichte in Rom bekannt wurden, wurde ein Dankfest von zwanzig Tagen abgehalten.“ (Seite 186) Als Student musste ich diese Kriegsberichte in Latein lesen. Ob das aber wirklich junge Menschen interessiert? Für eine Militärakademie vielleicht. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {article} } CAESAR, Gaius Julius: „Der gallische Krieg“, München 1968(?) Für meine Lateinmatura – ich musste sie nach einem HTL Abschluss und einem geisteswissenschaftlichen Studium nachmachen – las ich das Buch in Latein. Jetzt im Alter „leistete“ ich es mir und las die deutsche Übersetzung. Caesar war nicht nur ein guter und bekannter Herrscher und Feldherr, er war auch Schriftsteller. Im vorliegenden Buch beschreibt er seinen Einsatz als Feldherr im 9 Jahre dauernden Krieg gegen Gallien. Jedem Kriegsjahr widmet er ein Kapitel (er bezeichnete es als „Buch“). Vor Kurzem habe ich eine Biografie Prinz Eugens gelesen und die Schilderung der Schlachten hat sich in den über 1500 Jahren wenig geändert. Der Senat Roms hatte Caesar mit der Eroberung Galliens beauftragt. In diesen Buchbeschreibungen kann man die einzelnen Feldzüge sehr detailliert nachverfolgen. Sie sind aus dem Blickwinkel des Feldherrn und Autors geschrieben; also subjektiv. Gallien bestand aus verschiedensten Stämmen, mit denen Caesar Krieg führen oder verhandeln musste. Die Namen der Stämme sind heute in Vergessenheit geraten. Manche von ihnen waren Verbündete, andere stolze Kämpfer. Gleich im ersten Buch wird beschrieben, wie den Helvetiern ihr Land zu klein geworden war und sie auswanderten um neues Gebiet zu erobern. Caesar stellte sie und trieb sie in ihr angestammtes Gebiet zurück. Basierend auf diesem Erfolg begann er im Folgejahr mit der schrittweisen Eroberung Galliens. Als Vorwand für den ersten Angriff nahm er den Aufstand der Belger. In acht Büchern werden die verschiedensten Kriege, die Caesar gegen die Gallier geschlagen hatte, vom Feldherrn selbst beschrieben. Ausgenommen ist lediglich das achte Buch, das er nicht mehr selbst verfasst hat. Er war schon berühmt und berichtet in seinem letzten Satz „Als meine Erfolge durch meine Berichte in Rom bekannt wurden, wurde ein Dankfest von zwanzig Tagen abgehalten.“ (Seite 186) Als Student musste ich diese Kriegsberichte in Latein lesen. Ob das aber wirklich junge Menschen interessiert? Für eine Militärakademie vielleicht. |
Betriebsges.m.b.H., Schallaburg (Hrsg.) DONAU, Menschen, Schätze & Kulturen – Eine Reise vom Schwarzen Meer zur Schallaburg Buch 2020. @book{Betriebsges.m.b.H.2020, title = {DONAU, Menschen, Schätze & Kulturen – Eine Reise vom Schwarzen Meer zur Schallaburg}, editor = {Schallaburg Betriebsges.m.b.H.}, year = {2020}, date = {2020-09-30}, abstract = {Schallaburg Betriebsges.m.b.H. (Hg): „DONAU, Menschen, Schätze & Kulturen – Eine Reise vom Schwarzen Meer zur Schallaburg“, Schallaburg 2020 Im Zuge der Jahresausstellung der Schallaburg entstand dieses Buch, das im Zuge von COVID 19 eine stärkere Funktion bekam. Bedingt durch die Pandemievorsorgemaßnahmen hat das Buch über die Ausstellung eine höhere Bedeutung. Der Ausstellungsbesuch kann so zu einem „Homeoffice-Besuch“ werden. In zehn Etappen wird die Donau von ihrer Mündung ins Schwarze Meer bis Melk – dem nächsten Punkt zur Schallaburg – beschrieben. Es wird hier nicht nur eine Reise am Fluss beschrieben, sondern auch die sozialen, historischen und kulturellen Hintergründe. Also mehr als eine Kreuzfahrt. Bei einer schönen Landschaft, wie es das Donautal ist, sind auch die Bilder des Buches wichtig und bedeutsam. Wer also die Ausstellung nicht besuchen konnte, kann hier nachlesen und nacherleben. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } Schallaburg Betriebsges.m.b.H. (Hg): „DONAU, Menschen, Schätze & Kulturen – Eine Reise vom Schwarzen Meer zur Schallaburg“, Schallaburg 2020 Im Zuge der Jahresausstellung der Schallaburg entstand dieses Buch, das im Zuge von COVID 19 eine stärkere Funktion bekam. Bedingt durch die Pandemievorsorgemaßnahmen hat das Buch über die Ausstellung eine höhere Bedeutung. Der Ausstellungsbesuch kann so zu einem „Homeoffice-Besuch“ werden. In zehn Etappen wird die Donau von ihrer Mündung ins Schwarze Meer bis Melk – dem nächsten Punkt zur Schallaburg – beschrieben. Es wird hier nicht nur eine Reise am Fluss beschrieben, sondern auch die sozialen, historischen und kulturellen Hintergründe. Also mehr als eine Kreuzfahrt. Bei einer schönen Landschaft, wie es das Donautal ist, sind auch die Bilder des Buches wichtig und bedeutsam. Wer also die Ausstellung nicht besuchen konnte, kann hier nachlesen und nacherleben. |
SEETHALER, Robert Der letzte Satz Buch 2020. @book{SEETHALER2020, title = {Der letzte Satz}, author = {Robert SEETHALER}, year = {2020}, date = {2020-09-27}, abstract = {SEETHALER, Robert: „Der letzte Satz“, München 2020 Seethaler stellt den Musiker und Komponisten Gustav Mahler am Ende seines Lebens dar. Es beginnt mit einer Schifffahrt über den Atlantik, bei der über verschiedene Dinge nachdenkt. So erfährt man als Leser, dass Mahler beim Komponieren Anleihen bei Vogelstimmen nahm. Vögel, die er gar nicht kannte und ihnen eigene Namen gab. „Er nannte sie Einsinger, Schwarzhäubchen oder Wilde Dirn.“ (Seite 17) Schöne Gedanken kamen auf, wie etwa sein Bezug zur Tochter und Ehefrau Alma, wenn es heißt „Aber ich habe Glück. Dort draußen läuft ein Glück im Gras herum, und hier drinnen sitzt ein anderes mit mir am Tisch. Ich habe alles, was ich mir wünsche. Ich bin ein glücklicher Mann.“ (Seite 19) Er liebte seine Alma, wusste aber nicht, wie es mit ihr aussah. „Sie ist mein Glück. Ich weiß nicht, ob ich sie verdient habe. Du kannst dir die Liebe nicht verdienen.“ (Seite 55) Alma war wesentlich jünger. Er lernte sie bei einem Wiener Gesellschaftsabend kennen. Vier Monate später heirateten sie in der Karlskirche. Nur sieben Personen waren anwesend. Ganz so glücklich war dieses Leben dann doch nicht. Seine Frau verliebte sich in einen Baumeister. Es kam zu Auseinandersetzungen. Mahler litt sehr darunter. Alma blieb aber bei ihm. Nun, für die Ehe blieb bei ihm, dem Workoholiker wenig Zeit. In seiner ersten Saison nach der Hochzeit leitete er 54 Aufführungen und an die hundert Proben. Daneben noch die Administration der Wiener Oper. 1907 demissionierte er in Wien und übersiedelte mit Familie nach New York um für die Metropolitan Opera zu arbeiten. In seiner Verzweiflung, die von ihm geliebte Frau zu verlieren, fuhr er nach Holland um Prof. Sigmund Freud zu treffen. Aber auch der konnte ihm nicht helfen. Nach einem vierstündigen Gespräch attestierte der Arzt Freud „An ihrer Persönlichkeit wurde vielleicht ein bisschen gerüttelt. Ansonsten sind sie putzmunter und vor allem kein kleines Kind mehr.“ (Seite 100) Mit auf der Schiffsreise neben seiner Frau Alma auch die Tochter Anna. Die ältere Tochter war früh gestorben. Auch daran dachte er bei dieser, seiner letzten Überfahrt über den Atlantik. Bei den vielen Fahrten über das Meer nützte er die Zeit, um sich für die bevorstehenden Konzerte vorzubereiten. Seine Frau ließ eine Büste von Rodin in Paris anfertigen. Mahler wollte das nicht und ließ es widerwillig über sich ergehen. Rodin drückte ihm zum Abschied die Hand. Sie erschien Mahler „so hart und trocken, als wäre sie selbst aus Stein gehauen.“ (Seite 40) Mahler plagten verschiedenste Schmerzen, die aber beim Dirigieren verschwunden waren. Zur Musik fand er schon als Kind, als man ihm Holzklötze auf die Klavierpedal schraubte, damit er sie beim Spielen erreichte. Ein Jahr vor seinem Tod dann die Uraufführung der 8. Symphonie in München. Dazu hatte man eine eigene Halle für 4000 Besucher gebaut. Diese Symphonie sollte das Größte werden. Seine Agentur nannte es „die Symphonie der Tausend“. Das Orchester umfasste 180 Musiker, dazu ein Chor mit 500 Sängern und ein Kinderchor mit 350. Eine Münchner Tageszeitung schrieb „Das Werk grenzt nicht nur an Größenwahn. Es will ihn auch übersteigen.“ Er setzt sich gedanklich zunehmend mit dem Tod auseinander. Dämonen erschienen ihm. „Ich hätte noch so viel mehr komponieren können. Es fühlt sich an, als hätte ich gerade erst angefangen, dabei ist es schon wieder zu Ende. So ist es also mit dem Sterben, dachte er. Stillhalten und warten.“ (Seite 30) Viele Erinnerungen kamen ihm beim Aufenthalt an Deck. Er hatte Fieber. Brach dann auch zusammen und wurde vom Schiffspersonal in die Kabine gebracht. Der Schiffsjunge, der ihn immer bediente tritt im letzten Kapitel des Buches wieder auf. Er arbeitete dann im Hafen als Arbeiter. Beim Besuch einer Gastwirtschaft stößt er auf eine Zeitung, die das Bild Mahlers trägt. Er kann nicht Englisch und bittet den Wirten ihm vorzulesen, worum es geht. Der Wirt berichtet: Mahler war gestorben. „Das Begräbnis fand am zweiundzwanzigsten Mai statt. Es war eine ganze Menge Leute da. Viele Berühmtheiten. Seine Frau war nicht dabei.“ (Seite 124) Robert Seethaler beschreibt die letzten Monate des Künstlers, lässt diesen aber in seine eigene Lebensgeschichte zurückblicken und gibt so dem Leser Einblick von der Kindheit bis zum Tod, wobei der Tod selbst erst durch den Schiffsjungen, der ihn auf der letzten Atlantikquerung betreute, ausgesprochen wird. Das Buch ist keine Biografie. Dazu wäre es zu lückenhaft. Es ist ein Roman, der sich auf ein Zeitfenster beschränkt. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } SEETHALER, Robert: „Der letzte Satz“, München 2020 Seethaler stellt den Musiker und Komponisten Gustav Mahler am Ende seines Lebens dar. Es beginnt mit einer Schifffahrt über den Atlantik, bei der über verschiedene Dinge nachdenkt. So erfährt man als Leser, dass Mahler beim Komponieren Anleihen bei Vogelstimmen nahm. Vögel, die er gar nicht kannte und ihnen eigene Namen gab. „Er nannte sie Einsinger, Schwarzhäubchen oder Wilde Dirn.“ (Seite 17) Schöne Gedanken kamen auf, wie etwa sein Bezug zur Tochter und Ehefrau Alma, wenn es heißt „Aber ich habe Glück. Dort draußen läuft ein Glück im Gras herum, und hier drinnen sitzt ein anderes mit mir am Tisch. Ich habe alles, was ich mir wünsche. Ich bin ein glücklicher Mann.“ (Seite 19) Er liebte seine Alma, wusste aber nicht, wie es mit ihr aussah. „Sie ist mein Glück. Ich weiß nicht, ob ich sie verdient habe. Du kannst dir die Liebe nicht verdienen.“ (Seite 55) Alma war wesentlich jünger. Er lernte sie bei einem Wiener Gesellschaftsabend kennen. Vier Monate später heirateten sie in der Karlskirche. Nur sieben Personen waren anwesend. Ganz so glücklich war dieses Leben dann doch nicht. Seine Frau verliebte sich in einen Baumeister. Es kam zu Auseinandersetzungen. Mahler litt sehr darunter. Alma blieb aber bei ihm. Nun, für die Ehe blieb bei ihm, dem Workoholiker wenig Zeit. In seiner ersten Saison nach der Hochzeit leitete er 54 Aufführungen und an die hundert Proben. Daneben noch die Administration der Wiener Oper. 1907 demissionierte er in Wien und übersiedelte mit Familie nach New York um für die Metropolitan Opera zu arbeiten. In seiner Verzweiflung, die von ihm geliebte Frau zu verlieren, fuhr er nach Holland um Prof. Sigmund Freud zu treffen. Aber auch der konnte ihm nicht helfen. Nach einem vierstündigen Gespräch attestierte der Arzt Freud „An ihrer Persönlichkeit wurde vielleicht ein bisschen gerüttelt. Ansonsten sind sie putzmunter und vor allem kein kleines Kind mehr.“ (Seite 100) Mit auf der Schiffsreise neben seiner Frau Alma auch die Tochter Anna. Die ältere Tochter war früh gestorben. Auch daran dachte er bei dieser, seiner letzten Überfahrt über den Atlantik. Bei den vielen Fahrten über das Meer nützte er die Zeit, um sich für die bevorstehenden Konzerte vorzubereiten. Seine Frau ließ eine Büste von Rodin in Paris anfertigen. Mahler wollte das nicht und ließ es widerwillig über sich ergehen. Rodin drückte ihm zum Abschied die Hand. Sie erschien Mahler „so hart und trocken, als wäre sie selbst aus Stein gehauen.“ (Seite 40) Mahler plagten verschiedenste Schmerzen, die aber beim Dirigieren verschwunden waren. Zur Musik fand er schon als Kind, als man ihm Holzklötze auf die Klavierpedal schraubte, damit er sie beim Spielen erreichte. Ein Jahr vor seinem Tod dann die Uraufführung der 8. Symphonie in München. Dazu hatte man eine eigene Halle für 4000 Besucher gebaut. Diese Symphonie sollte das Größte werden. Seine Agentur nannte es „die Symphonie der Tausend“. Das Orchester umfasste 180 Musiker, dazu ein Chor mit 500 Sängern und ein Kinderchor mit 350. Eine Münchner Tageszeitung schrieb „Das Werk grenzt nicht nur an Größenwahn. Es will ihn auch übersteigen.“ Er setzt sich gedanklich zunehmend mit dem Tod auseinander. Dämonen erschienen ihm. „Ich hätte noch so viel mehr komponieren können. Es fühlt sich an, als hätte ich gerade erst angefangen, dabei ist es schon wieder zu Ende. So ist es also mit dem Sterben, dachte er. Stillhalten und warten.“ (Seite 30) Viele Erinnerungen kamen ihm beim Aufenthalt an Deck. Er hatte Fieber. Brach dann auch zusammen und wurde vom Schiffspersonal in die Kabine gebracht. Der Schiffsjunge, der ihn immer bediente tritt im letzten Kapitel des Buches wieder auf. Er arbeitete dann im Hafen als Arbeiter. Beim Besuch einer Gastwirtschaft stößt er auf eine Zeitung, die das Bild Mahlers trägt. Er kann nicht Englisch und bittet den Wirten ihm vorzulesen, worum es geht. Der Wirt berichtet: Mahler war gestorben. „Das Begräbnis fand am zweiundzwanzigsten Mai statt. Es war eine ganze Menge Leute da. Viele Berühmtheiten. Seine Frau war nicht dabei.“ (Seite 124) Robert Seethaler beschreibt die letzten Monate des Künstlers, lässt diesen aber in seine eigene Lebensgeschichte zurückblicken und gibt so dem Leser Einblick von der Kindheit bis zum Tod, wobei der Tod selbst erst durch den Schiffsjungen, der ihn auf der letzten Atlantikquerung betreute, ausgesprochen wird. Das Buch ist keine Biografie. Dazu wäre es zu lückenhaft. Es ist ein Roman, der sich auf ein Zeitfenster beschränkt. |
ANDRUCHOWYTSCH Juri; VELIKIC, Dragan; KISS Noemi; HVORECKY Michal Donau Buch 2020. @book{ANDRUCHOWYTSCH2020, title = {Donau}, author = {ANDRUCHOWYTSCH, Juri; VELIKIC, Dragan; KISS, Noemi; HVORECKY, Michal}, year = {2020}, date = {2020-09-23}, abstract = {ANDRUCHOWYTSCH, Juri; VELIKIC, Dragan; KISS, Noemi; HVORECKY, Michal: „Donau“, Wien 2020 Dieses kleine Buch ist zur Ausstellung „Donau – Menschen, Schätze & Kulturen“ auf der Schallaburg erschienen. Vier Autoren aus Ländern, die an die Donau grenzen haben einen Beitrag geschrieben. Es beginnt mit Andruchowytschs „Die Dekodierung des Flusses“. Ein historischer Beitrag, der Bezug nimmt auf die Besetzung der Tschechoslowakei im Jahr 1968. Der Autor war damals acht Jahre alt, als in seinem Ort Panzer auf Zugwaggons verladen wurden. Die Einwohner dachten an Krieg. Die Panzer wurden aber in die Tschechoslowakei geschickt um das, sich vom Kommunismus lossagende Land und deren Regierung wieder gefügig zu machen. Eine Besetzung durch den Warschauer Pakt. Truppen in der Stärke einer Viertel Million Mann aus der UdSSR, Polen, der DDR, Ungarns und Bulgariens marschierten ein und übernahmen alle wichtigen Einrichtungen. Das Besondere und der Grund, warum dieses Ereignis in einem Buch mit dem Titel „Donau“ vorkommt liegt daran, dass diese militärische Operation „Donau“ genannt wurde. Man wollte den östlichen Teil Europas vom Westen abgrenzen. Die Donau steht dafür, dass sie mehrere Sprachfamilien miteinander vereint: Germanisch, Slawisch, Urgo-Finnisch und Romanisch. Die Donau quert Europa vom Westen nach Osten. Die Militäraktion sollte „Mitteleuropa“ zerstören und eine klare Trennung zwischen „West“ und „Ost“ bringen. Die zweite Geschichte – von Dragan Velikic – mit dem Titel „Die Donau und ich“ stammt aus Belgrader Sicht. Sie beginnt mit dem Untergang des Schiffs „Nis“ im Jahr 1952 (kurz vor der Geburt des Autors) und endet mit einer Fahrt auf der wieder gehobenen, renovierten und mit neuem Namen versehen „Nis“, die jetzt als Ausflugsschiff „Kovin“ heißt. Als Kind war der Autor vom Wasser der Donau fasziniert und dachte, dass ihre Wellen Zeichen einer Schrift seien. Die Wellen schreiben etwas auf, dass dann auf den Grund versinkt und dort archiviert wird. „Es gibt so etwas wie ein Gedächtnis des Wassers. Eine Unzerstörbarkeit des unendlichen Wasserarchivs.“ (Seite 16) Dieser Ansicht hing auch der Fotograf Günter Schön nach, der Wasser einfror und mit dem Elektronenmikroskop fotografierte. Bunte und unterschiedliche Bilder entstanden. Auch für die Autorin Ingrid Bergner lässt in ihrem Roman „Der Rollatormann“ ihren Protagonisten daran glauben, dass Flüsse verschiedene Sprachen sprechen. Da der Autor aus Serbien kommt auch ein serbisches Sprichwort: „Die Donau ist ein Weg ohne Staub“ (Seite 18). Ja, die Donau war in seinem Land Jahrhunderte die Grenze des osmanischen und des Habsburger Reiches. Kulturen, die noch heute ihre Spuren sichtbar machen. Die Ungarin Noemi Kiss erzählt von einem Spaziergang am Silvestertag auf einer Donauinsel. Dabei erinnert sie an die, durch den Kraftwerksbau beim Eisernen Tor, untergegangene Insel Ada Kaleh. Sie war ein (umstrittenes) türkisches Hoheitsgebiet, das noch aus der osmanischen Zeit geblieben ist. Mit ihr ging ein Teil der orientalischen Kultur unter. Sehr schön die Geschichte des Slowaken Michal Hvorecky, der aus der Sicht eines 199 Jahre alten Fisches die Veränderungen der Donau erzählt. „Ich stamme aus dem Schwarzen Meer. Vor einhundertneunzig Jahren bin ich das erste Mal in die Donau gekommen um mich fortzupflanzen, ein starkes Verlangen hat mich hierhergetrieben.“ (Seite 29/30) Bedingt durch den Kraftwerksbau wurde ihm der Weg zwischen Schwarzem Meer und dem Oberlauf der Donau abgeschnitten. Er war zur Zeit der Absperrung in der Wachau und konnte nicht mehr zurück. Als er dann im hohen Alter gefangen und in ein Aquarium gesteckt wird glaubt er, das sei sein Lebensende. Die Wissenschaft aber verwendet ihn dazu, dass er jungen Fischen den Weg zum Schwarzen Meer zeigt. Die Kraftwerke haben jetzt Durchgänge, die auch für ihn neu sind. Neu, wie so vieles: „Viele Stellen an der weiteren Strecke erkannte ich nicht wieder, so sehr hat sich die Natur unter dem Einfluss der steigenden Temperaturen verändert.“ (Seite 41) Jede der Geschichten ist anders. Jede aber ist schön. Leider werden im Buch die Autoren nicht vorgestellt. Zumindest deren Herkunft wäre für das bessere Verstehen der Geschichten von Vorteil. Das tut aber der Qualität der Beiträge keinen Abbruch. Das Buch kann von beiden Seiten gelesen werde: von der einen Seite in Deutsch und von der anderen in der jeweiligen Sprache des Autors. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } ANDRUCHOWYTSCH, Juri; VELIKIC, Dragan; KISS, Noemi; HVORECKY, Michal: „Donau“, Wien 2020 Dieses kleine Buch ist zur Ausstellung „Donau – Menschen, Schätze & Kulturen“ auf der Schallaburg erschienen. Vier Autoren aus Ländern, die an die Donau grenzen haben einen Beitrag geschrieben. Es beginnt mit Andruchowytschs „Die Dekodierung des Flusses“. Ein historischer Beitrag, der Bezug nimmt auf die Besetzung der Tschechoslowakei im Jahr 1968. Der Autor war damals acht Jahre alt, als in seinem Ort Panzer auf Zugwaggons verladen wurden. Die Einwohner dachten an Krieg. Die Panzer wurden aber in die Tschechoslowakei geschickt um das, sich vom Kommunismus lossagende Land und deren Regierung wieder gefügig zu machen. Eine Besetzung durch den Warschauer Pakt. Truppen in der Stärke einer Viertel Million Mann aus der UdSSR, Polen, der DDR, Ungarns und Bulgariens marschierten ein und übernahmen alle wichtigen Einrichtungen. Das Besondere und der Grund, warum dieses Ereignis in einem Buch mit dem Titel „Donau“ vorkommt liegt daran, dass diese militärische Operation „Donau“ genannt wurde. Man wollte den östlichen Teil Europas vom Westen abgrenzen. Die Donau steht dafür, dass sie mehrere Sprachfamilien miteinander vereint: Germanisch, Slawisch, Urgo-Finnisch und Romanisch. Die Donau quert Europa vom Westen nach Osten. Die Militäraktion sollte „Mitteleuropa“ zerstören und eine klare Trennung zwischen „West“ und „Ost“ bringen. Die zweite Geschichte – von Dragan Velikic – mit dem Titel „Die Donau und ich“ stammt aus Belgrader Sicht. Sie beginnt mit dem Untergang des Schiffs „Nis“ im Jahr 1952 (kurz vor der Geburt des Autors) und endet mit einer Fahrt auf der wieder gehobenen, renovierten und mit neuem Namen versehen „Nis“, die jetzt als Ausflugsschiff „Kovin“ heißt. Als Kind war der Autor vom Wasser der Donau fasziniert und dachte, dass ihre Wellen Zeichen einer Schrift seien. Die Wellen schreiben etwas auf, dass dann auf den Grund versinkt und dort archiviert wird. „Es gibt so etwas wie ein Gedächtnis des Wassers. Eine Unzerstörbarkeit des unendlichen Wasserarchivs.“ (Seite 16) Dieser Ansicht hing auch der Fotograf Günter Schön nach, der Wasser einfror und mit dem Elektronenmikroskop fotografierte. Bunte und unterschiedliche Bilder entstanden. Auch für die Autorin Ingrid Bergner lässt in ihrem Roman „Der Rollatormann“ ihren Protagonisten daran glauben, dass Flüsse verschiedene Sprachen sprechen. Da der Autor aus Serbien kommt auch ein serbisches Sprichwort: „Die Donau ist ein Weg ohne Staub“ (Seite 18). Ja, die Donau war in seinem Land Jahrhunderte die Grenze des osmanischen und des Habsburger Reiches. Kulturen, die noch heute ihre Spuren sichtbar machen. Die Ungarin Noemi Kiss erzählt von einem Spaziergang am Silvestertag auf einer Donauinsel. Dabei erinnert sie an die, durch den Kraftwerksbau beim Eisernen Tor, untergegangene Insel Ada Kaleh. Sie war ein (umstrittenes) türkisches Hoheitsgebiet, das noch aus der osmanischen Zeit geblieben ist. Mit ihr ging ein Teil der orientalischen Kultur unter. Sehr schön die Geschichte des Slowaken Michal Hvorecky, der aus der Sicht eines 199 Jahre alten Fisches die Veränderungen der Donau erzählt. „Ich stamme aus dem Schwarzen Meer. Vor einhundertneunzig Jahren bin ich das erste Mal in die Donau gekommen um mich fortzupflanzen, ein starkes Verlangen hat mich hierhergetrieben.“ (Seite 29/30) Bedingt durch den Kraftwerksbau wurde ihm der Weg zwischen Schwarzem Meer und dem Oberlauf der Donau abgeschnitten. Er war zur Zeit der Absperrung in der Wachau und konnte nicht mehr zurück. Als er dann im hohen Alter gefangen und in ein Aquarium gesteckt wird glaubt er, das sei sein Lebensende. Die Wissenschaft aber verwendet ihn dazu, dass er jungen Fischen den Weg zum Schwarzen Meer zeigt. Die Kraftwerke haben jetzt Durchgänge, die auch für ihn neu sind. Neu, wie so vieles: „Viele Stellen an der weiteren Strecke erkannte ich nicht wieder, so sehr hat sich die Natur unter dem Einfluss der steigenden Temperaturen verändert.“ (Seite 41) Jede der Geschichten ist anders. Jede aber ist schön. Leider werden im Buch die Autoren nicht vorgestellt. Zumindest deren Herkunft wäre für das bessere Verstehen der Geschichten von Vorteil. Das tut aber der Qualität der Beiträge keinen Abbruch. Das Buch kann von beiden Seiten gelesen werde: von der einen Seite in Deutsch und von der anderen in der jeweiligen Sprache des Autors. |
BERGNER, Ingrid Der Rollatormann Buch 2020. @book{BERGNER2020, title = {Der Rollatormann}, author = {Ingrid BERGNER}, year = {2020}, date = {2020-09-22}, abstract = {BERGNER, Ingrid: „Der Rollatormann“, 2020 Manchmal lese und rezensiere ich ein Buch aus Gefälligkeit. So auch dieses. Aber manchmal – so auch hier – entpuppt es sich als gutes Buch. Also nicht nur eine Gefälligkeit, ein netter Lesegenuss. Es geht um einen älteren Mann, der sich nach einem Krankenhausaufenthalt, den er geschwächt beendet, einen Rollator kauft. Er hat keinen Computer und keinen Internetzugang. Das Krankenhauspersonal hilft ihm bei der Recherche und er wählt ein außerordentliches Sondermodell. Ein „Rollator Ferrari“, auf den er sehr stolz ist und den er wie einen Freund behandelt; Dinge mit ihm bespricht und ihn liebevoll behandelt. Im Laufe der Geschehnisse im Buch lernt man die gesamte Familie des Rollatormannes – genannt Sebastian – kennen. Seine Frau, die eigentlich einen anderen geliebt hatte, den sie aber verließ und letztlich aus Vernunftgründen Sebastian geheiratet hatte. Er aber liebt und verehrt sie, auch wenn die Beziehung nach 40 Jahren verändert ist. Romana – so heißt die Frau – lässt sich von ihm verwöhnen. Er kocht und pflegt sie. Bedingt durch den Krankenhausaufenthalt – dessen Grund der Leser aber nicht erfährt – verändert sich dieser Zugang etwas. Er ist selbst nicht mehr so mobil. Sie haben zwei Kinder: einen Sohn und eine Tochter. Die Tochter und die zukünftige Schwiegertochter kümmern sich um das Ehepaar. Mit Hilfe des Rollators kommt für Sebastian etwas Mobilität zurück. Dabei gibt es auch Rückfälle und er muss mehrmals vom Krankenwagen oder Passanten heimgebracht werden. Die Autorin zeigt sehr schön die Gedankenwelt älterer Menschen auf. Wie sie pessimistisch werden und bei vielen Dingen nur das Negative sehen. Manches gefällt ihnen nicht und grantelnd arbeiten sie dagegen. So gefällt Sebastian die neue Nachbarin nicht. Alles Neue kann für ältere Menschen ein Problem werden. Als sie noch einen Hund bekommt, will er den vergiften. Vergiftet wird aber ein anderer: der Hund des Briefträgers. Aber auch die Nachbarin selbst will er weghaben. Sie ist ihm zu rechthaberisch. Schon seine Schwiegermutter – die er anscheinend nicht geliebt hatte – mordete er, indem er Schmierseife auf die Stiegen strich und sie zu Tode stürzte. Dieselbe Methode wendete er bei der Nachbarin an. Letztlich wird der Mord aber nicht aufgedeckt und das Buch endet mit einem multiplen Happy End. Der Witwer übersiedelt nach Neuseeland und findet wieder eine Frau und die Sebastian findet seinen Frieden mit seiner Roxana, wobei der Rollator „Speed Jazz Oskar“ der Dritte im Bunde dieser Familie ist. Der Rollator ist ein wichtiger Partner für Sebastian geworden, was auch seine Frau akzeptiert, wenn sie sagt: „Ich kann mir ein Leben ohne ihn gar nicht mehr vorstellen. Er ist einer unserer treuesten Freunde geworden. Auf ihn ist Verlass. Wir haben ihn nun schon über ein Jahr, obwohl du überhaupt keine Gehhilfe mehr benötigst.“ (Seite 288) }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } BERGNER, Ingrid: „Der Rollatormann“, 2020 Manchmal lese und rezensiere ich ein Buch aus Gefälligkeit. So auch dieses. Aber manchmal – so auch hier – entpuppt es sich als gutes Buch. Also nicht nur eine Gefälligkeit, ein netter Lesegenuss. Es geht um einen älteren Mann, der sich nach einem Krankenhausaufenthalt, den er geschwächt beendet, einen Rollator kauft. Er hat keinen Computer und keinen Internetzugang. Das Krankenhauspersonal hilft ihm bei der Recherche und er wählt ein außerordentliches Sondermodell. Ein „Rollator Ferrari“, auf den er sehr stolz ist und den er wie einen Freund behandelt; Dinge mit ihm bespricht und ihn liebevoll behandelt. Im Laufe der Geschehnisse im Buch lernt man die gesamte Familie des Rollatormannes – genannt Sebastian – kennen. Seine Frau, die eigentlich einen anderen geliebt hatte, den sie aber verließ und letztlich aus Vernunftgründen Sebastian geheiratet hatte. Er aber liebt und verehrt sie, auch wenn die Beziehung nach 40 Jahren verändert ist. Romana – so heißt die Frau – lässt sich von ihm verwöhnen. Er kocht und pflegt sie. Bedingt durch den Krankenhausaufenthalt – dessen Grund der Leser aber nicht erfährt – verändert sich dieser Zugang etwas. Er ist selbst nicht mehr so mobil. Sie haben zwei Kinder: einen Sohn und eine Tochter. Die Tochter und die zukünftige Schwiegertochter kümmern sich um das Ehepaar. Mit Hilfe des Rollators kommt für Sebastian etwas Mobilität zurück. Dabei gibt es auch Rückfälle und er muss mehrmals vom Krankenwagen oder Passanten heimgebracht werden. Die Autorin zeigt sehr schön die Gedankenwelt älterer Menschen auf. Wie sie pessimistisch werden und bei vielen Dingen nur das Negative sehen. Manches gefällt ihnen nicht und grantelnd arbeiten sie dagegen. So gefällt Sebastian die neue Nachbarin nicht. Alles Neue kann für ältere Menschen ein Problem werden. Als sie noch einen Hund bekommt, will er den vergiften. Vergiftet wird aber ein anderer: der Hund des Briefträgers. Aber auch die Nachbarin selbst will er weghaben. Sie ist ihm zu rechthaberisch. Schon seine Schwiegermutter – die er anscheinend nicht geliebt hatte – mordete er, indem er Schmierseife auf die Stiegen strich und sie zu Tode stürzte. Dieselbe Methode wendete er bei der Nachbarin an. Letztlich wird der Mord aber nicht aufgedeckt und das Buch endet mit einem multiplen Happy End. Der Witwer übersiedelt nach Neuseeland und findet wieder eine Frau und die Sebastian findet seinen Frieden mit seiner Roxana, wobei der Rollator „Speed Jazz Oskar“ der Dritte im Bunde dieser Familie ist. Der Rollator ist ein wichtiger Partner für Sebastian geworden, was auch seine Frau akzeptiert, wenn sie sagt: „Ich kann mir ein Leben ohne ihn gar nicht mehr vorstellen. Er ist einer unserer treuesten Freunde geworden. Auf ihn ist Verlass. Wir haben ihn nun schon über ein Jahr, obwohl du überhaupt keine Gehhilfe mehr benötigst.“ (Seite 288) |
JORDAN, Philippe Der Klang der Stille Buch 2020. @book{JORDAN2020, title = {Der Klang der Stille}, author = {Philippe JORDAN}, year = {2020}, date = {2020-09-16}, abstract = {JORDAN, Philippe: „Der Klang der Stille“, aufgezeichnet von Haide Tenner, Salzburg Wien 2020 Für alle Liebhaber klassischer Musik ein schöner und wichtiger Beitrag. Der junge Dirigent Jordan zeigt aus seiner Sicht sein Engagement und seine Arbeit auf, wobei es sich nicht um eine Biografie, sondern um eine Beschreibung der Arbeit und des Denkens in Bezug auf Musik des Dirigenten Jordan geht. Begonnen wurde das Buch in einer sehr intensiven Periode, als Jordan noch die Doppelfunktion eines musikalischen Leiters einer Oper und eines Symphonieorchesters hatte. Die Corona-Krise und viele Veranstaltungsabsagen brachten aber Zeit dieses Buch fertig zu stellen. Für Philippe Jordan ist Musik ein Blick in eine andere Dimension. „Musik erinnert uns daran, dass es etwas gibt, das man mit dem Verstand nicht begreifen kann und auch nicht erklären kann.“ (Seite 11) Sein Vater war Dirigent und so erlebte er diesen Beruf von Kindheitstagen an. Er lernte früh Klavierspielen und trat schon als Sängerknabe auf. Zu Hause in Zürich wurde neben deutsch auch englisch gesprochen. Die Mutter kam als Flüchtling nach Wien und wuchs in Irland auf. Seine Lehrjahre verbrachte er mit Barenboim und bereits mit 27 Jahren wurde er Chefdirigent der Oper in Graz. Hier lernte er den Umgang mit der Oper, die für ihn „die größte Form der Kunst“ ist. „Wenn in der Oper alles stimmt – Sänger, Dirigent, Orchester, Chor, Regie, Bühnenbild und manchmal auch noch Tanz -, dann ist es für mich die größte Kunstform überhaupt.“ (Seite 61) 2004 dirigierte er erstmals an der Opéra National in Paris und wurde später deren Intendant. Sehr interessant dann der Abschnitt im Buch, in dem er seinen persönlichen Zugang zu den einzelnen Komponisten beschreibt. • „Mozart hat mich von Beginn meiner Laufbahn an begleitet, und ich kann mir ein Leben ohne seine größten Meisterwerke nicht vorstellen. Mozart schrieb für mich die himmlischste, die vollkommenste Musik, die je ein Mensch geschaffen hat.“ (Seite 76) • Puccini: Als junger Dirigent dirigierte er viele italienische Opern. Seine erste war Puccinis Tosca in Ulm. „Ich halte Giacomo Puccini für einen der besten Musikdramatiker und La Boheme für eine der besten Opern, die je geschrieben wurden; eine perfekte Mischung von großartigem Theater, guter Dramaturgie, Melodien voller Schmelz und einer Orchestration, die in ihrer Qualität Wagner und Strauss jederzeit vergleichbar ist.“ (Seite 79/80) • „Richard Strauss ist für mich eine Herzensangelegenheit.“ (Seite 92) Außer der Frau ohne Schatten hatte er alle Werke dirigiert. Die größte Emotionalität entwickelt Jordan beim Rosenkavalier. • Wagner: In seinen ersten zwei Jahren in Paris setzte er den gesamten Ring-Zyklus um. Für die Entwicklung eines Orchesters sei Wagner sehr wichtig. Der Ring behandelt für Jordan die großen Menschheitsthemen. „Es geht um Politik, um Wirtschaft, um Religion und Erlösung, um Verrat und Treue und um das Weltende. Sogar um Ökologie, um die Frage, wie man die Welt einmal hinterlassen wird, und natürlich um Macht und Liebe.“ (Seite 107) Für einen Dirigenten sei der Ring so etwas wie ein Ritterschlag. Im Zusammenhang mit Wagner meint er „Musik macht uns bewusst, dass es etwas Größeres, etwas Göttliches gibt, etwas Universelles, etwas, das in uns ist.“ (Seite 111) Im Abschnitt über Schubert und dessen Musik gesteht Jordan, dass er früher an eine andere Dimension nach dem Tod glaubte, das aber abgelegt habe. „Es fällt einem schwer zu glauben, dass der Tod eines Menschen so ist wie bei einem Baum, der abgehackt wird und bei dem damit alles zu Ende sein scheint. Je länger ich lebe, desto weniger Grund sehe ich jedoch, daran zu glauben, dass es nach dem Tod noch etwas anderes gibt. Wir können fast bis ans Ende des Universums schauen, betreiben Quantenphysik, Astronomie und Medizin, aber wir wissen immer noch nicht, was nach dem Tod passiert.“ (Seite 149) Aus der Sicht des Dirigenten spricht er auch über Dinge wie Akustik. Dass etwa in Bayreuth die Musik aus dem abgedeckten Orchestergraben über eine Klangschale kommt. Es gibt also für das Publikum keinen direkten Klang. Alles kommt als Reflexion. Das wieder erzeugt eine Verzögerung, die eine Zusammenarbeit zwischen Dirigenten und Sänger extrem schwierig gestaltet. Wagner wird auch das längste Kapitel im Buch gewidmet. Als Jordan in Paris Musikdirektor wurde fand er ein Orchester vor, das primär für die Oper arbeitete. Er führte Konzerte ein und gab damit dem Orchester mehr Selbstbewusstsein. Selbstkritisch sieht er auch seine Entwicklung, wenn er sagt: „Ich glaube, dass viele Dirigenten ihren Beruf in den ersten Jahren vorrangig für sich selbst ausüben, weil man mit Musik einen Teil von sich ausleben kann – ich gehöre jedenfalls dazu. Im Laufe der Zeit ändern sich die Motive – ich gehe schon lange nicht mehr für mich ans Pult, sondern mit dem Gefühl, eine Aufgabe zu haben und anderen etwas zu geben. Das ist eine neue Qualität in meinem Leben.“ (Seite 145) • Schubert: In seiner ersten Saison in Wien führte er einen Schubert Zyklus ein. Schubert sei für ihn am besten mit anderen Komponisten in einem Konzert kombinierbar. „Schubert muss liebevoll musiziert, liebevoll gearbeitet werden, braucht große Qualität im Zusammenspiel der Streicher, in der Homogenität des Klanges, in der Intonation der Holzbläser und in der Phrasierung.“ (Seite 147) • Bach wird heute fast ausschließlich von Barock-Ensembles gespielt. Jordan ist aber der Meinung, dass auch ein Symphonieorchester Bach „schlanker und entschlackter spielen kann“. Eine Freundin sagte ihm „Wenn man Bach hört, hat man das Gefühl, in dieser verrückten Welt wird doch wieder alles gut.“ Er meint, dass speziell in der heutigen Welt von Corona, einem amerikanischen Präsidenten Trump, der Klimaveränderung und vielen Tagesproblemen mit Bachs Musik wieder Zuversicht einkehren kann. „Bach ist und bleibt für uns Musiker unser tägliches Brot.“ (Seite 154) • Beethoven war Jordans zentrales Projekt, als er nach Wien übersiedelte. Er hört bei Beethoven heraus, dass der Komponist selbst Pianist war. Gerade bei Beethoven ist es ihm auch wichtig, den Musikern Bilder zu geben, was ausgedrückt werden soll. So wie Beethoven findet Jordan in der Stille der Natur seine Energie. • Bruckner: Die Annäherung an diesen Komponisten war ein steiniger Weg und auch in diesem Kapitel des Buches hagelt es schon noch Kritik, neben aller Wertschätzung. Bruckners symphonische Musik sei aus dem Orgelspiel heraus entwickelt. Sie sei auch nicht so katholisch und religiös, wie allgemein angenommen wird. Er findet sie eher mystisch und spirituell. In Bruckners Musik stecke viel vom Teufel und nicht nur vom Heiligen. „… in der Achten steigert es sich so, dass man es fast nicht mehr aushält. Man kann die Ewigkeit nicht ansehen, das blendet und brennt, wie wenn man zu lange in die Sonne schaut.“ (Seite 171) • Brahms klingt „immer gut, aber darum geht es nicht, sondern um die Frage, was er uns zu sagen hat.“ (Seite 181) • Schumann: Zum Violinkonzert meint Jordan „Ich bin sicher, dass Schumann an diesem Werk weitergearbeitet hätte, wenn sein Gesundheitszustand es zugelassen hätte und er nicht ins Sanatorium eingeliefert worden wäre. Die schleichende Geisterkrankheit ist aus dem Werk schon zu lesen.“ (Seite 189) Er gesteht aber zu, dass er dieses Werk trotz seiner Problematik mag. „Er instrumentiert ungewohnt, aber nicht schlecht.“ (Seite 190) • Strauss: Österreichische und süddeutsche Orchester spielen Strauss authentischer als andere Orchester. „Der Wiener Klang ist heller, sinnlicher, süßlicher, geschmeidiger und beweglicher.“ (Seite 194) Im Buch kommen nicht nur sachliche Fakten vor, sondern es menschelt auch. So nimmt Jordan im Kapitel „Strauss“ und dessen Don Quixote Bezug auf seine eigene Erfahrung und die der Allgemeinheit, wenn er sagt: „Viele Menschen kämpfen jeden Tag gegen Windmühlen. Meine Windmühlen sind der Opernbetrieb. Das ist ein täglicher Kampf, bei dem man manchmal Sternstunden erlebt, manchmal aber auch für seine Visionen und Ideale kämpfen und oft auch Kompromisse eingehen muss. Jeder hat seine Windmühlen, vielleicht ist mir deswegen Don Quixote näher als das Heldenleben. Don Quixote ist ein Antiheld, der sich mit viel Fantasie, Leidenschaft und Idealismus durch die Welt kämpft. Ich glaube, der junge Richard Strauss wusste das nur zu gut.“ (Seite 195) • Britten: Im Gedenkjahr 2018 (für die Ereignisse 1918 und 1938) dirigierte er Krieg und Frieden, wobei er sich mit Kriegsmusik „immer schwer“ tat. „Immer wenn Rührtrommeln und Trompeten erklingen, wird Musik für mich sehr eindimensional, sehr martialisch.“ (Seite 198) Er lehnt auch jede Form von Gewalt ab und ist froh, dass er nie einen Militärdienst ableisten musste. „Ich kann mir nicht vorstellen, eine Waffe zu benützen, selbst um mich zu verteidigen, hoffe aber, auch nie in diese Situation zu kommen. In Amerika kenne ich Menschen, die mir stolz ihren Waffenschrank zeigen. Darüber kann man nicht diskutieren, das ist eine andere Weltanschauung.“ (Seite 201) • Mahler: Seine Liebe zu Mahler entstand sehr früh, als er als Sängerknabe in der dritten Symphonie das „Bim-Bam“ sang. In der ersten Gymnasiumklasse wurde vom Schulorchester die erste Symphonie aufgeführt, bei der er das Schlagzeug und die Pauke schlug. In Graz dirigierte er dann seine erste Mahler-Symphonie. Seinen Bezug zu Solisten nennt er „ein Geben und Nehmen“, also eine Kooperation, wenngleich zu manchen Musikern mehr Bezug besteht. Primär arbeitet er mit Solisten zusammen, die er als Partner sieht. Mit 35 Jahren wurde er Musikdirektor der Pariser Oper. Anschließend war er sechs Jahre Chefdirigent der Wiener Symphoniker und 2020 kam er wieder nach Wien an die Oper zurück. Er beschreibt die Umstellung von einem Programm-Opernhaus zu einem – wie Wien – Repertoire-Haus. Er plädiert für ein auswendig Spielen, weil er sich da selbst besser zuhören kann. Beim auswendigen Dirigieren kann er schon vorausschauen und Musiker vor ihrem Einsatz direkt anschauen. Zum Komponieren fühlt er sich noch nicht berufen. Er schreibt, aber für sich selbst. „Ich komponiere ausschließlich für mich selbst, es tut mir gut, und ich wünschte, ich hätte mehr Zeit dazu.“ (Seite 233) Unter der Überschrift „Was ist Erfolg?“ sagt er klar, dass dieser mit Qualität zusammenhängt. So sei etwa die siebente Symphonie von Beethoven ein programmierter Erfolg gewesen. Erfolg kann aber auch unterschiedlich gesehen werden. So zeigt er den Zugang zur Musik von amerikanischen und europäischen Sängern auf, die unterschiedliche Akzente und Schwerpunkte für ihre Arbeit setzen. Oft wird gesagt, dass klassische Musik primär für ältere Menschen ist und daher diese Musik aussterben werde. Jordan sieht es einfach: auch die Jungen werden alt und kommen später in Konzerte. In Schallplatten und CDs sieht er keine Konkurrenz zu Konzerten. „Ein Raum kann vibrieren wie ein großer Cellokasten, das schafft klangliche Sensationen, die eine Aufnahme nie erzeugen kann.“ (Seite 241) Obwohl es um Musik geht sagt er im letzten Kapitel, dass Stille das Größte, Schönste und Stärkste für ihn sei. In der Stille sei man am stärksten bei sich selbst. Die Stille sei auch ein wichtiger Faktor in der Musik, die vor allem der Dirigent durch Einsätze erzeugen kann. Ein interessantes Buch, bei dem der Leser hinter den Seelenvorhang eines Dirigenten sehen darf und damit vielleicht so manches Konzert besser versteht. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } JORDAN, Philippe: „Der Klang der Stille“, aufgezeichnet von Haide Tenner, Salzburg Wien 2020 Für alle Liebhaber klassischer Musik ein schöner und wichtiger Beitrag. Der junge Dirigent Jordan zeigt aus seiner Sicht sein Engagement und seine Arbeit auf, wobei es sich nicht um eine Biografie, sondern um eine Beschreibung der Arbeit und des Denkens in Bezug auf Musik des Dirigenten Jordan geht. Begonnen wurde das Buch in einer sehr intensiven Periode, als Jordan noch die Doppelfunktion eines musikalischen Leiters einer Oper und eines Symphonieorchesters hatte. Die Corona-Krise und viele Veranstaltungsabsagen brachten aber Zeit dieses Buch fertig zu stellen. Für Philippe Jordan ist Musik ein Blick in eine andere Dimension. „Musik erinnert uns daran, dass es etwas gibt, das man mit dem Verstand nicht begreifen kann und auch nicht erklären kann.“ (Seite 11) Sein Vater war Dirigent und so erlebte er diesen Beruf von Kindheitstagen an. Er lernte früh Klavierspielen und trat schon als Sängerknabe auf. Zu Hause in Zürich wurde neben deutsch auch englisch gesprochen. Die Mutter kam als Flüchtling nach Wien und wuchs in Irland auf. Seine Lehrjahre verbrachte er mit Barenboim und bereits mit 27 Jahren wurde er Chefdirigent der Oper in Graz. Hier lernte er den Umgang mit der Oper, die für ihn „die größte Form der Kunst“ ist. „Wenn in der Oper alles stimmt – Sänger, Dirigent, Orchester, Chor, Regie, Bühnenbild und manchmal auch noch Tanz -, dann ist es für mich die größte Kunstform überhaupt.“ (Seite 61) 2004 dirigierte er erstmals an der Opéra National in Paris und wurde später deren Intendant. Sehr interessant dann der Abschnitt im Buch, in dem er seinen persönlichen Zugang zu den einzelnen Komponisten beschreibt. • „Mozart hat mich von Beginn meiner Laufbahn an begleitet, und ich kann mir ein Leben ohne seine größten Meisterwerke nicht vorstellen. Mozart schrieb für mich die himmlischste, die vollkommenste Musik, die je ein Mensch geschaffen hat.“ (Seite 76) • Puccini: Als junger Dirigent dirigierte er viele italienische Opern. Seine erste war Puccinis Tosca in Ulm. „Ich halte Giacomo Puccini für einen der besten Musikdramatiker und La Boheme für eine der besten Opern, die je geschrieben wurden; eine perfekte Mischung von großartigem Theater, guter Dramaturgie, Melodien voller Schmelz und einer Orchestration, die in ihrer Qualität Wagner und Strauss jederzeit vergleichbar ist.“ (Seite 79/80) • „Richard Strauss ist für mich eine Herzensangelegenheit.“ (Seite 92) Außer der Frau ohne Schatten hatte er alle Werke dirigiert. Die größte Emotionalität entwickelt Jordan beim Rosenkavalier. • Wagner: In seinen ersten zwei Jahren in Paris setzte er den gesamten Ring-Zyklus um. Für die Entwicklung eines Orchesters sei Wagner sehr wichtig. Der Ring behandelt für Jordan die großen Menschheitsthemen. „Es geht um Politik, um Wirtschaft, um Religion und Erlösung, um Verrat und Treue und um das Weltende. Sogar um Ökologie, um die Frage, wie man die Welt einmal hinterlassen wird, und natürlich um Macht und Liebe.“ (Seite 107) Für einen Dirigenten sei der Ring so etwas wie ein Ritterschlag. Im Zusammenhang mit Wagner meint er „Musik macht uns bewusst, dass es etwas Größeres, etwas Göttliches gibt, etwas Universelles, etwas, das in uns ist.“ (Seite 111) Im Abschnitt über Schubert und dessen Musik gesteht Jordan, dass er früher an eine andere Dimension nach dem Tod glaubte, das aber abgelegt habe. „Es fällt einem schwer zu glauben, dass der Tod eines Menschen so ist wie bei einem Baum, der abgehackt wird und bei dem damit alles zu Ende sein scheint. Je länger ich lebe, desto weniger Grund sehe ich jedoch, daran zu glauben, dass es nach dem Tod noch etwas anderes gibt. Wir können fast bis ans Ende des Universums schauen, betreiben Quantenphysik, Astronomie und Medizin, aber wir wissen immer noch nicht, was nach dem Tod passiert.“ (Seite 149) Aus der Sicht des Dirigenten spricht er auch über Dinge wie Akustik. Dass etwa in Bayreuth die Musik aus dem abgedeckten Orchestergraben über eine Klangschale kommt. Es gibt also für das Publikum keinen direkten Klang. Alles kommt als Reflexion. Das wieder erzeugt eine Verzögerung, die eine Zusammenarbeit zwischen Dirigenten und Sänger extrem schwierig gestaltet. Wagner wird auch das längste Kapitel im Buch gewidmet. Als Jordan in Paris Musikdirektor wurde fand er ein Orchester vor, das primär für die Oper arbeitete. Er führte Konzerte ein und gab damit dem Orchester mehr Selbstbewusstsein. Selbstkritisch sieht er auch seine Entwicklung, wenn er sagt: „Ich glaube, dass viele Dirigenten ihren Beruf in den ersten Jahren vorrangig für sich selbst ausüben, weil man mit Musik einen Teil von sich ausleben kann – ich gehöre jedenfalls dazu. Im Laufe der Zeit ändern sich die Motive – ich gehe schon lange nicht mehr für mich ans Pult, sondern mit dem Gefühl, eine Aufgabe zu haben und anderen etwas zu geben. Das ist eine neue Qualität in meinem Leben.“ (Seite 145) • Schubert: In seiner ersten Saison in Wien führte er einen Schubert Zyklus ein. Schubert sei für ihn am besten mit anderen Komponisten in einem Konzert kombinierbar. „Schubert muss liebevoll musiziert, liebevoll gearbeitet werden, braucht große Qualität im Zusammenspiel der Streicher, in der Homogenität des Klanges, in der Intonation der Holzbläser und in der Phrasierung.“ (Seite 147) • Bach wird heute fast ausschließlich von Barock-Ensembles gespielt. Jordan ist aber der Meinung, dass auch ein Symphonieorchester Bach „schlanker und entschlackter spielen kann“. Eine Freundin sagte ihm „Wenn man Bach hört, hat man das Gefühl, in dieser verrückten Welt wird doch wieder alles gut.“ Er meint, dass speziell in der heutigen Welt von Corona, einem amerikanischen Präsidenten Trump, der Klimaveränderung und vielen Tagesproblemen mit Bachs Musik wieder Zuversicht einkehren kann. „Bach ist und bleibt für uns Musiker unser tägliches Brot.“ (Seite 154) • Beethoven war Jordans zentrales Projekt, als er nach Wien übersiedelte. Er hört bei Beethoven heraus, dass der Komponist selbst Pianist war. Gerade bei Beethoven ist es ihm auch wichtig, den Musikern Bilder zu geben, was ausgedrückt werden soll. So wie Beethoven findet Jordan in der Stille der Natur seine Energie. • Bruckner: Die Annäherung an diesen Komponisten war ein steiniger Weg und auch in diesem Kapitel des Buches hagelt es schon noch Kritik, neben aller Wertschätzung. Bruckners symphonische Musik sei aus dem Orgelspiel heraus entwickelt. Sie sei auch nicht so katholisch und religiös, wie allgemein angenommen wird. Er findet sie eher mystisch und spirituell. In Bruckners Musik stecke viel vom Teufel und nicht nur vom Heiligen. „… in der Achten steigert es sich so, dass man es fast nicht mehr aushält. Man kann die Ewigkeit nicht ansehen, das blendet und brennt, wie wenn man zu lange in die Sonne schaut.“ (Seite 171) • Brahms klingt „immer gut, aber darum geht es nicht, sondern um die Frage, was er uns zu sagen hat.“ (Seite 181) • Schumann: Zum Violinkonzert meint Jordan „Ich bin sicher, dass Schumann an diesem Werk weitergearbeitet hätte, wenn sein Gesundheitszustand es zugelassen hätte und er nicht ins Sanatorium eingeliefert worden wäre. Die schleichende Geisterkrankheit ist aus dem Werk schon zu lesen.“ (Seite 189) Er gesteht aber zu, dass er dieses Werk trotz seiner Problematik mag. „Er instrumentiert ungewohnt, aber nicht schlecht.“ (Seite 190) • Strauss: Österreichische und süddeutsche Orchester spielen Strauss authentischer als andere Orchester. „Der Wiener Klang ist heller, sinnlicher, süßlicher, geschmeidiger und beweglicher.“ (Seite 194) Im Buch kommen nicht nur sachliche Fakten vor, sondern es menschelt auch. So nimmt Jordan im Kapitel „Strauss“ und dessen Don Quixote Bezug auf seine eigene Erfahrung und die der Allgemeinheit, wenn er sagt: „Viele Menschen kämpfen jeden Tag gegen Windmühlen. Meine Windmühlen sind der Opernbetrieb. Das ist ein täglicher Kampf, bei dem man manchmal Sternstunden erlebt, manchmal aber auch für seine Visionen und Ideale kämpfen und oft auch Kompromisse eingehen muss. Jeder hat seine Windmühlen, vielleicht ist mir deswegen Don Quixote näher als das Heldenleben. Don Quixote ist ein Antiheld, der sich mit viel Fantasie, Leidenschaft und Idealismus durch die Welt kämpft. Ich glaube, der junge Richard Strauss wusste das nur zu gut.“ (Seite 195) • Britten: Im Gedenkjahr 2018 (für die Ereignisse 1918 und 1938) dirigierte er Krieg und Frieden, wobei er sich mit Kriegsmusik „immer schwer“ tat. „Immer wenn Rührtrommeln und Trompeten erklingen, wird Musik für mich sehr eindimensional, sehr martialisch.“ (Seite 198) Er lehnt auch jede Form von Gewalt ab und ist froh, dass er nie einen Militärdienst ableisten musste. „Ich kann mir nicht vorstellen, eine Waffe zu benützen, selbst um mich zu verteidigen, hoffe aber, auch nie in diese Situation zu kommen. In Amerika kenne ich Menschen, die mir stolz ihren Waffenschrank zeigen. Darüber kann man nicht diskutieren, das ist eine andere Weltanschauung.“ (Seite 201) • Mahler: Seine Liebe zu Mahler entstand sehr früh, als er als Sängerknabe in der dritten Symphonie das „Bim-Bam“ sang. In der ersten Gymnasiumklasse wurde vom Schulorchester die erste Symphonie aufgeführt, bei der er das Schlagzeug und die Pauke schlug. In Graz dirigierte er dann seine erste Mahler-Symphonie. Seinen Bezug zu Solisten nennt er „ein Geben und Nehmen“, also eine Kooperation, wenngleich zu manchen Musikern mehr Bezug besteht. Primär arbeitet er mit Solisten zusammen, die er als Partner sieht. Mit 35 Jahren wurde er Musikdirektor der Pariser Oper. Anschließend war er sechs Jahre Chefdirigent der Wiener Symphoniker und 2020 kam er wieder nach Wien an die Oper zurück. Er beschreibt die Umstellung von einem Programm-Opernhaus zu einem – wie Wien – Repertoire-Haus. Er plädiert für ein auswendig Spielen, weil er sich da selbst besser zuhören kann. Beim auswendigen Dirigieren kann er schon vorausschauen und Musiker vor ihrem Einsatz direkt anschauen. Zum Komponieren fühlt er sich noch nicht berufen. Er schreibt, aber für sich selbst. „Ich komponiere ausschließlich für mich selbst, es tut mir gut, und ich wünschte, ich hätte mehr Zeit dazu.“ (Seite 233) Unter der Überschrift „Was ist Erfolg?“ sagt er klar, dass dieser mit Qualität zusammenhängt. So sei etwa die siebente Symphonie von Beethoven ein programmierter Erfolg gewesen. Erfolg kann aber auch unterschiedlich gesehen werden. So zeigt er den Zugang zur Musik von amerikanischen und europäischen Sängern auf, die unterschiedliche Akzente und Schwerpunkte für ihre Arbeit setzen. Oft wird gesagt, dass klassische Musik primär für ältere Menschen ist und daher diese Musik aussterben werde. Jordan sieht es einfach: auch die Jungen werden alt und kommen später in Konzerte. In Schallplatten und CDs sieht er keine Konkurrenz zu Konzerten. „Ein Raum kann vibrieren wie ein großer Cellokasten, das schafft klangliche Sensationen, die eine Aufnahme nie erzeugen kann.“ (Seite 241) Obwohl es um Musik geht sagt er im letzten Kapitel, dass Stille das Größte, Schönste und Stärkste für ihn sei. In der Stille sei man am stärksten bei sich selbst. Die Stille sei auch ein wichtiger Faktor in der Musik, die vor allem der Dirigent durch Einsätze erzeugen kann. Ein interessantes Buch, bei dem der Leser hinter den Seelenvorhang eines Dirigenten sehen darf und damit vielleicht so manches Konzert besser versteht. |
KERN, Isabella Maria Romy. Ein Leben zwischen zwei Welten Buch 2020. @book{KERN2020, title = {Romy. Ein Leben zwischen zwei Welten}, author = {Isabella Maria KERN}, year = {2020}, date = {2020-09-06}, abstract = {KERN, Isabella Maria: „Romy. Ein Leben zwischen zwei Welten“, Berlin 2020 Das Buch ist kein Roman, sondern ein Sachbericht eines jungen Mannes, der sich – weil zweigeschlechtlich zur Welt gekommen – in eine Frau verändern lässt. Die Autorin zeigt in ihrer Erzählung die psychischen und physischen Probleme, die dieser Mensch dabei hat. Sie – die Autorin – ist sein / ihre Begleiterin in allen Stadien der Umwandlung. Die erzählende Person ist eine Krankenschwester, die diese Situation zum ersten Mal in ihrem Leben hat und diesen Prozess, des Mannes zur Frau, beschreibt. Die Autorin war selbst Krankenpflegerin und kann daher einen detaillierten und realistischen Bericht liefern. Sie gibt auch einen Einblick in ihr persönliches Leben. Wie sie lebt, mit wem sie lebt. Auch fällt das Schreiben dieses Buches mit ihrer beruflichen Veränderung zusammen: sie quittierte den Beruf der Krankenschwester und widmete sich ausschließlich der Schriftstellerei. Sie beklagt aber auch den Einsatz des Computers in der Medizin und Krankenpflege. Einer der Gründe, warum sie den Berufswechsel vornahm. „Aber immer wieder kam ich zu dem Schluss, dass man mit dieser Technik dem Pflegepersonal ein Körnchen Verantwortung nahm, den PatientInnen das Recht auf Sonne verweigerte und dem Kranken die Entscheidung zu läuten, falls die Sonne zu sehr blendete, abnahm.“ (Seite 107) Gemeint waren damit der Einsatz des Computers und die automatisierten Jalousien. Der hier beschriebene Mensch, der vorher Richard und dann Romy hieß, hatte aber mehr psychische als physische Probleme. Dies führte auch zur Operation und völligen Umwandlung in eine Frau. Aber auch das reichte ihr dann nicht. Sie wollte die hübscheste Frau sein und weitere „Schönheitsoperationen“ folgten: das Kiefer wurde verschmälert und Haare wurden verpflanzt. Sie scheute keine Mühe und Geld um fraulicher als Frauen zu sein. Trotz allem wollte sie immer wieder nicht mehr leben und stürzte ihre Umgebung in Besorgnis. Die Autorin begleitete und beschützte sie, wann immer sie konnte. Brachte sie zu Ärzten, fuhr mit, wenn sie in ein Spital musste und besuchte sie in ihrem Haus. Romy versuchte mit vielen Beziehungen zu Männern ihre Fraulichkeit zu bestätigen und hatte eine Unzahl an sexuellen Kontakten. Alles half nicht, um ihre Psyche zu beruhigen. Alleine ihre Arbeit als Krankenpflegerin gab ihr Halt. „Ihr Arbeitsplatz gibt ihr Sicherheit und Stabilität, denn es ist der einzige Ort, an dem sie ihre tief verwurzelte Verzweiflung in Versenkung schiebt, um ihre Kompetenz und Intelligenz hervorzuheben, die in der Tat außergewöhnlich sind.“ (Seite 204) Das Buch endet mit dem Entschluss von Romy zu einer psychiatrischen Rehabilitation in die Schweiz zu fahren. Die Autorin entlässt sie in ihre Selbstständigkeit und bleibt als Schreibende zu Hause. Im Nachsatz des Buches erfährt man als Leser noch, dass „Romy als Krankenschwester auf ein Kreuzfahrtschiff“ (Seite 344) ging. Isabella-Maria Kern überlegt, ob dies der Stoff für ein weiteres Buch werden könnte. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } KERN, Isabella Maria: „Romy. Ein Leben zwischen zwei Welten“, Berlin 2020 Das Buch ist kein Roman, sondern ein Sachbericht eines jungen Mannes, der sich – weil zweigeschlechtlich zur Welt gekommen – in eine Frau verändern lässt. Die Autorin zeigt in ihrer Erzählung die psychischen und physischen Probleme, die dieser Mensch dabei hat. Sie – die Autorin – ist sein / ihre Begleiterin in allen Stadien der Umwandlung. Die erzählende Person ist eine Krankenschwester, die diese Situation zum ersten Mal in ihrem Leben hat und diesen Prozess, des Mannes zur Frau, beschreibt. Die Autorin war selbst Krankenpflegerin und kann daher einen detaillierten und realistischen Bericht liefern. Sie gibt auch einen Einblick in ihr persönliches Leben. Wie sie lebt, mit wem sie lebt. Auch fällt das Schreiben dieses Buches mit ihrer beruflichen Veränderung zusammen: sie quittierte den Beruf der Krankenschwester und widmete sich ausschließlich der Schriftstellerei. Sie beklagt aber auch den Einsatz des Computers in der Medizin und Krankenpflege. Einer der Gründe, warum sie den Berufswechsel vornahm. „Aber immer wieder kam ich zu dem Schluss, dass man mit dieser Technik dem Pflegepersonal ein Körnchen Verantwortung nahm, den PatientInnen das Recht auf Sonne verweigerte und dem Kranken die Entscheidung zu läuten, falls die Sonne zu sehr blendete, abnahm.“ (Seite 107) Gemeint waren damit der Einsatz des Computers und die automatisierten Jalousien. Der hier beschriebene Mensch, der vorher Richard und dann Romy hieß, hatte aber mehr psychische als physische Probleme. Dies führte auch zur Operation und völligen Umwandlung in eine Frau. Aber auch das reichte ihr dann nicht. Sie wollte die hübscheste Frau sein und weitere „Schönheitsoperationen“ folgten: das Kiefer wurde verschmälert und Haare wurden verpflanzt. Sie scheute keine Mühe und Geld um fraulicher als Frauen zu sein. Trotz allem wollte sie immer wieder nicht mehr leben und stürzte ihre Umgebung in Besorgnis. Die Autorin begleitete und beschützte sie, wann immer sie konnte. Brachte sie zu Ärzten, fuhr mit, wenn sie in ein Spital musste und besuchte sie in ihrem Haus. Romy versuchte mit vielen Beziehungen zu Männern ihre Fraulichkeit zu bestätigen und hatte eine Unzahl an sexuellen Kontakten. Alles half nicht, um ihre Psyche zu beruhigen. Alleine ihre Arbeit als Krankenpflegerin gab ihr Halt. „Ihr Arbeitsplatz gibt ihr Sicherheit und Stabilität, denn es ist der einzige Ort, an dem sie ihre tief verwurzelte Verzweiflung in Versenkung schiebt, um ihre Kompetenz und Intelligenz hervorzuheben, die in der Tat außergewöhnlich sind.“ (Seite 204) Das Buch endet mit dem Entschluss von Romy zu einer psychiatrischen Rehabilitation in die Schweiz zu fahren. Die Autorin entlässt sie in ihre Selbstständigkeit und bleibt als Schreibende zu Hause. Im Nachsatz des Buches erfährt man als Leser noch, dass „Romy als Krankenschwester auf ein Kreuzfahrtschiff“ (Seite 344) ging. Isabella-Maria Kern überlegt, ob dies der Stoff für ein weiteres Buch werden könnte. |
Bryla, Kaska Roter Affe Buch 2020. @book{Bryla2020, title = {Roter Affe}, author = {Kaska Bryla}, year = {2020}, date = {2020-08-23}, abstract = {BRYLA, Kaska: „Roter Affe“, Salzburg Wien 2020 Der Name der Autorin ist polnisch. Sie selbst ist in Wien geboren. Aufgewachsen ist sie in Wien und in Warschau. Dieses Leben in zwei Kulturen, in zwei Welten drückt sich auch in ihrem Roman „Roter Affe“ aus. Nicht nur, dass er in Österreich und Polen handelt, werden manche Dialoge nicht übersetzt. In der deutschen Ausgabe des Buches gibt es polnische Sätze, die man als deutschsprachiger Leser nicht versteht, aber auch nicht verstehen muss. Man fühlt, was ausgedrückt werden soll. Es gibt 5 handelnde Personen: Mania und Tomek, Ruth, Zahit und Marina. Sie teilen sich auch das Erzählen im Buch und man liest das Geschehen aus verschiedensten Blickwinkeln. Es beginnt mit Tomek und Mania, die schon als Kinder befreundet sind und gemeinsam aufwachsen, obwohl sie unterschiedlichen Familien angehören. „Auch wenn sie beide in Österreich geboren wurden, hatte Tomek das polnische R im Deutschen behalten – und Mania nicht.“ (Seite 43) Die Mutter hat Polnisch zu schreiben verlernt und Deutsch überhaupt nicht mehr gelernt. „Eine doppelte Analphabetin sei sie geworden.“ (Seite 70) Mania lebt mit einer Freundin zusammen und ist nach ihrem abgeschlossenen Studium Gerichtspsychologin geworden. Sie macht eigenartige Gutachten, nach denen sich mehrere Patienten umbringen. Ihre Freundin, eine Computerhackerin löscht Dinge aus dem Netz, die unangenehm sein könnten. Mania hat auch Flüchtlingen aus Syrien geholfen und einen davon – Zahit – bei ihrem Kindheitsfreund Tomek untergebracht, der mit einem Hund und Tomeks Freundin zusammenwohnt. Tomek hat sich mit seiner Freundin von Wien nach Warschau aufgemacht, wo sie beide (wie Romeo und Julia) ihrem Leben ein Ende bereiten wollen. Mania will ihn retten. Ruth kann die Position des Mobiltelefons feststellen. Der drogensüchtige Syrer will und kann nicht alleine in Wien zurückbleiben und so fahren sie zu dritt mit einem Auto und dem Hund nach Warschau Tomek zu suchen. Eine riskante Reise, weil Zahit keine Aufenthaltsgenehmigung hat und als Drogenhändler polizeilich gesucht wird. In Polen angekommen wird die aktuelle Situation beschrieben: „… kleine, graue Gebäude aus kommunistischen Zeiten standen dicht an dicht mit mafiösen Villen und bewiesen, dass sich im Osten Europas die Gleichzeitigkeit von Vergangenheit und Gegenwart noch nicht aufgelöst hatten, um in die Zukunft des Westens überzugehen.“ (Seite 184) Als politzisch aktive Frau beschreibt die Autorin auch die gesellschaftliche Situation Polen: „Es war das Jahr 2016, ein Jahr nach den Wahlen, die das Land in ein rechtes und ein rechtsextremes Lager gespalten hatten. Im Sommer 2015 … war Tomek nach Warschau gefahren und hatte Interviews geführt. Bei den Älteren herrschte Wut und Angst, bei den Jungen eine stolze Gleichgültigkeit.“ (Seite 185) Tomek und seine Freundin haben inzwischen den Keller eines Abbruchhauses bezogen um ihr Leben zu beenden. Sie erzählen sich Geschichten. Wie es sich für Polen gehört auch eine eines Pianisten, der romantische Musik von Chopin spielt. Aber es werden alle gerettet, obwohl – in Warschau angekommen – die Wiener Suchgruppe einen schweren Autounfall hat. Die Mutter Manias eilt zu Hilfe. Der Hund erlöst Tomek und holt die sich ertränkte Freundin aus einem See. Es wirkt fast wie ein Happy End. Dem ist aber nicht so. Sobald Tomeks Freundin nach langer Zeit aus dem Krankenhaus entlassen wird, begeht sie Selbstmord. Ruth zieht mit dem Syrier zusammen und Mania fliegt mit einer Sexarbeiterin, die sie in Polen kennengelernt hatte, nach Indien. Sie versucht dort ihren leiblichen Vater zu finden Ihre Begleiterin fragt sie im Flugzeug „`Und was machen wir, wenn wir ihn gefunden haben?´ Mania zögerte. `Darüber habe ich noch nicht nachgedacht´, antwortete sie erstaunt.“ (Seite 227) Kaska Bryla studierte in Wien Volkswirtschaft und am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. In Leipzig gründete sie 2015 die Literaturzeitschrift „Autor_innennetzwerk PS-Politisch Schreiben“. Im Monatsmagazin „an.schläge“ arbeitete sie als Redakteurin. 2013 erhielt sie das „STARTStipendium“ und 2018 den Exil Preis für Prosa. Seit 2016 gibt sie Kurse zu kreativem Schreiben in Gefängnissen und für Menschen mit Migrationshintergrund. 2019 inszenierte sie in Leipzig die Reihe „Szenogramme“. Der vorliegende Roman „Roter Affe“ ist 2020 als ihr erster Roman erschienen. www.kaskabryla.com }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } BRYLA, Kaska: „Roter Affe“, Salzburg Wien 2020 Der Name der Autorin ist polnisch. Sie selbst ist in Wien geboren. Aufgewachsen ist sie in Wien und in Warschau. Dieses Leben in zwei Kulturen, in zwei Welten drückt sich auch in ihrem Roman „Roter Affe“ aus. Nicht nur, dass er in Österreich und Polen handelt, werden manche Dialoge nicht übersetzt. In der deutschen Ausgabe des Buches gibt es polnische Sätze, die man als deutschsprachiger Leser nicht versteht, aber auch nicht verstehen muss. Man fühlt, was ausgedrückt werden soll. Es gibt 5 handelnde Personen: Mania und Tomek, Ruth, Zahit und Marina. Sie teilen sich auch das Erzählen im Buch und man liest das Geschehen aus verschiedensten Blickwinkeln. Es beginnt mit Tomek und Mania, die schon als Kinder befreundet sind und gemeinsam aufwachsen, obwohl sie unterschiedlichen Familien angehören. „Auch wenn sie beide in Österreich geboren wurden, hatte Tomek das polnische R im Deutschen behalten – und Mania nicht.“ (Seite 43) Die Mutter hat Polnisch zu schreiben verlernt und Deutsch überhaupt nicht mehr gelernt. „Eine doppelte Analphabetin sei sie geworden.“ (Seite 70) Mania lebt mit einer Freundin zusammen und ist nach ihrem abgeschlossenen Studium Gerichtspsychologin geworden. Sie macht eigenartige Gutachten, nach denen sich mehrere Patienten umbringen. Ihre Freundin, eine Computerhackerin löscht Dinge aus dem Netz, die unangenehm sein könnten. Mania hat auch Flüchtlingen aus Syrien geholfen und einen davon – Zahit – bei ihrem Kindheitsfreund Tomek untergebracht, der mit einem Hund und Tomeks Freundin zusammenwohnt. Tomek hat sich mit seiner Freundin von Wien nach Warschau aufgemacht, wo sie beide (wie Romeo und Julia) ihrem Leben ein Ende bereiten wollen. Mania will ihn retten. Ruth kann die Position des Mobiltelefons feststellen. Der drogensüchtige Syrer will und kann nicht alleine in Wien zurückbleiben und so fahren sie zu dritt mit einem Auto und dem Hund nach Warschau Tomek zu suchen. Eine riskante Reise, weil Zahit keine Aufenthaltsgenehmigung hat und als Drogenhändler polizeilich gesucht wird. In Polen angekommen wird die aktuelle Situation beschrieben: „… kleine, graue Gebäude aus kommunistischen Zeiten standen dicht an dicht mit mafiösen Villen und bewiesen, dass sich im Osten Europas die Gleichzeitigkeit von Vergangenheit und Gegenwart noch nicht aufgelöst hatten, um in die Zukunft des Westens überzugehen.“ (Seite 184) Als politzisch aktive Frau beschreibt die Autorin auch die gesellschaftliche Situation Polen: „Es war das Jahr 2016, ein Jahr nach den Wahlen, die das Land in ein rechtes und ein rechtsextremes Lager gespalten hatten. Im Sommer 2015 … war Tomek nach Warschau gefahren und hatte Interviews geführt. Bei den Älteren herrschte Wut und Angst, bei den Jungen eine stolze Gleichgültigkeit.“ (Seite 185) Tomek und seine Freundin haben inzwischen den Keller eines Abbruchhauses bezogen um ihr Leben zu beenden. Sie erzählen sich Geschichten. Wie es sich für Polen gehört auch eine eines Pianisten, der romantische Musik von Chopin spielt. Aber es werden alle gerettet, obwohl – in Warschau angekommen – die Wiener Suchgruppe einen schweren Autounfall hat. Die Mutter Manias eilt zu Hilfe. Der Hund erlöst Tomek und holt die sich ertränkte Freundin aus einem See. Es wirkt fast wie ein Happy End. Dem ist aber nicht so. Sobald Tomeks Freundin nach langer Zeit aus dem Krankenhaus entlassen wird, begeht sie Selbstmord. Ruth zieht mit dem Syrier zusammen und Mania fliegt mit einer Sexarbeiterin, die sie in Polen kennengelernt hatte, nach Indien. Sie versucht dort ihren leiblichen Vater zu finden Ihre Begleiterin fragt sie im Flugzeug „`Und was machen wir, wenn wir ihn gefunden haben?´ Mania zögerte. `Darüber habe ich noch nicht nachgedacht´, antwortete sie erstaunt.“ (Seite 227) Kaska Bryla studierte in Wien Volkswirtschaft und am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. In Leipzig gründete sie 2015 die Literaturzeitschrift „Autor_innennetzwerk PS-Politisch Schreiben“. Im Monatsmagazin „an.schläge“ arbeitete sie als Redakteurin. 2013 erhielt sie das „STARTStipendium“ und 2018 den Exil Preis für Prosa. Seit 2016 gibt sie Kurse zu kreativem Schreiben in Gefängnissen und für Menschen mit Migrationshintergrund. 2019 inszenierte sie in Leipzig die Reihe „Szenogramme“. Der vorliegende Roman „Roter Affe“ ist 2020 als ihr erster Roman erschienen. www.kaskabryla.com |
STREERUWITZ, Marlene Jessica, 30. Buch 2020. @book{STREERUWITZ2020b, title = {Jessica, 30.}, author = {Marlene STREERUWITZ}, year = {2020}, date = {2020-08-12}, abstract = {STREERUWITZ, Marlene: „Jessica,30“, Frankfurt 2010 Das Buch hat drei Kapitel. Jedes Kapitel hat nur einen Satz. Einen unendlichen Satz. Beim Lesen kann man nur schwer Luftholen. Normal holt man beim Punkt – auch wenn man leise liest – Luft. Das fehlt hier. Man wird atemlos. Auch in der Beschreibung im Buchdeckel heißt es „In drei atemlosen Kapiteln folgen wir dem Gedankenmonopol einer jungen Frau“. Heute kann man solche Texte im Labor schon von einem Computer schreiben lassen. Er liest die Gedanken eines Menschen und schreibt sie nieder. So ungefähr ist auch dieses Buch geschrieben. Alles was sich die Proponentin denkt und sieht wird zu Worten. Eine Modeerscheinung? Auch von Erika Pluhar gab es so ein „Ein-Satz-Buch“. Ich glaube bald wird das nicht mehr modern, sondern algorithmisch sein. Von einem Rechner geschrieben. Nur Dialoge – primär zwischen Jessica und ihrem Liebhaber, einem Politiker – verlassen diesen Schreibstil. Die Hauptperson des vorliegenden Romans ist die 30-jährige Jessica. Sie ist eine junge und intelligente Frau. Mit einem Doktoratsstudium und einem Amerikaaufenthalt hinter sich. Sie jobbt in einer Zeitschrift als Freiberufliche. Daneben hat sie ein Verhältnis mit einem verheirateten Politiker. Diese Beziehung muss daher heimlich geführt werden, was es seelisch nicht so einfach macht. Der Liebhaber ist ein Politiker. Er verbringt Abende mit Jessica. Er kommt aus einer konservativen Partei und hält politisch das Familienbild hoch. Selbst geht er fremd. Jessica kommt auch hinter andere Beziehungen. Sie trennt sich von ihm. Sie fühlt sich von ihm ausgenützt und will sich revanchieren. Sie will ihn öffentlich zum Abdanken als Politiker bringen. Die Autorin verwendet dazu Fakten, die nicht der Realität entsprechen. Dass sich Schriftsteller politisch engagieren ist legitim und wichtig. Hier wurden aber Grenzen überschritten. Selbst einem politischen Gegner sollte man ein Minimum an menschlicher Würde belassen und nicht, wie von Streeruwitz die langjährige Bildungsministerin definiert wird als „primitiv, dass sie alles übernehmen kann, die ebnet jedes Fachgebiet zu einem Volkslied ein, eine Wölfin im Lodenjanker ist die, wo nehmen diese Menschen alle ihre Berechtigung her, diese Frau, die ist dumm und ungebildet, eine sadistische Volksschullehrerin halt, und die hat keine Sekunde das Gefühl, dass sie der Aufgabe vielleicht nicht gewachsen ist …“ (Seite 185) Ich will hier nicht Partei für eine ehemalige Politikerin ergreifen, ABER hier wurde – so wie bei anderen Passagen – die rote Linie überschritten. Auch dass politische Ereignisse direkt angesprochen werden und teilweise auch erfunden und unterstellt sind, geben dem Roman ein Ablaufdatum. Einen Politiker anpatzen hat nur Wirkung, solange dieser aktiv ist. Die Autorin beschreibt negative Moral und benimmt sich selbst gegenüber lebenden und im Roman handelnden Personen unmoralisch. Sie nennt es „Umverteilung“: „imgrund mache ich doch nur eine Art Umverteilung von Moral, ich verschiebe Moral dahin, wo es sie nicht genug gibt.“ (Seite 243) Leider hat sie vergessen auch etwas von dieser Moral sich selbst zuzuschieben. Es werden aber nicht nur Politiker angegriffen, sondern auch Institutionen wie die Kirche. „aber das ist ja das Interessante, das ganze Katholische hat dieses Land mit keinem Moralkompass ausgestattet, das ganze Katholische ist nur in eine diffuse Hegemonialität aufgegangen, wer Recht hat, das ist klar, was richtig ist, das ist diesem Recht unterworfen, und dann ist das Puff auch nicht falsch, wenn es die richtigen Betreten haben..“ (Seite 228). Sie behauptet weiter, dass Politiker für Freudenhausbesuche Partei- und Steuermittel verwenden. Ja selbst den Besuch eines Bischofs im Puff stellt sie als Behauptung auf. Selbst jenem Bombenattentäter, der Roma ermordet hat unterstellt sie, dass er dies im Auftrag der österreichischen Volkspartei gemacht habe. Und Sex muss immer dabei sein. Vielleicht erhoffte sich die Autorin mit diesen Passagen mehr Leser? Vor allem die Männer kommen bei diesen Szenen nicht gut weg und sind die Erpresser und diejenigen, die Vorteile und Genuss haben. Da muss man schon viele negative Erfahrungen haben, um so zu denken. Sie gesteht es auch selbst ein, wenn sie sagt „da kann man über Männer nicht mehr freundlich denken, da kriegt man schon einen Hau auf die aggressivere Seite.“ (Seite 250) Frust zieht sich durch das ganze Buch. Auch Jessica ist mit ihrem Leben unzufrieden, aber die Schuld liegt immer bei den Anderen. Etwa, dass sie keine Fixanstellung in dem Zeitschriftenverlag bekommt, für den sie als freiberufliche Autorin schreibt. Sie meint, sie habe der Chefin des Verlags alle Ideen („die hat mir 1.000 Ideen geklaut“ – Seite 193) für ihre Zeitschrift gegeben. Selbst wurde sie dafür nicht belohnt. Sie fühlt sich als die bessere und nicht erkannte Journalistin. Über ihre Chefin sagt sie: „aber investigativen Journalismus, den kann sie sowieso nicht brauchen, das Spannendste, was sie in ihrem Blatt da bringen kann, ist wenn sich in einer Chanel-Boutique ein Versace-Gürtel findet, das ist das Spannendste, was sie sich vorstellen kann (Seite 211) Das Buch ist sehr schwer zu lesen. Es ist, als wären alle Gedankenflüsse der Proponentin in Worten von einem Rekorder aufgezeichnet und wir Leser müssen das lesen. Die wichtigen und unwichtigen Dinge. Viel Müll und sehr viele Behauptungen, mit denen Menschen verletzt werden. Wenn das das Ziel und die Aufgabe der österreichischen Literatur ist, dann schaut es nicht gut aus für unser Land. Es ist schade, dass eine so begabte Schriftstellerin sich auf solch niedriges Niveau begibt. In vorangegangenen Romanen – wie „Verführungen“ – hat sie sich ganz anders präsentiert. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } STREERUWITZ, Marlene: „Jessica,30“, Frankfurt 2010 Das Buch hat drei Kapitel. Jedes Kapitel hat nur einen Satz. Einen unendlichen Satz. Beim Lesen kann man nur schwer Luftholen. Normal holt man beim Punkt – auch wenn man leise liest – Luft. Das fehlt hier. Man wird atemlos. Auch in der Beschreibung im Buchdeckel heißt es „In drei atemlosen Kapiteln folgen wir dem Gedankenmonopol einer jungen Frau“. Heute kann man solche Texte im Labor schon von einem Computer schreiben lassen. Er liest die Gedanken eines Menschen und schreibt sie nieder. So ungefähr ist auch dieses Buch geschrieben. Alles was sich die Proponentin denkt und sieht wird zu Worten. Eine Modeerscheinung? Auch von Erika Pluhar gab es so ein „Ein-Satz-Buch“. Ich glaube bald wird das nicht mehr modern, sondern algorithmisch sein. Von einem Rechner geschrieben. Nur Dialoge – primär zwischen Jessica und ihrem Liebhaber, einem Politiker – verlassen diesen Schreibstil. Die Hauptperson des vorliegenden Romans ist die 30-jährige Jessica. Sie ist eine junge und intelligente Frau. Mit einem Doktoratsstudium und einem Amerikaaufenthalt hinter sich. Sie jobbt in einer Zeitschrift als Freiberufliche. Daneben hat sie ein Verhältnis mit einem verheirateten Politiker. Diese Beziehung muss daher heimlich geführt werden, was es seelisch nicht so einfach macht. Der Liebhaber ist ein Politiker. Er verbringt Abende mit Jessica. Er kommt aus einer konservativen Partei und hält politisch das Familienbild hoch. Selbst geht er fremd. Jessica kommt auch hinter andere Beziehungen. Sie trennt sich von ihm. Sie fühlt sich von ihm ausgenützt und will sich revanchieren. Sie will ihn öffentlich zum Abdanken als Politiker bringen. Die Autorin verwendet dazu Fakten, die nicht der Realität entsprechen. Dass sich Schriftsteller politisch engagieren ist legitim und wichtig. Hier wurden aber Grenzen überschritten. Selbst einem politischen Gegner sollte man ein Minimum an menschlicher Würde belassen und nicht, wie von Streeruwitz die langjährige Bildungsministerin definiert wird als „primitiv, dass sie alles übernehmen kann, die ebnet jedes Fachgebiet zu einem Volkslied ein, eine Wölfin im Lodenjanker ist die, wo nehmen diese Menschen alle ihre Berechtigung her, diese Frau, die ist dumm und ungebildet, eine sadistische Volksschullehrerin halt, und die hat keine Sekunde das Gefühl, dass sie der Aufgabe vielleicht nicht gewachsen ist …“ (Seite 185) Ich will hier nicht Partei für eine ehemalige Politikerin ergreifen, ABER hier wurde – so wie bei anderen Passagen – die rote Linie überschritten. Auch dass politische Ereignisse direkt angesprochen werden und teilweise auch erfunden und unterstellt sind, geben dem Roman ein Ablaufdatum. Einen Politiker anpatzen hat nur Wirkung, solange dieser aktiv ist. Die Autorin beschreibt negative Moral und benimmt sich selbst gegenüber lebenden und im Roman handelnden Personen unmoralisch. Sie nennt es „Umverteilung“: „imgrund mache ich doch nur eine Art Umverteilung von Moral, ich verschiebe Moral dahin, wo es sie nicht genug gibt.“ (Seite 243) Leider hat sie vergessen auch etwas von dieser Moral sich selbst zuzuschieben. Es werden aber nicht nur Politiker angegriffen, sondern auch Institutionen wie die Kirche. „aber das ist ja das Interessante, das ganze Katholische hat dieses Land mit keinem Moralkompass ausgestattet, das ganze Katholische ist nur in eine diffuse Hegemonialität aufgegangen, wer Recht hat, das ist klar, was richtig ist, das ist diesem Recht unterworfen, und dann ist das Puff auch nicht falsch, wenn es die richtigen Betreten haben..“ (Seite 228). Sie behauptet weiter, dass Politiker für Freudenhausbesuche Partei- und Steuermittel verwenden. Ja selbst den Besuch eines Bischofs im Puff stellt sie als Behauptung auf. Selbst jenem Bombenattentäter, der Roma ermordet hat unterstellt sie, dass er dies im Auftrag der österreichischen Volkspartei gemacht habe. Und Sex muss immer dabei sein. Vielleicht erhoffte sich die Autorin mit diesen Passagen mehr Leser? Vor allem die Männer kommen bei diesen Szenen nicht gut weg und sind die Erpresser und diejenigen, die Vorteile und Genuss haben. Da muss man schon viele negative Erfahrungen haben, um so zu denken. Sie gesteht es auch selbst ein, wenn sie sagt „da kann man über Männer nicht mehr freundlich denken, da kriegt man schon einen Hau auf die aggressivere Seite.“ (Seite 250) Frust zieht sich durch das ganze Buch. Auch Jessica ist mit ihrem Leben unzufrieden, aber die Schuld liegt immer bei den Anderen. Etwa, dass sie keine Fixanstellung in dem Zeitschriftenverlag bekommt, für den sie als freiberufliche Autorin schreibt. Sie meint, sie habe der Chefin des Verlags alle Ideen („die hat mir 1.000 Ideen geklaut“ – Seite 193) für ihre Zeitschrift gegeben. Selbst wurde sie dafür nicht belohnt. Sie fühlt sich als die bessere und nicht erkannte Journalistin. Über ihre Chefin sagt sie: „aber investigativen Journalismus, den kann sie sowieso nicht brauchen, das Spannendste, was sie in ihrem Blatt da bringen kann, ist wenn sich in einer Chanel-Boutique ein Versace-Gürtel findet, das ist das Spannendste, was sie sich vorstellen kann (Seite 211) Das Buch ist sehr schwer zu lesen. Es ist, als wären alle Gedankenflüsse der Proponentin in Worten von einem Rekorder aufgezeichnet und wir Leser müssen das lesen. Die wichtigen und unwichtigen Dinge. Viel Müll und sehr viele Behauptungen, mit denen Menschen verletzt werden. Wenn das das Ziel und die Aufgabe der österreichischen Literatur ist, dann schaut es nicht gut aus für unser Land. Es ist schade, dass eine so begabte Schriftstellerin sich auf solch niedriges Niveau begibt. In vorangegangenen Romanen – wie „Verführungen“ – hat sie sich ganz anders präsentiert. |
HANDKE, Peter Zdenek Adamec Buch 2020. @book{HANDKE2020c, title = {Zdenek Adamec}, author = {Peter HANDKE}, year = {2020}, date = {2020-08-04}, abstract = {HANDKE, Peter: „Zdenek Adamec“, Berlin 2020 Dieses Stück – Handke nennt es „Eine Szene“ – wurde 2020 im Rahmen der Salzburger Festspiele uraufgeführt. Das Wort „Szene“ passte in die Zeit der Corona Pandemie, in der Theaterstücke keine Pausen haben dürfen. So wie in dieser „Szene“. 2003 hat sich ein 18-jähriger Tscheche am Wenzelsplatz in Prag mit Benzin übergossen und angezündet. Es war kein Protest wie einige Jahre vorher gegen die Besetzung durch die Sowjetarmee. Es war auf den ersten Blick eine unbedeutende Zeit. Niemand wusste wogegen er protestiert. Peter Handke greift dieses Ereignis auf, ohne es aber zu direkt zu schildern. Er sucht Gemeinsamkeiten, Dinge, die es überall und von vielen geben kann. Warum hat Zdenek Adamec das getan, das auch andere getan hätten können? Angeblich hat ihn seine Mutter nie alleine gelassen. „… Mutter Adamec, heißt es, (hat) ihren Sohn noch als Fünfzehn-, wenn nicht Sechzehnjährigen an der Hand zur Schule geführt, und zwar bis vor die Schwelle zum Klassenzimmer, wenn nicht bis vor die Schulbank?“ (Seite 31) Als kleines Kind hatte sie ihn einmal beim Beerenpflücken in einen Kochtopf gesetzt und vergessen. Er war – so erzählt Handke – ein sehr guter Schüler, der später zu einem Computerfreak wurde. Er war ein Einzelgänger. Hat diese verfehlte Erziehung zu diesem Selbstmord geführt? Auch diese öffentliche Selbsthinrichtung blieb die eines Einzeltäters. Im Abschiedsbrief, den er „an die ganze Welt“ gerichtet hatte nennt er ‚Geld‘ und ‚Macht‘ als die Erzfeinde der Menschheit. Das Stück wird von sieben Personen gesprochen, wobei Handke in seiner Einführung offen lässt wer die Personen sind und wie sie sind. Sie sollen nur verschieden sein. Gemischt. Jung und Alt. Frauen und Männer. Einheimische und Zugereiste. Inländer und Ausländer. Obwohl der Selbstmord im März passierte lässt es Handke in seinen Regieanweisungen offen welche Jahreszeit in der Aufführung sein soll. Es geht ihm primär um das allgemein Gültige dieses Vorfalls. Literarisch ist es ein brillantes Werk eines Altmeisters der Dichtung. Alle Worte wohl gesetzt. „Es ist eine Zeit für Hauptsätze, und es ist eine Zeit für Nebensätze. Und es ist ein Ort für kurze Sätze, und es ist ein Ort für lange Sätze. Und es ist eine Zeit und ein Ort, und es ist ein Zeitmaß, und es ist ein Ortsmaß für ein Mischen von kurzen und langen Sätzen, für ein Kombinieren und Verschachteln von Haupt- und Nebensätzen.“ (Seite 30) Peter Handke hat mit diesem Stück einen unbedeutenden Selbstmörder auf die Bühne geholt und damit eine Situation unserer Gesellschaft aufgezeigt. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } HANDKE, Peter: „Zdenek Adamec“, Berlin 2020 Dieses Stück – Handke nennt es „Eine Szene“ – wurde 2020 im Rahmen der Salzburger Festspiele uraufgeführt. Das Wort „Szene“ passte in die Zeit der Corona Pandemie, in der Theaterstücke keine Pausen haben dürfen. So wie in dieser „Szene“. 2003 hat sich ein 18-jähriger Tscheche am Wenzelsplatz in Prag mit Benzin übergossen und angezündet. Es war kein Protest wie einige Jahre vorher gegen die Besetzung durch die Sowjetarmee. Es war auf den ersten Blick eine unbedeutende Zeit. Niemand wusste wogegen er protestiert. Peter Handke greift dieses Ereignis auf, ohne es aber zu direkt zu schildern. Er sucht Gemeinsamkeiten, Dinge, die es überall und von vielen geben kann. Warum hat Zdenek Adamec das getan, das auch andere getan hätten können? Angeblich hat ihn seine Mutter nie alleine gelassen. „… Mutter Adamec, heißt es, (hat) ihren Sohn noch als Fünfzehn-, wenn nicht Sechzehnjährigen an der Hand zur Schule geführt, und zwar bis vor die Schwelle zum Klassenzimmer, wenn nicht bis vor die Schulbank?“ (Seite 31) Als kleines Kind hatte sie ihn einmal beim Beerenpflücken in einen Kochtopf gesetzt und vergessen. Er war – so erzählt Handke – ein sehr guter Schüler, der später zu einem Computerfreak wurde. Er war ein Einzelgänger. Hat diese verfehlte Erziehung zu diesem Selbstmord geführt? Auch diese öffentliche Selbsthinrichtung blieb die eines Einzeltäters. Im Abschiedsbrief, den er „an die ganze Welt“ gerichtet hatte nennt er ‚Geld‘ und ‚Macht‘ als die Erzfeinde der Menschheit. Das Stück wird von sieben Personen gesprochen, wobei Handke in seiner Einführung offen lässt wer die Personen sind und wie sie sind. Sie sollen nur verschieden sein. Gemischt. Jung und Alt. Frauen und Männer. Einheimische und Zugereiste. Inländer und Ausländer. Obwohl der Selbstmord im März passierte lässt es Handke in seinen Regieanweisungen offen welche Jahreszeit in der Aufführung sein soll. Es geht ihm primär um das allgemein Gültige dieses Vorfalls. Literarisch ist es ein brillantes Werk eines Altmeisters der Dichtung. Alle Worte wohl gesetzt. „Es ist eine Zeit für Hauptsätze, und es ist eine Zeit für Nebensätze. Und es ist ein Ort für kurze Sätze, und es ist ein Ort für lange Sätze. Und es ist eine Zeit und ein Ort, und es ist ein Zeitmaß, und es ist ein Ortsmaß für ein Mischen von kurzen und langen Sätzen, für ein Kombinieren und Verschachteln von Haupt- und Nebensätzen.“ (Seite 30) Peter Handke hat mit diesem Stück einen unbedeutenden Selbstmörder auf die Bühne geholt und damit eine Situation unserer Gesellschaft aufgezeigt. |
VOGT, Werner Leben beschreiben. Über Biografie und Autobiografie Buch 2020. @book{VOGT2020, title = {Leben beschreiben. Über Biografie und Autobiografie}, author = {Werner VOGT}, editor = {Vomtobel-Stiftung}, year = {2020}, date = {2020-08-03}, abstract = {VOGT, Werner: „Leben beschreiben. Über Biografien und Autobiografien“, Zürich 2019 Der Autor beleuchtet die verschiedenen Arten von Biografien. Das Leben sei ein Unikat und solle festgehalten werden. Nicht nur von berühmten Menschen, sondern jede Lebensgeschichte sei erhaltenswert. Einerseits sei das Schreiben von Biografien eine Tradition, andererseits aber auch in Eitelkeit begründet. Für den Leser erzeugt es Neugier. Jeder Biografierte will seriös dargestellt werden. Solange die Geschichte von Lebenden oder über Lebende geschrieben wird ist sie oft geschönt und lässt negative Seiten aus. Dichtung und Wahrheit liegen eng beisammen. Andererseits wird das Leben von Verstorbenen oft auch verklärt wiedergegeben. Autobiografien dagegen sind oft einer psychologischen Therapie entsprungen. Sie würden nach einer Seelenheilung völlig anders aussehen. Prominente machen mit Autobiografien oft enormes Kapital. So etwa die Gattin des ehemaligen amerikanischen Präsidenten Obama. Sie erhielt alleine für das Schreiben ihrer Biografie einen Vorschuss von 65 Millionen Dollar. Für eine Lesung aus ihrem Buch bekommt sie bis zu 800.000 Dollar. Der Autor bringt dann 5 exemplarische Lebensgeschichten: • Julius Caesar (100-44v.Chr.) Er steht als Beispiel, dass er als Einzelperson verherrlicht wird, so als hätte er keine Menschen um sich gehabt, die ihn zu seinem Ruhm brachten. Er war ein wichtiger Feldherr prägte „die Historie des Römischen Reiches nachhaltig… Caesars Name wurde nach seinem Tod zur Funktionsbezeichnung der römischen Herrscher und lebt im Wort ‚Kaiser‘ oder ‚Zar‘ noch jahrhundertelang weiter, obwohl das Römische Reich schon längst zusammengebrochen ist.“ (Seite 32) Er bewegte in seinen 56 Lebensjahren mehr als andere Politiker und Feldherren. Schon als 25-jähriger schlug er seine erste Schlacht gegen Piraten in Griechenland, die ihn vorher festgenommen hatten. Neben seinen militärischen Erfolgen (auch vielen Niederlagen) war er ein überzeugender und glaubwürdig wirkender Mensch. Er machte nicht nur Geschichte, er schrieb auch über Geschichte und konnte so seine eigene Biografie mit beeinflussen. • Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) „Unter Johann Wolfgang Goethes Freunden zirkulierte der Witz, der Dichter sei in einem früheren Leben kein Geringerer als der römische Diktator und Imperator Julius Caesar gewesen.“ (Seite 38) Aber selbst heute – zwei Jahrhunderte später - wirkt er noch als moderner Mensch. Er war ein Leistungsverweigerer. Er verwehrte sich gegen eine traditionelle Berufslaufbahn und blieb ein Alternativer. Von ihm stammt auch die Formulierung „Dichtung und Wahrheit“, die gerade bei Biografien Anwendung findet. Er war ein Frauenheld. Speziell nach seiner Italienreise war er aufgeschlossener. Noch heute sind 14.000 Liebesbriefe an verschiedene Frauen, die er verehrte vorhanden. 1788 begegnet er einer 23-jährigen Fabriksarbeiterin. Er nimmt sie als Hausgehilfin auf und es wird eine 18-jährige wilde Ehe, bis er sie auch ehelicht und als legitime Ehefrau aufnimmt und sie gesellschaftlich zur „Frau Geheimrat“ macht. Die Gesellschaft reagiert auch darauf. Johanna Schopenhauer formulierte es so: „Ich denke, wenn Goethe ihr seinen Namen gibt, können wir ihr wohl eine Tasse Tee geben.“ (Seite 42) Goethe war ein genialer Dichter und gerade bei ihm kann man nicht unterscheiden zwischen seinem Leben und seinem Werk. • Winston Churchill (1874-1965) Er war eine Sturzgeburt und gehörte nicht dem Hochadel an, was es ihm erlaubte 1940 Premierminister zu werden. Er war ein Familienmensch (Familie mit 5 Kindern) und der Autor nennt es, er sei „wie ein Kranich“. Churchill prägte nicht nur die Geschichte seines Landes, sonders auch die Europas. Er war ein schlechter Schüler und seine Leistungen reichten nicht für ein Universitätsstudium. So ging er zur Armee, deren Aufnahme er erst im dritten Anlauf schaffte. In mehreren Kriegen – wie im Kubaaufstand und den Burenkriegen - war er aktiv. Letzterer verschaffte ihm Ruhm, weil es ihm gelang aus der Kriegsgefangenschaft zu fliehen. „Churchill packte in sein 90-jähriges Leben so viel wie zehn hart arbeitende Karrierepolitiker – und mehr: Im Telegrammstil sieht dies so aus: - 60 Jahre Member of Parliament - 8 verschiedene Ministerien zwischen 1905 und 1929 - 2 Perioden als Premierminister (1940-1945, 1951 – 1955) - Ein umfangreicheres Oeuvre als William Shakespeare und Charles Dickens zusammen - Literaturnobelpreis (1953) - 600 Ölbilder als Hobbymaler“ (Seite 45) Die Engländer nennen dies „larger than life“. Daneben hatte er immer Appetit, trank und rauchte viel. • Jean Rudolf von Salis (1901-1996) Eine nicht so bekannte Schweizer Persönlichkeit. Ein Adeliger der speziell während des Zweiten Weltkriegs journalistisch die Weltlage kommentierte und sich einen Namen machte. • Marilyn Monroe (1926-1962) Viele Menschen sind nach ihrem Tod nicht mehr präsent. Marilyn Monroe ist es nach kurzem Leben noch lange. 263 Bücher wurden über sie geschrieben. Noch heute offeriert Amazon 10.000 Produkte mit dem Namen Monroe. Sie stammte aus einfachen Verhältnissen. Ihre Kindheit war „ungewollt, ungeliebt, geschlagen, sexuell missbraucht, ins Waisenhaus abgeschoben – kurzum, Tristesse, wohin man schaut.“ (Seite 53). Als 16-jährige rettete sie sich in eine Ehe und wird zum Model und zur Schauspielerin. Ihre Marke war „Sexbombe“ verquickt mit vielen Männerverhältnissen und Ehen wie mit dem Schriftsteller Arthur Miller. Sie war ihrem erreichten Leben nicht gewachsen und beendete es selbst. Jedes Leben hat einen Beginn und ein Ende. Später beurteilt man Lebensläufe anders. Julius Caesar wird im 21. Jahrhundert anders bewertet als vor 2000 Jahren. Immer stellt sich die Frage „Wieviel Wahrheit ist in einer Autobiografie“. Goethe nannte seine „Dichtung und Wahrheit“. Er nannte dies „das eigentlich Grundwahre“, was nicht auf Fakten beruhen musste. „Eine Biografie „erweckt das Vergangene zum Leben, und dadurch kann sich zeigen, was daran Wahrheit ist.“ (Seite 57) }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } VOGT, Werner: „Leben beschreiben. Über Biografien und Autobiografien“, Zürich 2019 Der Autor beleuchtet die verschiedenen Arten von Biografien. Das Leben sei ein Unikat und solle festgehalten werden. Nicht nur von berühmten Menschen, sondern jede Lebensgeschichte sei erhaltenswert. Einerseits sei das Schreiben von Biografien eine Tradition, andererseits aber auch in Eitelkeit begründet. Für den Leser erzeugt es Neugier. Jeder Biografierte will seriös dargestellt werden. Solange die Geschichte von Lebenden oder über Lebende geschrieben wird ist sie oft geschönt und lässt negative Seiten aus. Dichtung und Wahrheit liegen eng beisammen. Andererseits wird das Leben von Verstorbenen oft auch verklärt wiedergegeben. Autobiografien dagegen sind oft einer psychologischen Therapie entsprungen. Sie würden nach einer Seelenheilung völlig anders aussehen. Prominente machen mit Autobiografien oft enormes Kapital. So etwa die Gattin des ehemaligen amerikanischen Präsidenten Obama. Sie erhielt alleine für das Schreiben ihrer Biografie einen Vorschuss von 65 Millionen Dollar. Für eine Lesung aus ihrem Buch bekommt sie bis zu 800.000 Dollar. Der Autor bringt dann 5 exemplarische Lebensgeschichten: • Julius Caesar (100-44v.Chr.) Er steht als Beispiel, dass er als Einzelperson verherrlicht wird, so als hätte er keine Menschen um sich gehabt, die ihn zu seinem Ruhm brachten. Er war ein wichtiger Feldherr prägte „die Historie des Römischen Reiches nachhaltig… Caesars Name wurde nach seinem Tod zur Funktionsbezeichnung der römischen Herrscher und lebt im Wort ‚Kaiser‘ oder ‚Zar‘ noch jahrhundertelang weiter, obwohl das Römische Reich schon längst zusammengebrochen ist.“ (Seite 32) Er bewegte in seinen 56 Lebensjahren mehr als andere Politiker und Feldherren. Schon als 25-jähriger schlug er seine erste Schlacht gegen Piraten in Griechenland, die ihn vorher festgenommen hatten. Neben seinen militärischen Erfolgen (auch vielen Niederlagen) war er ein überzeugender und glaubwürdig wirkender Mensch. Er machte nicht nur Geschichte, er schrieb auch über Geschichte und konnte so seine eigene Biografie mit beeinflussen. • Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) „Unter Johann Wolfgang Goethes Freunden zirkulierte der Witz, der Dichter sei in einem früheren Leben kein Geringerer als der römische Diktator und Imperator Julius Caesar gewesen.“ (Seite 38) Aber selbst heute – zwei Jahrhunderte später - wirkt er noch als moderner Mensch. Er war ein Leistungsverweigerer. Er verwehrte sich gegen eine traditionelle Berufslaufbahn und blieb ein Alternativer. Von ihm stammt auch die Formulierung „Dichtung und Wahrheit“, die gerade bei Biografien Anwendung findet. Er war ein Frauenheld. Speziell nach seiner Italienreise war er aufgeschlossener. Noch heute sind 14.000 Liebesbriefe an verschiedene Frauen, die er verehrte vorhanden. 1788 begegnet er einer 23-jährigen Fabriksarbeiterin. Er nimmt sie als Hausgehilfin auf und es wird eine 18-jährige wilde Ehe, bis er sie auch ehelicht und als legitime Ehefrau aufnimmt und sie gesellschaftlich zur „Frau Geheimrat“ macht. Die Gesellschaft reagiert auch darauf. Johanna Schopenhauer formulierte es so: „Ich denke, wenn Goethe ihr seinen Namen gibt, können wir ihr wohl eine Tasse Tee geben.“ (Seite 42) Goethe war ein genialer Dichter und gerade bei ihm kann man nicht unterscheiden zwischen seinem Leben und seinem Werk. • Winston Churchill (1874-1965) Er war eine Sturzgeburt und gehörte nicht dem Hochadel an, was es ihm erlaubte 1940 Premierminister zu werden. Er war ein Familienmensch (Familie mit 5 Kindern) und der Autor nennt es, er sei „wie ein Kranich“. Churchill prägte nicht nur die Geschichte seines Landes, sonders auch die Europas. Er war ein schlechter Schüler und seine Leistungen reichten nicht für ein Universitätsstudium. So ging er zur Armee, deren Aufnahme er erst im dritten Anlauf schaffte. In mehreren Kriegen – wie im Kubaaufstand und den Burenkriegen - war er aktiv. Letzterer verschaffte ihm Ruhm, weil es ihm gelang aus der Kriegsgefangenschaft zu fliehen. „Churchill packte in sein 90-jähriges Leben so viel wie zehn hart arbeitende Karrierepolitiker – und mehr: Im Telegrammstil sieht dies so aus: - 60 Jahre Member of Parliament - 8 verschiedene Ministerien zwischen 1905 und 1929 - 2 Perioden als Premierminister (1940-1945, 1951 – 1955) - Ein umfangreicheres Oeuvre als William Shakespeare und Charles Dickens zusammen - Literaturnobelpreis (1953) - 600 Ölbilder als Hobbymaler“ (Seite 45) Die Engländer nennen dies „larger than life“. Daneben hatte er immer Appetit, trank und rauchte viel. • Jean Rudolf von Salis (1901-1996) Eine nicht so bekannte Schweizer Persönlichkeit. Ein Adeliger der speziell während des Zweiten Weltkriegs journalistisch die Weltlage kommentierte und sich einen Namen machte. • Marilyn Monroe (1926-1962) Viele Menschen sind nach ihrem Tod nicht mehr präsent. Marilyn Monroe ist es nach kurzem Leben noch lange. 263 Bücher wurden über sie geschrieben. Noch heute offeriert Amazon 10.000 Produkte mit dem Namen Monroe. Sie stammte aus einfachen Verhältnissen. Ihre Kindheit war „ungewollt, ungeliebt, geschlagen, sexuell missbraucht, ins Waisenhaus abgeschoben – kurzum, Tristesse, wohin man schaut.“ (Seite 53). Als 16-jährige rettete sie sich in eine Ehe und wird zum Model und zur Schauspielerin. Ihre Marke war „Sexbombe“ verquickt mit vielen Männerverhältnissen und Ehen wie mit dem Schriftsteller Arthur Miller. Sie war ihrem erreichten Leben nicht gewachsen und beendete es selbst. Jedes Leben hat einen Beginn und ein Ende. Später beurteilt man Lebensläufe anders. Julius Caesar wird im 21. Jahrhundert anders bewertet als vor 2000 Jahren. Immer stellt sich die Frage „Wieviel Wahrheit ist in einer Autobiografie“. Goethe nannte seine „Dichtung und Wahrheit“. Er nannte dies „das eigentlich Grundwahre“, was nicht auf Fakten beruhen musste. „Eine Biografie „erweckt das Vergangene zum Leben, und dadurch kann sich zeigen, was daran Wahrheit ist.“ (Seite 57) |
TURRINI, Peter Ich liebe dieses Land. Stück und Materialien Buch Suhrkamp, 2020. @book{TURRINI2020, title = {Ich liebe dieses Land. Stück und Materialien}, author = {Peter TURRINI}, year = {2020}, date = {2020-08-02}, publisher = {Suhrkamp}, abstract = {TURRINI, Peter: „Ich liebe dieses Land – Stück und Materialien“, Frankfurt 2001 Ein Nigerianischer Flüchtling kam nach Deutschland. Er sprach nur einen Satz in deutscher Sprache: „Ich liebe dieses Land“. Das Stück spielt im ersten Akt in einer Gefängniszelle. Der Nigerianer Beni ist mit Handschellen gefesselt. Eine Putzfrau reinigt die Zelle und versucht mit ihm ins Gespräch zu kommen. Sie selbst ist Polin. Ebenfalls einmal geflüchtet. Ein Arzt untersucht ihn, ob er eventuell im After Rauschgift schmuggelt. Die Putzfrau Janina versucht ihm deutsch beizubringen, spricht aber selbst nur schlecht. Immer wieder kommen polnische Wörter dazwischen. Auch ein Psychologe untersucht Beni. Der zuständige Wachebeamte trinkt in Benis Anwesenheit eine Kiste Bier aus. Er trinkt dabei jede Flasche mit verbundenen Augen und versucht die Marke zu erraten. Als er dann betrunken ist schlägt er Beni nieder. Ein Journalist mit einer Fotografin versucht mit dem Gefangenen einen Bericht zu machen. Das wird ihm nicht leicht gemacht „Nur wenn wir zum Tier werden, zum stummen Vieh, erreichen wir einen gewissen Grad an Menschlichkeit. Erst wenn die Deutschen erfroren im russischen Schnee liegen, wenn ihnen die Wasserwerfer die Sätze aus dem Mund gespült haben, wenn sie zu Tausenden stumm auf den südlichen Stränden liegen und schweigen, weil ihnen die Hitze die Sprache verbrannt hat, haben sie Anmut.“ (Seite 32) Der letzte Besucher im ersten Akt ist der Polizeipräsident mit seiner Frau. Sie sind kostümiert. Kommen von der Love-Parade. Sie sind angeheitert, betrunken. Die Frau fährt Beni in den Hintern. Der wehrt sich und schlägt die Frau nieder. Der Ehemann freut sich. Selbst hätte er sich das nicht getraut. Zum Dank lässt er Beni frei. Der zweite Akt spielt in der Wohnung der Putzfrau. Sie hat ihn aufgenommen und verpflegt ihn. Dann stürmt aber die Polizei die Wohnung. Der Polizeipräsident lässt ihn festnehmen. Im dritten Akt ist er mit zwei Männern in einer Gefängniszelle. Ein kleiner, sehr aktiver Mann und ein Bankbetrüger, der wiederum fast Nichts redet. Der kleine Mann versucht eine Kommunikation Beni. Da hören sie die Putzfrau draußen nach Beni rufen. Das Zellenfenster liegt zu hoch um hinaussehen zu können. In einem Brief an den Verleger definiert Turrini dieses Stück so: „Wenn sie mich fragen, was die Quintessenz meines neuen Stückes ist, dann antworte ich Ihnen auf die einfachste Weise: Alle Ausländer wollen nach Deutschland rein, alle Deutschen wollen aus Deutschland raus.“ (Seite 65) Mehrere Briefe Turrinis ergänzen das Buch. An Claus Peymann, an den Bürgermeister seiner Geburtsstadt Maria Saal, der ihm die Ehrenbürgerschaft geben wollte, aber im Gemeinderat keine Mehrheit bekam und ein Brief an Jörg Haider. Turrini, der ein engagierter Gegner der Freiheitlichen Partei ist, hat diesen Brief sehr höflich, aber auch sehr direkt verfasst. Ein literarisches Stück. Dann noch interessante Interviews und eine in Japan gehaltene Rede der Freundin Turrinis Silke Hassler. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } TURRINI, Peter: „Ich liebe dieses Land – Stück und Materialien“, Frankfurt 2001 Ein Nigerianischer Flüchtling kam nach Deutschland. Er sprach nur einen Satz in deutscher Sprache: „Ich liebe dieses Land“. Das Stück spielt im ersten Akt in einer Gefängniszelle. Der Nigerianer Beni ist mit Handschellen gefesselt. Eine Putzfrau reinigt die Zelle und versucht mit ihm ins Gespräch zu kommen. Sie selbst ist Polin. Ebenfalls einmal geflüchtet. Ein Arzt untersucht ihn, ob er eventuell im After Rauschgift schmuggelt. Die Putzfrau Janina versucht ihm deutsch beizubringen, spricht aber selbst nur schlecht. Immer wieder kommen polnische Wörter dazwischen. Auch ein Psychologe untersucht Beni. Der zuständige Wachebeamte trinkt in Benis Anwesenheit eine Kiste Bier aus. Er trinkt dabei jede Flasche mit verbundenen Augen und versucht die Marke zu erraten. Als er dann betrunken ist schlägt er Beni nieder. Ein Journalist mit einer Fotografin versucht mit dem Gefangenen einen Bericht zu machen. Das wird ihm nicht leicht gemacht „Nur wenn wir zum Tier werden, zum stummen Vieh, erreichen wir einen gewissen Grad an Menschlichkeit. Erst wenn die Deutschen erfroren im russischen Schnee liegen, wenn ihnen die Wasserwerfer die Sätze aus dem Mund gespült haben, wenn sie zu Tausenden stumm auf den südlichen Stränden liegen und schweigen, weil ihnen die Hitze die Sprache verbrannt hat, haben sie Anmut.“ (Seite 32) Der letzte Besucher im ersten Akt ist der Polizeipräsident mit seiner Frau. Sie sind kostümiert. Kommen von der Love-Parade. Sie sind angeheitert, betrunken. Die Frau fährt Beni in den Hintern. Der wehrt sich und schlägt die Frau nieder. Der Ehemann freut sich. Selbst hätte er sich das nicht getraut. Zum Dank lässt er Beni frei. Der zweite Akt spielt in der Wohnung der Putzfrau. Sie hat ihn aufgenommen und verpflegt ihn. Dann stürmt aber die Polizei die Wohnung. Der Polizeipräsident lässt ihn festnehmen. Im dritten Akt ist er mit zwei Männern in einer Gefängniszelle. Ein kleiner, sehr aktiver Mann und ein Bankbetrüger, der wiederum fast Nichts redet. Der kleine Mann versucht eine Kommunikation Beni. Da hören sie die Putzfrau draußen nach Beni rufen. Das Zellenfenster liegt zu hoch um hinaussehen zu können. In einem Brief an den Verleger definiert Turrini dieses Stück so: „Wenn sie mich fragen, was die Quintessenz meines neuen Stückes ist, dann antworte ich Ihnen auf die einfachste Weise: Alle Ausländer wollen nach Deutschland rein, alle Deutschen wollen aus Deutschland raus.“ (Seite 65) Mehrere Briefe Turrinis ergänzen das Buch. An Claus Peymann, an den Bürgermeister seiner Geburtsstadt Maria Saal, der ihm die Ehrenbürgerschaft geben wollte, aber im Gemeinderat keine Mehrheit bekam und ein Brief an Jörg Haider. Turrini, der ein engagierter Gegner der Freiheitlichen Partei ist, hat diesen Brief sehr höflich, aber auch sehr direkt verfasst. Ein literarisches Stück. Dann noch interessante Interviews und eine in Japan gehaltene Rede der Freundin Turrinis Silke Hassler. |
IRVING, John Bis ich dich finde Buch 2020. @book{IRVING2020c, title = {Bis ich dich finde}, author = {John IRVING}, year = {2020}, date = {2020-08-01}, abstract = {IRVING, John: „Bis ich dich finde“, Zürich 2007 Ein moderner Casanova des 20./21. Jahrhunderts. Er nennt sich Jack Burns. Irving beschreibt seinen Werdegang von Kindheit bis zum erfolgreichen Schauspieler. Bei über 1000 Seiten muss der Autor schon interessant schreiben, um den Leser bei der Stange zu halten. Viele Themen werden dabei angesprochen, bei denen Sachkenntnis notwendig ist. So etwa beim Tätowieren. Sein Vater „sammelt“ Tattoos auf seinem Körper aus verschiedenen Ländern und deren berühmten Tätowierern. Seine Mutter ergriff diesen Beruf und hielt sich zu Beginn so finanziell – ohne den verschwundenen Kindesvater – über Wasser. Später wird sie mit dieser Arbeit eine anerkannte „Künstlerin“, obwohl sie und ihr Sohn kein einziges Tattoo auf ihren Körpern haben. Als der Bub dann in die Schule geschickt wird und später auch in einem Internat wohnt, wird er Ringer. Auch hier ist viel Sachwissen über diese Sportart verarbeitet. Der Bub Jack hatte schon in der Schule in Laienstücken mitgespielt und macht anschließend eine Schauspielausbildung. Mit Hilfe seiner Freundin Emma – die zweite wichtige Proponentin des Romans – kommt er nach vielen Auftritten bei Sommertheatern ins Filmgeschäft. Dies ist ein Buchabschnitt für Cineasten. Filme und Schauspieler werden besprochen. Der Buchautor John Irving hatte im Jahr 2000 für ein Drehbuch einen Oscar bekommen. Im vorliegenden Buch lässt er seiner Hauptfigur Jack diese Ehre erlangen. Und letztlich zieht sich Sexismus durch das ganze Buch. Die ersten Erlebnisse als Junge und später als erwachsener, attraktiver Mann, der Verhältnisse mit vielen Frauen hatte. Oft mit älteren. Seine Mutter wiederum hat ein lesbisches Verhältnis und wohnt mit dieser Frau wie in einer Ehe zusammen. Die Partnerin ist wohlhabend und ermöglicht so das Studium von Jack und einen gehobenen Lebensstandard seiner Mutter. Zurück zu Emma. Sie ist eine, um einige Jahre ältere Schülerin, die ihn – Jack – aufklärt und dieses sexuelle Verhältnis das ganze Leben aufrechterhält, ohne mit ihm wirkliche sexuelle Beziehung zu haben. Eine Lebensfreundschaft. Emma stirbt als berühmte Drehbuchautorin und vermacht ihrem Freund alle Rechte; ja sie sorgt für seine schriftstellerische Karriere über ihren Tod hinaus vor. Durch Emma hat sich seine Beziehung zur lesbischen und mit Emmas Mutter zusammenlebenden Mutter etwas distanziert. Erst als sie im Sterben lag kümmerte er sich wieder. Nach ihrem Tod begann er wieder nach dem Vater zu suchen. Er fuhr dieselben Städte, die er mit seiner Mutter als kleiner Bub besuchte um den Vater zu finden wieder ab. Hier erfuhr er, dass ihn seine Mutter immer belogen hatte. Sie hatte den Vater erpresst. Sie wollte ihn zurückhaben. Nicht der Vater war der schlechte Mensch, sondern die Mutter. Der Vater galt – so wurde ihm berichtet - ein gläubiger Mensch. Eine nostalgische Fahrt, die aber ohne Erfolg blieb. Erst als sich eine ehemalige Lehrerin bei ihm meldete und ihm mitteilte, dass er eine Schwester habe, die ihn kontaktieren wolle veränderte sich alles. Über sie bekam er den Kontakt zum Vater, der in einer Nervenanstalt in der Schweiz war. Der Vater – ein begeisterter und anerkannter Organist - litt an einer Nervenkrankheit und sein musizieren wurde eingeschränkt und schmerzhaft. Jack selbst hatte schon mehrere Jahre Behandlungen bei einer Psychologin in Kalifornien. Mit dieser einschneidenden Lebensveränderung, die das Auffinden seiner Schwester und seines Vaters brachte, brauchte er keine psychologische Betreuung mehr. Sein Leben kam in normale Bahnen. So wird der Höhepunkt des Buches das Zusammentreffen mit dem Vater, der auch ihn immer gesucht hatte. Alles in allem ist es ein sehr trivialer, frivoler und skurriler Roman. Ich denke, der Autor Johan Irving ist sich selbst dessen bewusst. Er ist eben ein „Erfolgsschriftsteller“, was nicht gleichzusetzen ist mit Qualität. Im vorliegenden Roman beschreibt er so einen Autor: „Dong McSwiney, ein nicht besonders guter kanadischer Romancier und Drehbuchautor“ (Seite 895). Einige Seiten weiter meint er „das Drehbuch sei der letzte Mist“ (Seite 918). Ich denke, er hat damit auch sein eigenes, dieses Buch gemeint. Oder ist es doch ein gutes Buch? Zumindest von den vielen angerissen Themen sehr umfangreich. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } IRVING, John: „Bis ich dich finde“, Zürich 2007 Ein moderner Casanova des 20./21. Jahrhunderts. Er nennt sich Jack Burns. Irving beschreibt seinen Werdegang von Kindheit bis zum erfolgreichen Schauspieler. Bei über 1000 Seiten muss der Autor schon interessant schreiben, um den Leser bei der Stange zu halten. Viele Themen werden dabei angesprochen, bei denen Sachkenntnis notwendig ist. So etwa beim Tätowieren. Sein Vater „sammelt“ Tattoos auf seinem Körper aus verschiedenen Ländern und deren berühmten Tätowierern. Seine Mutter ergriff diesen Beruf und hielt sich zu Beginn so finanziell – ohne den verschwundenen Kindesvater – über Wasser. Später wird sie mit dieser Arbeit eine anerkannte „Künstlerin“, obwohl sie und ihr Sohn kein einziges Tattoo auf ihren Körpern haben. Als der Bub dann in die Schule geschickt wird und später auch in einem Internat wohnt, wird er Ringer. Auch hier ist viel Sachwissen über diese Sportart verarbeitet. Der Bub Jack hatte schon in der Schule in Laienstücken mitgespielt und macht anschließend eine Schauspielausbildung. Mit Hilfe seiner Freundin Emma – die zweite wichtige Proponentin des Romans – kommt er nach vielen Auftritten bei Sommertheatern ins Filmgeschäft. Dies ist ein Buchabschnitt für Cineasten. Filme und Schauspieler werden besprochen. Der Buchautor John Irving hatte im Jahr 2000 für ein Drehbuch einen Oscar bekommen. Im vorliegenden Buch lässt er seiner Hauptfigur Jack diese Ehre erlangen. Und letztlich zieht sich Sexismus durch das ganze Buch. Die ersten Erlebnisse als Junge und später als erwachsener, attraktiver Mann, der Verhältnisse mit vielen Frauen hatte. Oft mit älteren. Seine Mutter wiederum hat ein lesbisches Verhältnis und wohnt mit dieser Frau wie in einer Ehe zusammen. Die Partnerin ist wohlhabend und ermöglicht so das Studium von Jack und einen gehobenen Lebensstandard seiner Mutter. Zurück zu Emma. Sie ist eine, um einige Jahre ältere Schülerin, die ihn – Jack – aufklärt und dieses sexuelle Verhältnis das ganze Leben aufrechterhält, ohne mit ihm wirkliche sexuelle Beziehung zu haben. Eine Lebensfreundschaft. Emma stirbt als berühmte Drehbuchautorin und vermacht ihrem Freund alle Rechte; ja sie sorgt für seine schriftstellerische Karriere über ihren Tod hinaus vor. Durch Emma hat sich seine Beziehung zur lesbischen und mit Emmas Mutter zusammenlebenden Mutter etwas distanziert. Erst als sie im Sterben lag kümmerte er sich wieder. Nach ihrem Tod begann er wieder nach dem Vater zu suchen. Er fuhr dieselben Städte, die er mit seiner Mutter als kleiner Bub besuchte um den Vater zu finden wieder ab. Hier erfuhr er, dass ihn seine Mutter immer belogen hatte. Sie hatte den Vater erpresst. Sie wollte ihn zurückhaben. Nicht der Vater war der schlechte Mensch, sondern die Mutter. Der Vater galt – so wurde ihm berichtet - ein gläubiger Mensch. Eine nostalgische Fahrt, die aber ohne Erfolg blieb. Erst als sich eine ehemalige Lehrerin bei ihm meldete und ihm mitteilte, dass er eine Schwester habe, die ihn kontaktieren wolle veränderte sich alles. Über sie bekam er den Kontakt zum Vater, der in einer Nervenanstalt in der Schweiz war. Der Vater – ein begeisterter und anerkannter Organist - litt an einer Nervenkrankheit und sein musizieren wurde eingeschränkt und schmerzhaft. Jack selbst hatte schon mehrere Jahre Behandlungen bei einer Psychologin in Kalifornien. Mit dieser einschneidenden Lebensveränderung, die das Auffinden seiner Schwester und seines Vaters brachte, brauchte er keine psychologische Betreuung mehr. Sein Leben kam in normale Bahnen. So wird der Höhepunkt des Buches das Zusammentreffen mit dem Vater, der auch ihn immer gesucht hatte. Alles in allem ist es ein sehr trivialer, frivoler und skurriler Roman. Ich denke, der Autor Johan Irving ist sich selbst dessen bewusst. Er ist eben ein „Erfolgsschriftsteller“, was nicht gleichzusetzen ist mit Qualität. Im vorliegenden Roman beschreibt er so einen Autor: „Dong McSwiney, ein nicht besonders guter kanadischer Romancier und Drehbuchautor“ (Seite 895). Einige Seiten weiter meint er „das Drehbuch sei der letzte Mist“ (Seite 918). Ich denke, er hat damit auch sein eigenes, dieses Buch gemeint. Oder ist es doch ein gutes Buch? Zumindest von den vielen angerissen Themen sehr umfangreich. |
PALMEN, Connie Du sagst es Buch 2020. @book{PALMEN2020, title = {Du sagst es}, author = {Connie PALMEN}, year = {2020}, date = {2020-07-18}, abstract = {PALMEN, Connie: „Du sagst es“, Zürich 2016 Die niederländische Schriftstellerin Connie Palmen gibt dem bereits verstorbenen englischen Dichter Ted Hughes mit diesem Roman eine Stimme. Teilweise ist es auch eine Rechtfertigung darüber, dass sich seine amerikanische Frau Sylvia Plath das Leben genommen hatte. Von der Thematik also ein einfach gestrickter Roman: eine Rechtfertigung eines schuldbewussten Mannes. Schriftstellerisch aber großartig. In dieser Hinsicht eines der besten Bücher, die ich in letzter Zeit gelesen habe. In jungen Jahren lernen sich die beiden – Sylvia Plath und Ted Hughes – kennen. Sie Amerikanerin, für ein Auslandsstipendium in England weilend, lernt ihren Mann kennen, der schriftstellerisch schon am Weg der Anerkennung ist. Sie als Studentin hatte auch schon viel publiziert, der große Erfolg blieb aber noch aus. Nach relativ kurzer Zeit des Kennens heiraten sie heimlich und weihen die Eltern und Freunde erst später ein. Als Künstler führen sie ein nomadisches Leben; verbringen Jahre in Amerika und dann wieder in England. Immer wieder siedeln sie um. Ihr sorgloses Leben wurde mehr konservativ, als das erste Kind – eine Tochter zur Welt kam. Trotzdem blieb die interne Konkurrenz der beiden um Publizität ringenden Künstler. Die intensive Liebe verband sie aber. Sie waren sich nahe. „… alles was sie sah und fühlte, genauso erfuhr, als sähe und fühlte es selbst. Ihr Schmerz war mein Schmerz, ihre Ängste waren meine Ängste, nur reagierte ich anders darauf.“ (Seite 157) Obwohl er nur wenige Jahre älter war, sah sie ihn ihm einen Vaterersatz. Ihr Vater war ein Familientyrann und starb früh. Zur Mutter hatte sie eine nicht so gute Beziehung und schreckte nicht davor zurück dies auch in ihren Büchern zu beschreiben. Hass und Liebe lagen in der Ehe von Hughs und Plath eng beisammen. Als er wohlgelaunt nach einem erfolgreichen Interview von BBC heimkam war die Eingangstür blockiert. Die eifersüchtige Frau hatte all seine Manuskripte zerrissen. Die Ehe wird – trotz des zweiten Kindes – immer getrübter und letztlich trennten sie sich einmal auf Zeit, um zu sich selbst zu finden. Er meinte, „dass sie ein geniales poetisches Selbst befreit hatte, ungehört, neu, originell, schockierend. Die Glasglocke war gelüpft, der gefolterte Panikvogel konnte singen und ich konnte mich von dem Zwang losmachen, Vater und Gott in einem sein zu müssen.“ (Seite 233) Die als Pause gedachte Trennung entfernte aber mehr. Hughes hatte in London eine Freundin, die für ihn aber nur ein ihn anziehendes Sexobjekt war. Sylvias Hass gegen ihren Mann wurde immer aggressiver. Sie lebte zuerst alleine in ihrem Haus am Land und siedelte dann mit den Kindern nach London, wo auch ihr Mann wohnte. Sie begann wieder viel zu schreiben, ließ aber in vielen Geschichten und Gedichten ihren Hass gegenüber dem verlassenen Mann durchblicken. Sie wollte zwar eine Scheidung, reichte diese aber nie ein. Er hoffte immer noch auf ein Zusammenfinden. Als er eines Tages einen Abschiedsbrief erhielt eilte er umgehend zu ihrem Haus. Die Post war in der Zustellung schneller als sie beim Handeln. Sie zerriss den Brief. Der Selbstmord war vereitelt, aber im Februar 1963 bekam er den Anruf mit dem Satz „Deine Frau ist tot.“ (Seite 253) All die Freunde und Verwandten, die in London eintrafen nahm er nur wage wahr. Er kümmerte sich routiniert um die zwei Kinder und hielt die Nachricht des Todes der Mutter von ihnen fern. Am Grab bat er dann die Trauergäste ihn noch alleine zurück zu lassen. „Um dem Schmerz ein Ende zu machen, sang ich leise die letzte Strophe von ‚Waltzing Matilda‘ für meine Braut und bat sie um Vergebung für alles, was ich selbst falsch gemacht hatte.“ (Seite 266) Es war zwar Selbstmord, aber er kam nicht davon los, dass er Mitschuld habe. Viele gaben ihm auch die Schuld. Gerade in einer Zeit des aufkeimenden Feminismus fanden sich Frauen um ihn zum Mörder zu machen. Die innere Liebe und dieser Hass von außen wurde zu einer Zerreißprobe, der er mit der Aufarbeitung ihrer Texte und deren Veröffentlichung entgegentrat. Nach dem Tod kam er nicht los von ihr. Zwar heiratete er seine Freundin und bekam ein Kind von ihr, es war aber nicht mehr die Liebe wie mit Sylvia. Er bezeichnete sich als „Passant, der jeden Augenblick – ohne Erklärung oder Entschuldigung – entschwinden konnte, war in seiner Ungreifbarkeit der unzertrennliche Ehemann einer toten Geliebten.“ (Seite 273) Als sich diese zweite Frau auf dieselbe Art und Weise wie seine erste Frau – den Kopf in das Backrohr des aufgedrehten Gasherdes steckend – aus dem Leben schied, zerbrach er ein weiteres Stück. Schließlich heiratete er eine Bauerstochter, die keine Ambitionen mit Literatur, Depressionen und Todessehnsüchten hatte. Sie war „eine Frau, die die Kinder und mich rettete, und nicht ich sie.“ (Seite 274) All sein restliches Leben versuchte er Sylvias Tod und diese gescheiterte Beziehung zu ergründen. „In den Jahren nach ihrem Tod und jetzt, da ich mit der Poesie das Loch abzudichten versuche, das ihr Selbstmord in mich geschlagen hat, in einem posthumen Dialog das Gespräch mit ihr führe, das wir nie mehr führen konnten, … kommt mir dieses Bild immer wieder, wie wir dort zum letzten Mal zusammen im karmesinroten Wohnzimmer am Feuer saßen und durch die Glut der Flammen sichtbar wurde, wie unsere Worte verflossen, zu einem Körper, einem Geist, einer sprachlichen Vermählung.“ (Seite 237/238) In seinen letzten 30 Jahren schrieb er Gedichte über Sylvia, die er aber privat hielt. Schon todkrank gab er sie zur Veröffentlichung frei. Diese 88 Gedichte aus „Birthday Letters“ waren auch ein wichtiger Leitfaden für die Autorin Connie Palmen für das vorliegende Buch. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } PALMEN, Connie: „Du sagst es“, Zürich 2016 Die niederländische Schriftstellerin Connie Palmen gibt dem bereits verstorbenen englischen Dichter Ted Hughes mit diesem Roman eine Stimme. Teilweise ist es auch eine Rechtfertigung darüber, dass sich seine amerikanische Frau Sylvia Plath das Leben genommen hatte. Von der Thematik also ein einfach gestrickter Roman: eine Rechtfertigung eines schuldbewussten Mannes. Schriftstellerisch aber großartig. In dieser Hinsicht eines der besten Bücher, die ich in letzter Zeit gelesen habe. In jungen Jahren lernen sich die beiden – Sylvia Plath und Ted Hughes – kennen. Sie Amerikanerin, für ein Auslandsstipendium in England weilend, lernt ihren Mann kennen, der schriftstellerisch schon am Weg der Anerkennung ist. Sie als Studentin hatte auch schon viel publiziert, der große Erfolg blieb aber noch aus. Nach relativ kurzer Zeit des Kennens heiraten sie heimlich und weihen die Eltern und Freunde erst später ein. Als Künstler führen sie ein nomadisches Leben; verbringen Jahre in Amerika und dann wieder in England. Immer wieder siedeln sie um. Ihr sorgloses Leben wurde mehr konservativ, als das erste Kind – eine Tochter zur Welt kam. Trotzdem blieb die interne Konkurrenz der beiden um Publizität ringenden Künstler. Die intensive Liebe verband sie aber. Sie waren sich nahe. „… alles was sie sah und fühlte, genauso erfuhr, als sähe und fühlte es selbst. Ihr Schmerz war mein Schmerz, ihre Ängste waren meine Ängste, nur reagierte ich anders darauf.“ (Seite 157) Obwohl er nur wenige Jahre älter war, sah sie ihn ihm einen Vaterersatz. Ihr Vater war ein Familientyrann und starb früh. Zur Mutter hatte sie eine nicht so gute Beziehung und schreckte nicht davor zurück dies auch in ihren Büchern zu beschreiben. Hass und Liebe lagen in der Ehe von Hughs und Plath eng beisammen. Als er wohlgelaunt nach einem erfolgreichen Interview von BBC heimkam war die Eingangstür blockiert. Die eifersüchtige Frau hatte all seine Manuskripte zerrissen. Die Ehe wird – trotz des zweiten Kindes – immer getrübter und letztlich trennten sie sich einmal auf Zeit, um zu sich selbst zu finden. Er meinte, „dass sie ein geniales poetisches Selbst befreit hatte, ungehört, neu, originell, schockierend. Die Glasglocke war gelüpft, der gefolterte Panikvogel konnte singen und ich konnte mich von dem Zwang losmachen, Vater und Gott in einem sein zu müssen.“ (Seite 233) Die als Pause gedachte Trennung entfernte aber mehr. Hughes hatte in London eine Freundin, die für ihn aber nur ein ihn anziehendes Sexobjekt war. Sylvias Hass gegen ihren Mann wurde immer aggressiver. Sie lebte zuerst alleine in ihrem Haus am Land und siedelte dann mit den Kindern nach London, wo auch ihr Mann wohnte. Sie begann wieder viel zu schreiben, ließ aber in vielen Geschichten und Gedichten ihren Hass gegenüber dem verlassenen Mann durchblicken. Sie wollte zwar eine Scheidung, reichte diese aber nie ein. Er hoffte immer noch auf ein Zusammenfinden. Als er eines Tages einen Abschiedsbrief erhielt eilte er umgehend zu ihrem Haus. Die Post war in der Zustellung schneller als sie beim Handeln. Sie zerriss den Brief. Der Selbstmord war vereitelt, aber im Februar 1963 bekam er den Anruf mit dem Satz „Deine Frau ist tot.“ (Seite 253) All die Freunde und Verwandten, die in London eintrafen nahm er nur wage wahr. Er kümmerte sich routiniert um die zwei Kinder und hielt die Nachricht des Todes der Mutter von ihnen fern. Am Grab bat er dann die Trauergäste ihn noch alleine zurück zu lassen. „Um dem Schmerz ein Ende zu machen, sang ich leise die letzte Strophe von ‚Waltzing Matilda‘ für meine Braut und bat sie um Vergebung für alles, was ich selbst falsch gemacht hatte.“ (Seite 266) Es war zwar Selbstmord, aber er kam nicht davon los, dass er Mitschuld habe. Viele gaben ihm auch die Schuld. Gerade in einer Zeit des aufkeimenden Feminismus fanden sich Frauen um ihn zum Mörder zu machen. Die innere Liebe und dieser Hass von außen wurde zu einer Zerreißprobe, der er mit der Aufarbeitung ihrer Texte und deren Veröffentlichung entgegentrat. Nach dem Tod kam er nicht los von ihr. Zwar heiratete er seine Freundin und bekam ein Kind von ihr, es war aber nicht mehr die Liebe wie mit Sylvia. Er bezeichnete sich als „Passant, der jeden Augenblick – ohne Erklärung oder Entschuldigung – entschwinden konnte, war in seiner Ungreifbarkeit der unzertrennliche Ehemann einer toten Geliebten.“ (Seite 273) Als sich diese zweite Frau auf dieselbe Art und Weise wie seine erste Frau – den Kopf in das Backrohr des aufgedrehten Gasherdes steckend – aus dem Leben schied, zerbrach er ein weiteres Stück. Schließlich heiratete er eine Bauerstochter, die keine Ambitionen mit Literatur, Depressionen und Todessehnsüchten hatte. Sie war „eine Frau, die die Kinder und mich rettete, und nicht ich sie.“ (Seite 274) All sein restliches Leben versuchte er Sylvias Tod und diese gescheiterte Beziehung zu ergründen. „In den Jahren nach ihrem Tod und jetzt, da ich mit der Poesie das Loch abzudichten versuche, das ihr Selbstmord in mich geschlagen hat, in einem posthumen Dialog das Gespräch mit ihr führe, das wir nie mehr führen konnten, … kommt mir dieses Bild immer wieder, wie wir dort zum letzten Mal zusammen im karmesinroten Wohnzimmer am Feuer saßen und durch die Glut der Flammen sichtbar wurde, wie unsere Worte verflossen, zu einem Körper, einem Geist, einer sprachlichen Vermählung.“ (Seite 237/238) In seinen letzten 30 Jahren schrieb er Gedichte über Sylvia, die er aber privat hielt. Schon todkrank gab er sie zur Veröffentlichung frei. Diese 88 Gedichte aus „Birthday Letters“ waren auch ein wichtiger Leitfaden für die Autorin Connie Palmen für das vorliegende Buch. |
BRANDSTETTER, Alois; GAUß, Karl-Markus; Daniel KEHLMANN, ; KÖHLMEIER, Michael; PALM, Kurt; PLUHAR, Erika; RABINOWICH, Julya; ROSEI, Peter; ROSSMANN, Eva; ROTH, Gerhard; RUBINOWITZ, Tex; SCHOLL, Susanne; SCHUTTING, Julian; TROJANOW, Ilija; WEIDENHOLZER, Anna Am Zug. Neue Texte übers Bahnfahren Buch 2020. @book{BRANDSTETTER2020, title = {Am Zug. Neue Texte übers Bahnfahren}, author = {Alois BRANDSTETTER and Karl-Markus GAUß and Daniel KEHLMANN, and Michael KÖHLMEIER and Kurt PALM and Erika PLUHAR and Julya RABINOWICH and Peter ROSEI and Eva ROSSMANN and Gerhard ROTH and Tex RUBINOWITZ and Susanne SCHOLL and Julian SCHUTTING and Ilija TROJANOW and Anna WEIDENHOLZER}, year = {2020}, date = {2020-07-11}, abstract = {BRANDSTETTER, Alois; GAUß, Karl-Markus; KEHLMANN, Daniel; KÖHLMEIER, Michael; PALM, Kurt; PLUHAR, Erika; RABINOWICH, Julya; ROSEI, Peter; ROSSMANN, Eva; ROTH, Gerhard; RUBINOWITZ, Tex; SCHOLL, Susanne; SCHUTTING, Julian; TROJANOW, Ilija; WEIDENHOLZER, Anna: „Am Zug. Geschichten übers Bahnfahren“, Sankt Pölten, Salzburg, Wien 2014 Hier hat der Residenzverlag unter dem Rahmenthema „Bahnfahren“ 15 zeitgenössische österreichische, oder in Österreich eingebürgerte Autoren vereint. Jede und jeder von ihnen berichtet in einem etwa zehnseitigen Beitrag von einer Bahnfahrt. Oft sind es Auszüge aus anderen Erzählungen oder Romanen oder auch nur eine „Resteverwertung“ von noch unveröffentlichten Manuskripten. Es sind Geschichten von Bahnfahrten aus verschiedensten Weltteilen. Sie sind aber keine Eisenbahn-Expertenberichte. Die Literatur behält die Oberhand und der Zug selbst gibt nur den Rahmen vor. In der heutigen Berichterstattung stehen ja negative Meldungen an oberster Stelle und auch Literaten folgen diesem Modetrend. Angenehm sah ich, dass sich diese Mode in den Beiträgen dieses Buches nicht durchgesetzt hat. Als Beispiel möchte ich die junge Linzer Autorin Anna Weidenholzer zitieren, wenn sie von einem Bahnhof schreibt: „Die Bänke sind schlecht, sie sind früher besser gewesen. Ich spreche nicht gern davon, dass es früher besser gewesen ist, ich komme mit der Gegenwart im Allgemeinen gut zurecht. Man könnte es folgendermaßen ausdrücken: Es ist alles sauberer geworden, es liegt keine Wurst mehr herum, wir haben Lehnen, die uns voneinander trennen, die uns unsere ordnungsgemäßen Sitzbereiche zuweisen. Wir haben Personal, das über unsere Sicherheit wacht. Wir haben ein großes Angebot von Lebensmitteln und sonstigem Bedarf.“ (Seite 80) Oder Kurt Palm meint unter Bezugnahme auf die Geschwindigkeit des Zuges „Die zwanzig Minuten, die man im Railjet auf der Strecke von Wien nach Salzburg „gewinnt“, sind für ein Leben doch vollkommen irrelevant. Was macht man mit dieser Zeit?“ (Seite 152) }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } BRANDSTETTER, Alois; GAUß, Karl-Markus; KEHLMANN, Daniel; KÖHLMEIER, Michael; PALM, Kurt; PLUHAR, Erika; RABINOWICH, Julya; ROSEI, Peter; ROSSMANN, Eva; ROTH, Gerhard; RUBINOWITZ, Tex; SCHOLL, Susanne; SCHUTTING, Julian; TROJANOW, Ilija; WEIDENHOLZER, Anna: „Am Zug. Geschichten übers Bahnfahren“, Sankt Pölten, Salzburg, Wien 2014 Hier hat der Residenzverlag unter dem Rahmenthema „Bahnfahren“ 15 zeitgenössische österreichische, oder in Österreich eingebürgerte Autoren vereint. Jede und jeder von ihnen berichtet in einem etwa zehnseitigen Beitrag von einer Bahnfahrt. Oft sind es Auszüge aus anderen Erzählungen oder Romanen oder auch nur eine „Resteverwertung“ von noch unveröffentlichten Manuskripten. Es sind Geschichten von Bahnfahrten aus verschiedensten Weltteilen. Sie sind aber keine Eisenbahn-Expertenberichte. Die Literatur behält die Oberhand und der Zug selbst gibt nur den Rahmen vor. In der heutigen Berichterstattung stehen ja negative Meldungen an oberster Stelle und auch Literaten folgen diesem Modetrend. Angenehm sah ich, dass sich diese Mode in den Beiträgen dieses Buches nicht durchgesetzt hat. Als Beispiel möchte ich die junge Linzer Autorin Anna Weidenholzer zitieren, wenn sie von einem Bahnhof schreibt: „Die Bänke sind schlecht, sie sind früher besser gewesen. Ich spreche nicht gern davon, dass es früher besser gewesen ist, ich komme mit der Gegenwart im Allgemeinen gut zurecht. Man könnte es folgendermaßen ausdrücken: Es ist alles sauberer geworden, es liegt keine Wurst mehr herum, wir haben Lehnen, die uns voneinander trennen, die uns unsere ordnungsgemäßen Sitzbereiche zuweisen. Wir haben Personal, das über unsere Sicherheit wacht. Wir haben ein großes Angebot von Lebensmitteln und sonstigem Bedarf.“ (Seite 80) Oder Kurt Palm meint unter Bezugnahme auf die Geschwindigkeit des Zuges „Die zwanzig Minuten, die man im Railjet auf der Strecke von Wien nach Salzburg „gewinnt“, sind für ein Leben doch vollkommen irrelevant. Was macht man mit dieser Zeit?“ (Seite 152) |
HAUSHOFER, Marlen Bartls Abenteuer Buch 2020. @book{HAUSHOFER2020c, title = {Bartls Abenteuer}, author = {Marlen HAUSHOFER}, year = {2020}, date = {2020-07-09}, abstract = {HAUSHOFER, Marlen: „Bartls Abenteuer“, Berlin 2015 Dieses Buch habe ich gekauft, um meine Sammlung aller Haushofer Romane zu vervollständigen und es meinen Enkelkindern vorzulesen. Es geht um das Leben einer Katze. Als ich aber zu lesen begann gefiel es mir. Die Autorin denkt sich – mit menschlichen Instinkten – in das Leben einer Katze hinein. Wie die Katze in einer Familie aufgenommen wird und was sie so im Laufe der Zeit erlebt. Haushofer muss selbst eine Katzenbesitzerin gewesen sein, sonst könnte sie so eine Geschichte nicht schreiben. Das Buch ist demnach kein (nicht nur) Kinderbuch, sondern auch für Erwachsene und im Speziellen für Katzenbesitzer und Katzenliebhaber geschrieben. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } HAUSHOFER, Marlen: „Bartls Abenteuer“, Berlin 2015 Dieses Buch habe ich gekauft, um meine Sammlung aller Haushofer Romane zu vervollständigen und es meinen Enkelkindern vorzulesen. Es geht um das Leben einer Katze. Als ich aber zu lesen begann gefiel es mir. Die Autorin denkt sich – mit menschlichen Instinkten – in das Leben einer Katze hinein. Wie die Katze in einer Familie aufgenommen wird und was sie so im Laufe der Zeit erlebt. Haushofer muss selbst eine Katzenbesitzerin gewesen sein, sonst könnte sie so eine Geschichte nicht schreiben. Das Buch ist demnach kein (nicht nur) Kinderbuch, sondern auch für Erwachsene und im Speziellen für Katzenbesitzer und Katzenliebhaber geschrieben. |
STREERUWITZ, Marlene Verführungen Buch 2020. @book{STREERUWITZ2020, title = {Verführungen}, author = {Marlene STREERUWITZ}, year = {2020}, date = {2020-07-06}, abstract = {STREERUWITZ, Marlene: „Verführungen“, Frankfurt 1996 Eine junge Frau – Helene – erzählt ihr Leben. Jung hat sie geheiratet und hat zwei Kinder. Der Mann hat sie verlassen ohne sie finanziell zu unterstützen. Als Teilzeitkraft verdient sie sich, kommt aber finanziell nicht zurecht. Der Job ist einer sehr machoistischen Umgebung. Den Mann sieht sie mit ihrer besten Freundin. Selbst zweifelt sie an einem Verhältnis mit einem Mann. Sie versucht es mit einem verheirateten und geht mit ihm in ein Stundenhotel. Ein schwedischer Musiker nützt sie aus. In ihrer Verliebtheit sieht sie das nicht. Ihrem Job muss sie nachgehen, weil sie das Geld braucht. Zusätzlich verkauft sie geerbte Schmuckstücke, um das Leben mit den Kindern finanzieren zu können. Sie muss sparen. Auch ihre Eltern sind ihr keine Hilfe. „Am Dienstag hatte sie Kaiserschmarren zum Abendessen gekocht. Sie hatte ein Ei weniger genommen als im Rezept vorgeschrieben. Alles andere hatte sie zu Hause gehabt. Für das Frühstück hatte sie die letzte Packung Haltbarmilch aufgemacht und über die Cornflakes geschüttet. Aber auch die Cornflakes waren zu Ende. Brot, Eier und Schinken waren einzukaufen. Zahnpasta war ausgegangen. Helene hatte die Tube mit dem Messerrücken ausgequetscht, um den Kindern Zahnpasta für ihre Zahnbürsten zu geben. Sie selbst hatte die Zähne mit Salz geputzt.“ (Seite 182) Mit vielen Problemen hat sie als Alleinerzieherin zu kämpfen. Sie wohnt noch in der Wohnung ihres Exmanns, aber gemeinsam mit dessen Mutter, was sehr problembehaftet ist. Obwohl ihre beste Freundin durch Selbstmord stirbt (einmal hatte sie sie gerettet) geht die Geschichte noch ganz gut aus. Zwar kein Happyend, aber sie findet einen Rechtsanwalt, der ihr zu ihrem Recht verhilft und der Exmann zu Zahlungen verpflichtet wird. In dieser Situation kündigt sie ihren unangenehmen Halbtagsjob, meldet sich arbeitslos und beginnt einen Computerkurs, um fehlende Qualifikationen nachzuholen. Generell skizziert die Autorin sehr gut, wie das Leben einer verlassenen Ehefrau als Alleinerziehung aussehen kann. Streeruwitz erzählt sehr detailgenau die Situation dieser Frau. In einem sehr konstruierten Stil mit kurzen Sätzen und Satzteilen. Mit den Stakkato-Sätzen drückt sie die Überfordertheit der Proponentin Helene aus. Ein sehr guter Roman. Sowohl stilistisch als auch thematisch. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } STREERUWITZ, Marlene: „Verführungen“, Frankfurt 1996 Eine junge Frau – Helene – erzählt ihr Leben. Jung hat sie geheiratet und hat zwei Kinder. Der Mann hat sie verlassen ohne sie finanziell zu unterstützen. Als Teilzeitkraft verdient sie sich, kommt aber finanziell nicht zurecht. Der Job ist einer sehr machoistischen Umgebung. Den Mann sieht sie mit ihrer besten Freundin. Selbst zweifelt sie an einem Verhältnis mit einem Mann. Sie versucht es mit einem verheirateten und geht mit ihm in ein Stundenhotel. Ein schwedischer Musiker nützt sie aus. In ihrer Verliebtheit sieht sie das nicht. Ihrem Job muss sie nachgehen, weil sie das Geld braucht. Zusätzlich verkauft sie geerbte Schmuckstücke, um das Leben mit den Kindern finanzieren zu können. Sie muss sparen. Auch ihre Eltern sind ihr keine Hilfe. „Am Dienstag hatte sie Kaiserschmarren zum Abendessen gekocht. Sie hatte ein Ei weniger genommen als im Rezept vorgeschrieben. Alles andere hatte sie zu Hause gehabt. Für das Frühstück hatte sie die letzte Packung Haltbarmilch aufgemacht und über die Cornflakes geschüttet. Aber auch die Cornflakes waren zu Ende. Brot, Eier und Schinken waren einzukaufen. Zahnpasta war ausgegangen. Helene hatte die Tube mit dem Messerrücken ausgequetscht, um den Kindern Zahnpasta für ihre Zahnbürsten zu geben. Sie selbst hatte die Zähne mit Salz geputzt.“ (Seite 182) Mit vielen Problemen hat sie als Alleinerzieherin zu kämpfen. Sie wohnt noch in der Wohnung ihres Exmanns, aber gemeinsam mit dessen Mutter, was sehr problembehaftet ist. Obwohl ihre beste Freundin durch Selbstmord stirbt (einmal hatte sie sie gerettet) geht die Geschichte noch ganz gut aus. Zwar kein Happyend, aber sie findet einen Rechtsanwalt, der ihr zu ihrem Recht verhilft und der Exmann zu Zahlungen verpflichtet wird. In dieser Situation kündigt sie ihren unangenehmen Halbtagsjob, meldet sich arbeitslos und beginnt einen Computerkurs, um fehlende Qualifikationen nachzuholen. Generell skizziert die Autorin sehr gut, wie das Leben einer verlassenen Ehefrau als Alleinerziehung aussehen kann. Streeruwitz erzählt sehr detailgenau die Situation dieser Frau. In einem sehr konstruierten Stil mit kurzen Sätzen und Satzteilen. Mit den Stakkato-Sätzen drückt sie die Überfordertheit der Proponentin Helene aus. Ein sehr guter Roman. Sowohl stilistisch als auch thematisch. |